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Renaturierung

Kallnachkanal eingeweiht

Das Seeland ist um ein Naherholungsgebiet reicher: Die BKW Energie AG hat die Hochwasserschutz- und Renaturierungsarbeiten am Kallnachkanal beendet.

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Patrick Furrer

          
1913 wurde der Kallnachkanal ausgehoben. Genau 100 Jahre später wird er nach jahrelangen Hochwasserschutzund Renaturierungsarbeiten ein zweites Mal «geboren»: sicherer und einladender als jemals zuvor. Zwar wird es noch Monate dauern, bis am Ufer die Pflanzen blühen und mindestens gleich lange, bis sich Wasser- und Landtiere angesiedelt haben. Bis wieder Bäume als Schattenspender am Ufer stehen, dauert es sogar Jahre. Dennoch ist die Freude gross, wie sich bei der gestrigen Einweihungsfeier zeigte. Schon jetzt lässt sich das künftige Naherholungsgebiet für das Seeland erkennen. Auch in den Augen von Regierungsrätin Beatrice Simon (BDP) hat die Konzessionärin BKW Energie AG ihre Hausaufgaben gemacht. 2002 drängten neue Umweltanforderungen die BKW, eine Konzeptstudie zur Landschafts- und Gewässeraufwertung zu erstellen. Erste Vorprojekte wurden erarbeitet – aber: alles umsonst. Die Vorprojekte konnte die BKW gleich wieder über den Haufen werfen, als 2005 ein Hochwasser zu Überschwemmungen in der angrenzenden Landwirtschaftsfläche führte. Das Hochwasser zwei Jahre später bei dem auch der Lyssbach halb Lyss unter Wasser setzte, bestätigte: Der Kallnachkanal muss gesichert und gegen Hochwasser saniert werden. In drei Etappen und für insgesamt drei Millionen Franken wurden die umfangreichen Hochwasserschutzmassnahmen und die gleichzeitige ökologische Aufwertung letztlich realisiert.

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Ein Naherholungsgebiet für 3 Millionen Franken


Nach drei Winterhalbjahren Bauzeit hat die BKW Energie AG gestern den Abschluss der Hochwasserschutz- und Renaturierungsarbeiten gefeiert. Das nächste Projekt wartet schon.


Vögel zwitschern, Wind bläst durch die Büsche am gegenüberliegenden Ufer, das Wasser fliesst gleichmässig und ruhig den Kanal hinunter. Würde nicht ab und zu ein Auto über die Siselenbrücke fahren, wäre der Anblick tatsächlich bilderbuchreif: Aus dem schnurgeraden, monotonen Kallnachkanal mit Steilwänden aus Stahl und Beton ist ein natürlich wirkender Wasserlauf geworden – ein Naherholungsgebiet für das Seeland rund um Aarberg, Kallnach und Hagneck. Regierungsrätin Beatrice Simon (BDP) war an der gestrigen Einweihung des neuen Kanals voll des Lobes für die Bauherrin BKW, die nach acht Jahren ihr Sanierungsprojekt abschliesst. Die ehemalige Gemeindepräsidentin von Seedorf mag sich noch gut an den Kanal erinnern, wie er früher einmal aussah. «Das ist heute ein ganz anderer, viel freundlicherer Anblick», sagte sie. «Früher wollte man immer alles begradigen. Heute ist man gescheiter und lässt der Natur wieder ihren Platz.» Das schaffe neuen Lebensraum für die Pflanzen und Tiere, und damit letztlich auch für die Menschen. Selbst, wenn es schwierig sei, bei einem künstlich angelegten Kanal von einer Renaturierung zu sprechen, da er nicht natürlich entstanden ist. Die BKW habe ihre Hausaufgaben gemacht, lobte Beatrice Simon. Und das sage sie nicht nur, weil sie als Vertreterin des Kantons im Verwaltungsrat sitze.

Schutz vor neuen Hochwassern

Rund 50 geladene Gäste waren zur Einweihung gekommen. Der Kanal als Rückfluss des Kraftwerks Kallnach wurde vor genau 100 Jahren ausgehoben. Wie BKW-Projektleiter Peter Hässig ausführte, wurde für die Gestaltung damals nur minimaler Aufwand betrieben. Auch, dass man zum Schutz vor Hochwasser gebaut hätte, sei kaum zu erkennen gewesen. Die Dämme waren unterschiedlich hoch. Heute sind sie weitgehend einheitlich und auf das kantonale Schutzziel von 1500 Kubikmetern pro Sekunde angepasst.

