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Gampelen

«Irgendetwas stimmt da nicht mehr»

SP-Regierungsrätin Evi Allemann hat in Gampelen vor rund 400 Personen die geplante Verlegung 
des TCS-Campings verteidigt. In keinem einzigen der emotionalen Voten wurde Verständnis dafür gezeigt.

Der Landstreifen neben dem links unten zu erkennenden Tannenhof-Heim wird vom Kanton als Einsatzstandort für den TCS-Camping geprüft. Bild: Aimé Ehi

Beat Kuhn

Eigentlich sind die Würfel gefallen, ist das Schicksal des TCS-Campingplatzes Gampelen am Nordostufer des Neuenburgersees besiegelt: Bis Ende 2024 muss er weg. Darauf haben sich der Kanton Bern als Landbesitzer, der Touring-Club Schweiz (TCS) als Betreiber und die Naturschutzverbände Pro Natura, Birdlife, WWF und Stiftung Landschaftsschutz geeinigt.

1955 war der Campingplatz völlig gesetzeskonform angelegt worden. Doch ab Mitte der 60er-Jahre wurde das Gebiet Fanel, in dem er liegt, immer stärker unter Schutz gestellt, kantonal, national und gar international. Heute dürfte das Gebiet einen so hohen Schutz-Status wie kein anderes in der Schweiz haben.

Viele Zuhörer von auswärts

Trotzdem lud die Interessengemeinschaft (IG) Region Erlach, ein Zusammenschluss von Persönlichkeiten vorwiegend aus dem ehemaligen Amt Erlach, am Dienstag zu einer «Podiumsdiskussion» über dieses Thema. Allerdings wurde in der Mehrzweckhalle Gampelen gar nicht diskutiert, sondern referiert: An einem Rednerpult erläuterten Regierungsrätin Evi Allemann (SP), Vorsteherin der Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion (JGK), Sandra Herren, Direktorin Mobilität und Freizeit des TCS, sowie Barbara Béguin, Gemeindepräsidentin von Gampelen, einfach hintereinander ihre Sicht der Dinge.

Mit rund 400 Personen war die Halle bis auf den letzten Platz besetzt. Ein Grossteil des Publikums kam von auswärts. Darauf konnte man schon draussen aus der grossen Zahl von parkierten Autos schliessen. Stark vertreten gewesen sein dürfte die IG Camping Gampelen Neuenburgersee, die für eine Petition gegen die Aufhebung des Campings am heutigen Ort 19 303 Unterschriften zusammengebracht hatte.

«Ein eindrücklicher Aufmarsch», meinte Jakob Etter, Präsident der IG Region Erlach und BDP-Grossrat aus Treiten, in der Begrüssung: «Offenbar haben wir da ein Thema aufgegriffen, das die Leute bewegt.» Sicherheitshalber gab er darum gleich noch an, wo die Notausgänge der Halle seien und dass der Samariterdienst Gampelen vor Ort sei.

«Unmöglich länger als 2024»

Regierungsrätin Allemann erklärte, sie wolle aufzeigen, was die Regierung dazu bewogen habe, so und nicht anders vorzugehen, um den Campingplatz «möglichst lange am jetzigen Standort zu halten». Ende 2024 laufe aber der betreffende Baurechtsvertrag ab, und der sei nicht verlängerbar. Sie stellte aber auch klar, dass entgegen womöglich kursierenden Gerüchten die Badestelle samt Steg nicht gefährdet sei. Denn diese gehöre der Gemeinde, die sie gemäss kantonalem See- und Flussufergesetz (SFG) als «SFG-Freifläche» eingezont habe. Der Kanton habe diese seinerzeit bewilligt und mache sie nun nicht rückgängig.

Die SP-Frau gab einen Rückblick auf das langjährige Tauziehen um den Standort des Campings in den vergangenen Jahren. Im Jahre 2003 hatte der Regierungsrat dem TCS-Camping eine Standortgarantie für weitere 15 Jahre, also bis Ende 2018, gewährt. Gleichzeitig hatte er den TCS und die Gemeinde Gampelen und den TCS aber angehalten, die Suche nach einem möglichen Alternativstandort voranzutreiben. Ein Unterfangen, das nicht von Erfolg gekrönt war.

