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Hermrigen

Giftiger Stoff gefährdet Gasförderungsprojekt

Der geplante Bohrstandort oberhalb des Dorfes ist dem Betreiber-Konsortium nicht mehr ganz geheuer. Nun will es auch zwei Standorte ausserhalb der Gemeinde prüfen.

Auf dieser Wiese oberhalb von Hermrigen soll Gas gefördert werden. Bild: Olivier Gresset

BEAT KUHN

Das Hermriger Gasförderungsprojekt steht unter einem schlechten Stern. Es kommt nicht vom Fleck. Zunächst wurde ein Vierteljahrhundert lang gar nichts zur Hebung dieses Schatzes unternommen. 2008 änderte sich das zwar, doch kam es beim dannzumal an die Hand genommenen Projekt immer wieder zu Verzögerungen. So musste jeweils lange auf die nötigen Bewilligungen gewartet werden. Auch sah man sich mit Einsprachen konfrontiert, die erst erledigt werden mussten. Und 2010 schliesslich stieg einer der drei Konsortiumspartner aus, die englische Firma Ascent Resources.

Ohne Bohrgerät und Bewilligung
Letztes Jahr zeigte sich dann, dass wegen des neuen Trends zur Erdwärmenutzung auf dem Markt kaum noch Bohrtürme zu finden sind (das BT berichtete). Immerhin konnte sich das nun noch amerikanisch-schweizerische Konsortium Peos-Seag, welches das Bohrprojekt betreibt (siehe Infobox), damals Hoffnung auf ein Bohrgerät aus Dänemark machen. Gleichzeitig machte man sich daran, die im Oktober 2012 ablaufende Erschliessungsbewilligung verlängern lassen. Dem stehe nichts im Wege, hiess es bei der zuständigen Stelle des Kantons damals.

Beides hat sich nun aber zerschlagen, wie Seag-Mehrheitsaktionär Patrick Lahusen in einem Informationsblatt für «die Bevölkerung von Hermrigen» schreibt. So habe es die isländische Gesellschaft, der das Bohrgerät gehört, vorgezogen, dieses zurück nach Island zu transportieren, «um dort geothermische Bohrungen zu machen». Doch damit nicht genug: Als Vorbedingung für eine Verlängerung der Erschliessungsbewilligung fordert der Kanton nun zuerst eine «Verlängerung der Versicherungszusage». Bei der Durchsicht der Akten habe die zuständige Verwaltungsstelle nämlich bemerkt, «dass die damalige Versicherungsgutsprache für unser Projekt abgelaufen war».

Was wusste die Versicherung?
Diese Vorbedingung aber sollte sich als nächster Stolperstein auf dem Weg zum «Gas aus Hermrigen» entpuppen. Als das Konsortium nämlich um eine Verlängerung der «Versicherungsdeckung» von rund zwölf Millionen Dollar nachsuchte, verlangte die Versicherungsgesellschaft laut Lahusen erst «weitere Sicherungsmassnahmen». Dies, weil an der geplanten Bohrstelle im Boden die problematische Substanz Schwefelwasserstoff vorhanden sei, wie man erst jetzt erfahren habe.

Diese Darstellung nennt Lahusen in seinem Schreiben zwar «ziemlich unglaubwürdig». Aber er kann auch nicht das Gegenteil beweisen. Denn wie er gegenüber dem «Bieler Tagblatt» sagte, war der fragliche Versicherungsvertrag vom 2010 ausgestiegenen dritten Konsortiumspartner ausgehandelt worden. «Und der zuständige Mitarbeiter lebt inzwischen irgendwo in Australien.» Für sich selbst nimmt Lahusen in Anspruch, stets mit offenen Karten gespielt zu haben, wie er in seinem Informationsblatt betont. Auch bei den zwei Präsentationen, die er in Hermrigen 2008 durchgeführt habe, habe er auf den Schwefelwasserstoff hingewiesen.

Aber wie auch immer: Gegenüber dem BT machte Lahusen klar, dass es rein juristisch ohne Weiteres möglich sei, einen neuen Versicherungsvertrag abzuschliessen, in dem der Schwefelwasserstoff explizit berücksichtigt sei. Die Versicherungsdeckung wäre dann einfach «etwas höher» als beim bisherigen Vertrag.

Giftig und wie faule Eier stinkend
Dass es im Untergrund von Hermrigen Gas gibt, war 1982 festgestellt worden. Damals bohrte der französische Mineralölkonzern Elf Aquitaine dort nach Erdöl. Auf Öl stiess man damals zwar nicht, dafür aber – in der Muschelkalkschicht – auf Gas, und dieses Gas enthielt eben Schwefelwasserstoff. Das machte sich recht penetrant bemerkbar, wie Lahusen schreibt: «Ältere Dorfeinwohner können sich noch an den unangenehmen Geruch von faulen Eiern erinnern.»

Der Gestank ist hier allerdings nur ein Nebenthema. Weit problematischer ist, dass Schwefelwasserstoff giftig und schwerer als Luft ist. Lahusen sagt zwar, dass man dies technisch in den Griff kriegen könne. Und: Ausgetreten sei der Schwefelwasserstoff 1982 nur, weil man bis dahin nichts davon gewusst habe. An den beiden Info-Abenden 2008 habe er der örtlichen Bevölkerung erklärt, dass Vorsichtsmassnahmen getroffen werden könnten, damit keinerlei Schwefelwasserstoff entweichen könne. Das hätten die Anwesenden damals ohne negative Reaktionen zur Kenntnis genommen.

Bellmund als Alternative
Auf der amerikanischen Seite des Konsortiums ist man allerdings etwas kritischer. Im Juni letzten Jahres kam John Thrash, Mehrheitsaktionär von Ecorp, der Muttergesellschaft von Peos, eigens nach Hermrigen, um sich den geplanten Bohrstandort selbst anzuschauen. Am Fusse des Hanges hätten gerade Bauernkinder gespielt, erinnert sich Lahusen. Da habe Thrash gesagt: «Das gefällt mir nicht.» Der ausgebildete Mediziner mache sich Sorgen wegen der Wohnhäuser unterhalb des Bohrplatzes.

Aus diesem Grund dachte man sich weitere mögliche Lösungen aus. Schliesslich steuert Ecorp/Peos 90 Prozent des Kapitals bei. Variante eins sieht nun vor, dass der Bohrplatz bleibt, wo er ist, aber mit einem Schutzwall in Richtung Hermrigen versehen wird. Variante zwei sieht so aus, dass im angrenzenden Bellmund ein anderer Bohrplatz gesucht wird. Und Variante drei besteht darin, dass man eine andere Bohrlokation innerhalb der Seag-Schürfgebiete sucht. Dabei ist das Rennen laut Lahusen völlig offen: «Welche Variante zum Zug kommt, wissen wir derzeit noch nicht.» Nur eines weiss er: «Man könnte sagen: Wenn einmal der Wurm drinnen ist, bleibt er drinnen.»
 


INFOBOX:

Öl gesucht, Gas gefunden

• Weil Erdölvorräte vermutet wurden, machte ein Mineralölkonzern in Hermrigen 1982 eine Bohrung.
• Öl wurde zwar keines gefunden, dafür aber Erdgas.
• Seit 2008 plant ein Konsortium die Förderung von Gas. Weil das erste Bohrloch zugeschüttet wurde, muss ein neues angelegt werden.
• Konsortiumspartner sind die Peos AG, die Schweizer Tochterfirma des US-Konzerns Ecorp, und die Schweizer Firma Seag (Aktiengesellschaft für schweizerisches Erdöl).

Stichwörter: Hermrigen, Gas, Bellmund

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