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Hand in Hand mit Kirche und Gemeinde

Ins Insgesamt 15 Jahre hat Markus Reist im Kirchgemeinderat geamtet. Ende letzten Jahres hat der gelernte Schreiner und ausgebildete Radiologiefachmann sein Amt als Kirchgemeinderatspräsident abgegeben.

Die Kirche Ins aus der Luft betrachtet: Markus Reist musste sich hier nie mit einem grösseren Mitgliederschwund auseinandersetzen. Bild: zvg

Tildy Schmid

Friedlich und still ist es am Marxmattenweg in Ins. Im schmucken Einfamilienhaus sitzt mir am langen Tisch – mit Corona-Abstand – Markus Reist, Familienvater und gelernter Schreiner, jetzt Radiologiefachmann, gegenüber. Er ist in Aarberg aufgewachsen und lebt seit 23 Jahren im Ankerdorf. «Natürlich kam ich der Liebe wegen nach Ins», sagt Reist und schmunzelt. Er verweist auf seine Frau Sabine, die genau wie er, im Insel-Spital Bern arbeitet.

Der ungewöhnliche Berufswechsel lässt aufhorchen. «Wie wird man vom ausgewiesenen Schreiner zum diplomierten Radiologiefachmann?» Während seiner Schreinerweiterbildung hätten sich plötzlich medizinische Fragen in den Vordergrund gedrängt, «wohl weil mein Bruder das Down-Syndrom hat und Medizinisches daher zum Familienalltag gehörte», sagt Reist. Zufällig sei er auf ein Angebot zur Röntgenausbildung im Spital Aarberg gestossen. «Mein Interesse war geweckt. Ich bestand die Aufnahmeprüfung und schloss später als diplomierter Radiologie Fachmann HF mit Fachgebiet Radio-Onkologie und Nuklearmedizin ab. Schreinern tue ich nur noch in der Freizeit», sagt er.

Die Kirche bewegt

Insgesamt 15 Jahre amtete Markus Reist im Kirchgemeinderat, davon leitete er acht Jahre die Geschicke der Kirche als Kirchgemeinderatspräsident. Ende letztes Jahr trat er zurück. Neuer Kirchgemeinderatspräsident wurde Matthias Haldemann aus Müntschemier, der seit fünf Jahren als Kirchgemeinderat und Vizepräsident in der reformierten Kirchgemeinde Ins mitwirkt.

«Umsichtig, ruhig und klar hat Markus Reist Kirche, Rat und Mitarbeitende durch die Wogen der Zeit geleitet», umschrieb die Kirchgemeinde Ins sinngemäss Reists Wirken. In einer Zeit, in der Traditionen und Institutionen infrage gestellt werden, habe Reist nach Profil und Aufgaben der Kirche gefragt. Kirche für und mit andern leben war einer seiner Beweggründe sich zu engagieren. «Gerade jetzt, in dieser Zeit der gesellschaftlichen Veränderungen zeigt die Kirche, dass sie offen ist für neue Ausdrucksformen des Glaubens», ist Reist überzeugt.

In den letzten zwei Jahrzehnten hat der nun 50-jährige Radiologiefachmann zwei wichtige Ämter im Dorf bekleidet. Er war in seiner Zeit als Kirchgemeinderatspräsident auch Gemeinderat für Soziales und verstand, Angenehmes, aber auch Schwieriges, in seiner persönlichen, ruhigen Art zu meistern.
Als einstiger Blasmusikant und aktueller Fähnrich der Musikgesellschaft Ins-Mörigen, als Präsident der Veteranenvereinigung des Seeländischen Musikverbandes und als ehemaliger Feuerwehrmann schätzt und stützt er tatkräftig schweizerische Traditionen in Vereinen, im Dorf und Seeland, ist aber, beruflich wie privat, an Neuerungen interessiert.

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Es begann mit der Sonntagsschule in Aarberg

Markus Reist, wie und vor allem warum rückte ihr Interesse an kirchlichen Fragen in den Vordergrund?

Markus Reist:Die erste Beziehung gründet im jahrelangen Besuch der Sonntagsschule in Aarberg. Als ich später erfuhr, dass die Schule evangelisch-methodistisch geführt worden sei, schmälerte das meine Begeisterung für religiöse Geschichten keineswegs, sondern verstärkte mein Grundvertrauen in die Kirche. Wie viele andere verschonten mich Schicksalsschläge nicht. Die Trisomie 21, das Down-Syndrom meines Bruders formte mich genauso wie Unfälle und Todesfälle in der Familie, der Herzinfarkt meiner Frau und vieles mehr. Um damit klarzukommen, suchte ich nach Antworten, wollte verstehen, wie und warum solches geschieht. Kurz gesagt: Der gelebte Alltag, beruflich wie privat, bewog mich, mich mit kirchlichen Fragen auseinanderzusetzen. Also liess ich mich in den Kirchgemeinderat der evangelisch-reformierten Kirche Ins wählen und durfte später als deren Präsident amten.