Bereits 2009 wurden nach den Überschwemmungen 2005 und 2007 als Sofortmassnahme am linken Ufer die Dämme erhöht. In einer zweiten Phase hat die BKW 2012 an beiden Uferseiten auf einer Länge von 2,5 Kilometern weitere Schutzmassnahmen realisiert. Drei Winterhalbjahre haben die Hochwasserschutz- und Renaturierungsarbeiten gedauert. Projektleiter Hässig: «Ich bin erleichtert. Wenn das nächste Hochwasser kommt, sind wir bereit.»

Natürlich für Tier und Mensch

Teils sogar in Gummistiefeln, vielfach in Wanderschuhen und Windjacke liessen sich die Gäste gestern von Daniel Bernet vom kantonalen Fischereiinspektorat den «neuen» Kanal zeigen. Gemeinsam stapfte man durch den Matsch, entlang der frisch und flach aufgeschütteten Erde, die im Herbst noch bepflanzt wird und schon im Frühling 2014 grün erblühen soll.

Die ökologische Aufwertung ist der zweite Aktionsteil des BKW-Projekts «Kallnachkanal, Hochwasserschutz und Renaturierung». Unter anderem wurden landwirtschaftlich genutzte Dammparzellen mit hochwertigen Wiesenblumen neu besät. Waldflächen wurden durchforstet, um lichte Wälder und Auenwaldbäume zu fördern. Der Kallnachkanal wurde für Ausbuchtungen 50 Meter verbreitert. Daniel Bernet erklärte, dass durch die neuen Flachwasserbuchten, die ein Herzstück der Aufwertung bilden, auch neuer Raum für Jungfische geschaffen wird. Die Kiesschüttungen auf der Kanalsohle bieten Laichplätze für die gefährdete Äsche. Daneben sind Biber, Pirol und Laubfrosch weitere «Flaggschiffarten» des Renaturierungsprojekts.

Hindernisse überwunden

Die Aufwertung freut natürlich besonders die angrenzenden Gemeinden. Exemplarisch erklärte Maria Müller, Gemeinderätin von Bargen, im Gespräch: Sie sei überzeugt, dass das neu entstandene Ufer in Zukunft viele Menschen aus der Region anlocken werde. «Es ist ein wunderbares Naherholungsgebiet entstanden. Und schon die alte Aare bei Aarberg hat gezeigt, dass die Leute darauf ansprechen.»

Die BKW musste aber auch Hürden überwinden. Beispielsweise technische, wie den nasskalten, letzten Winter. Die Kommunikation nach aussen und mit den Gemeinden sei ebenfalls sehr wichtig. «Um Schönes entstehen zu lassen, mussten wir zuerst einiges quasi zerstören», sagte Projektleiter Peter Hässig. Bäume mussten gefällt werden. Wegnetze der Gemeinden wurden verbaut, werden jetzt aber wieder instandgestellt. In allen Fällen habe man sich aber immer gütlich einigen können, sagte Hässig. Dem pflichtete auch die Barger Gemeinderätin Müller bei.

Next Stop: «aarbiente III»

Von Seiten des Bundesamts für Umwelt (Bafu) gratulierte Andreas Stalder. Nach seinem Vortrag zum Aktionsplan Strategie Biodiversität Schweiz nahm Stalder konkret Bezug auf das Sanierungsprojekt Kallnachkanal. Dieses sei ein «Best-Practice-Beispiel» für die Förderung der Biodiversität, die zunehmend wichtig wird. «Die BKW hat einen Baustein zur ökologischen Infrastruktur und zur Artenförderung beigetragen und eine Aussichtsplattform zur Umweltbildung geschaffen.» Einzig die Neophyten, witzelte der Bafu-Vertreter, müsse man jetzt noch ausreissen.

Das nächste Grossprojekt der BKW Energie AG steht übrigens bereits an: Mit dem Projekt «aarbiente III» von Aarberg wird die Alte Aare weiter ausgebaut und renaturiert. Auch hier sollen grosse Flachwasserbereiche neue Laichstellen bieten. Nach der erfolgreichen Fertigstellung der Projekts Kallnachkanal ist Projektleiter Peter Hässig zuversichtlich. Die Baubewilligung für «aarbiente III» erwartet er noch in diesen Tagen.
 

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