Die JGK-Direktorin zeigte sich überzeugt, dass keine bessere Lösung als jene in der Vereinbarung gefunden werden könne: «Der Spielraum ist ausgereizt.» Insbesondere führte sie ein Gutachten der Eidgenössischen Natur- und Heimatschutzkommission (ENHK) ins Feld, das besonderes Gewicht habe. Gemäss diesem hätte sogar schon bis spätestens Ende 2010 ein Ersatzstandort gefunden werden sollen. «Insofern sind wir da nicht in einem Graubereich, dass vielleicht noch etwas Anderes möglich wäre.»

«Juristisch schlechte Karten»

Das Bundesamt für Umwelt (Bafu) bewerte das Gebiet seinerseits als «Hotspot der Biodiversität», so Allemann. Die Gesetzgebung auf Bundesebene habe sich im Laufe der Jahre zugunsten der Umwelt verändert, darüber könne sich der Kanton Bern nicht einfach hinwegsetzen. «Wir haben juristisch schlechte Karten.»

Laut der Politikerin ist in der Vereinbarung unter anderem auch festgehalten, dass sich der Kanton bei der Suche nach einem Alternativstandort aktiv beteiligen müsse. Dies erhöhe die Chancen, einen solchen zu finden, erheblich. Wie er vor zwei Wochen mitgeteilt hat, stellt der Kanton dafür zwei kantonseigene Parzellen zwischen dem Tannenhof-Heim und Reckholdern in Aussicht. Damit würde der Camping auf die andere Seite des Waldes verlegt, wenige hundert Meter weg vom Ufer. Es muss allerdings noch abgeklärt werden, ob es nicht raumplanerische Hürden dagegen gibt. Allemann befand, ein Ersatzstandort müsse möglichst nah beim bisherigen sein, «sonst bringt es nichts».

Die Umweltverbände hätten sich in der Vereinbarung übrigens verpflichtet, gegen einen Ersatzstandort nicht juristisch vorzugehen, was «ein grosses Zugeständnis» sei. Der TCS habe seinerseits sein Interesse am besagten Ersatzstandort bekundet. Die Heim- und Wiedereingliederungsstätte Tannenhof habe dagegen noch gewisse Vorbehalte, räumte sie ein.

Gampelen «offen für Plan B»

Barbara Béguin meinte, es sei dem Gemeinderat Gampelen bewusst, dass der Campingplatz in diversen Schutzzonen liege. «Trotzdem sind wir gewillt, alle Möglichkeiten zu prüfen, um diesen am jetzigen Standort zu erhalten, oder wenigstens Teilbereiche.» Sollte der Campingplatz aber wirklich nicht dort weitergeführt werden können, sei der Gemeinderat «offen für Plan B», also die Prüfung eines Alternativstandortes und die Erstellung eines neuen Campingplatzes mit einem Weg zum See.

TCS-Gutachten sehens anders

Sandra Herren vom TCS führte aus, dass der TCS ursprünglich gar nicht primär ein Automobilclub gewesen sei, sondern eine Organisation zur Förderung des Tourismus. Sie machte geltend, dass auch der TCS stets bestrebt sei, dem Naturschutz gerecht zu werden. Und sie berief sich ebenfalls auf Experten: «Gutachten von uns zeigen, dass der Camping die Natur in keiner Art und Weise beeinträchtigt.» Eine Aussage, die grossen Applaus bekam. Lange habe man gehofft, dass der Camping am heutigen Ort weitergeführt werden könne, «doch leider, leider haben die Umweltorganisationen in den Verhandlungen keinerlei Kompromissbereitschaft gezeigt».

Anschliessend hatte das Publikum Gelegenheit, Fragen zu stellen. Es tat dies reichlich. Immer wieder kam in den Voten das Unverständnis darüber zum Ausdruck, dass ein legal erstellter Camping plötzlich nicht mehr rechtens sei.

Eine Frau fand, die Campierer sähen sich nicht als Eindringlinge in die Natur. «Vielleicht sollten wir den Camping besser als Tier- und Naturbeobachtungsstelle bezeichnen.» Sie verstehe nicht, dass internationale Gremien hier eingreifen könnten: «Irgendetwas stimmt da nicht mehr.» Zwei, drei Versuche von SVP-Vertretern, die Frage des Campings mit dem umstrittenen provisorischen Transitplatz für Fahrende in der Gemeinden zu vermischen, wurden abgeklemmt.

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