Was bleibt Ihnen und der Kirchgemeinde von Ihrem Tun wohl in nachhaltiger Erinnerung?

Also sicher die vom Inser Holzkünstler Beat Breitenstein entworfene Generationenbank beim Kirchgemeindehaus. Wir erbauten sie mit Freiwilligen und ich freue mich, wie rege sie benutzt wird. Überhaupt ist die Kirche verstärkt zu einer Plattform geworden, die Menschen zusammenführt, sie durch verschiedene Lebensphasen in Freud und Leid begleitet. Der Kontakt führt von der Taufe über die kirchliche Unterweisung zur Konfirmation und Jahre später kehren die einst Unterwiesenen oft zurück, um in der altbekannten Kirche zu heiraten und zu taufen. Die Kirche ist einfach, unspektakulär, immer da. Übrigens sind auf der Website www.ref-kirche-ins.ch «zehn Gründe Kirche zu sein», aufgelistet. In meiner Präsidialzeit haben wir viele kirchliche Angebote besser sichtbar gemacht. Stolz bin ich auf unseren Kunstführer, der historisch Unbekanntes zur Inser Kirche offenlegt und sie uns allen näher bringt.

Man hört viel von Mitgliederschwund und Kirchenaustritten. Gilt das auch für die Kirchgemeinde Ins?

Natürlich haben auch wir in Ins Kirchenaustritte. Doch die Mehrheit der Austritte geschieht aufgrund eines Todesfalls, nur vereinzelt kündigen uns Menschen ihre Zugehörigkeit auf. Erfreulicherweise wächst die kirchliche Mitgliederzahl praktisch im gleichen Mass wie unsere Kirchgemeindedörfer Ins, Müntschemier, Brüttelen und Treiten an Einwohnern zulegen. Im Gegensatz zu den politischen Gemeinden kennen Kirchgemeinden leider keine obligatorische Anmeldung. Die Kirche Ins heisst jedoch die Neuzuzüger in einem speziellen Gottesdienst willkommen. Vorgesehen ist er am Sonntag, 5. Juli, falls Covid-19 es uns erlaubt.

Sie amteten in Ihrer Kirchgemeinderatszeit auch als Gemeinderat, zuständig für das soziale Geschehen im Dorf. Wie beeinflusste ein Amt das andere?

Ich profitierte von meinen grundsätzlichen Kenntnissen im Sozial- und Gesundheitswesen. Gezielt habe ich den Austausch zwischen den Ämtern vertieft und meine Erfahrungen konkret für das Gemeinwohl genutzt. Zur Struktur des Sozialamtes gehört, dass nichts und niemand an die Öffentlichkeit gezogen wird, daher wird die Person des zuständigen Gemeinderates von aussen her kaum wahrgenommen. Ich denke, das führte mit zu meiner Nichtwiederwahl bei den letzten Gemeinderatswahlen, doch dies entspricht auch meiner persönlichen Grundhaltung: Nicht Worte, sondern Taten zählen und das gilt im Gemeinderat ebenso wie in der Kirche.

Ganz ohne die Coronakrise anzusprechen, kommen wir nicht aus. Wie wirkt sich Covid-19 konkret in Ihren Beruf und privat aus?

Natürlich spüren wir in der Universitätsklinik für Radio-Onkologie die Auswirkungen, steht doch die Insel Gruppe AG als Universitätsspital im Fokus der Covid-Tätigkeiten. Jederzeit setzen wir die Vorgaben von Bund, Bundesamt für Gesundheit, Kanton und der Insel-Klinik um und halten den Tagesbetrieb aufrecht. Professionell fangen wir die Ängste und Bedenken der Patienten und Angehörigen auf und verstehen sie zu bewältigen. Im privaten Bereich sind Familie und gefährdete Familienangehörige ebenfalls Teil des Showdowns. Jedoch durften wir aus solchen Situationen auch Kraft schöpfen und sind dankbar für die sich abzeichnenden Lichtblicke. Einmal mehr wurde jedem von uns bewusst, wie kostbar es ist, einer Familie anzugehören und gemeinsam und solidarisch auch diese Prüfung durchzustehen.

Stichwörter: Ins, Kirche, Kirchgemeinderat

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