Sie sind hier

Abo

Ausgewandert

Kaffee und Kaffeebarone

Brasilien ist der weltgrösste Kaffeeproduzent (drei Millionen Tonnen jährlich) und produziert mehr als 
Vietnam, Indonesien und Kolumbien zusammen.

Hans Peter Gertsch, freischaffender Sprachlehrer in Brasilien
  • Dossier

Minas 
Gerais wiederum ist der grösste Produzent innerhalb Brasiliens und verantwortlich für die Hälfte der Kaffeeproduktion des Landes. Brasilien ist bekannt für seine Arabicasorten, welche eine hohe Qualität und im Vergleich zu Robusta nur die Hälfte Koffein aufweisen.

Die Geschichte des Kaffeeanbaus ist jedoch weniger rühmlich, denn der Kaffee gelangte anfangs des 18. Jahrhunderts zuerst von Äthiopien nach Belém und von dort in die fruchtbaren Anbaugebiete von Rio de Janeiro und Sao Paulo, und zwar zusammen mit den Sklaven, welche seine Produktion überhaupt erst ermöglichten. Im 19. Jahrhundert, während des Kaiserreichs, erlangte der Kaffee seine grosse Bedeutung, und Brasilien wurde dank der erhöhten Nachfrage aus Europa und den USA zum Kaffee-
Exporteur.

Der Kaiser gewährte den grossen Kaffeeproduzenten den Titel «Kaffeebaron», um deren Wichtigkeit für die Entwicklung des Landes zu unterstreichen, und folgte damit einer portugiesischen Tradition, gemäss der vornehme Titel an Bürger vergeben wurden, welche zum Wohlstand oder Schutz des Landes beitrugen. Die meisten dieser Kaffeebarone lebten im Paraibatal, einer Gegend zwischen Rio de Janeiro und Sao Paulo, welche dank des Kaffees eine nie da 
gewesene Blüte erlebte. Der 
Titel war nicht vererblich und diente nicht nur als Anerkennung, sondern auch dazu, Verbündete zu gewinnen.

So konnte insbesondere Kaiser Dom Pedro II mit der Treue der Kaffeebarone rechnen. Aus diesem Grunde zögerte er auch, die Sklaverei abzuschaffen, um damit nicht die wirtschaftliche Elite des Landes zu verärgern.

Den durch den Kaffee gewonnenen Reichtum investierten die Barone auch in die Bildung und sandten ihre Kinder zum Studium in die renommierten Universitäten Europas; dies weniger der eigentlichen Bildung als des Statusgewinnes wegen. Viele dieser Barone konnten nämlich nicht einmal ihren eigenen 
Namen schreiben.

Am Ende der Monarchie und mit der Errichtung der Republik 1889 konnten die Kaffeebarone ihr Prestige nicht mehr aufrecht erhalten. Durch die Kaffeekrise anfangs des 20. Jahrhunderts verloren sie ihre Bedeutung 
vollends, und ihre Titel definitiv jeglichen Wert.

Interessant ist, dass Brasilien weltweit gleichzeitig der zweitgrösste Kaffeekonsument ist: tatsächlich wird einem hier zu jeder Tageszeit ein «Cafézinho» (ein Käfeli) angeboten. Dieses dient nicht nur dem eigentlichen Kaffeegenuss, sondern auch dazu, eine Pause im Alltag zu machen und einen Schwatz zu halten.

Nachrichten zu Seeland »