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Gampelen

Kanton hat nötige Abklärungen nicht gemacht

Das Verwaltungsgericht hat einen Beschluss des Berner Regierungsrats aufgehoben, der in Gampelen die Weiterführung des
TCS-Campings in einem Naturschutzgebiet vorsah. Der Kanton hat dabei nicht geprüft, ob der Betrieb mit dem Umweltrecht vereinbar ist.

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  • Dossier

Lino Schaeren

Umweltorganisationen haben im Streit mit dem Regierungsrat des Kantons Bern vor dem Verwaltungsgericht einen Teilsieg errungen: Die höchste kantonale Instanz hat den Beschluss der Kantonsregierung, den TCS-Campingplatz am Neuenburgersee in Gampelen für weitere 35 Jahre zu bewilligen, aufgehoben. Der Kanton habe die Vereinbarkeit der Vertragsverlängerung mit dem Touring Club Schweiz nicht umfassend mit dem öffentlichen Recht abgeklärt, rügt das Gericht den Regierungsrat in seinem Urteil vom 8. Dezember. Die Daseinsberechtigung wurde dem Campingplatz damit aber nicht entzogen.

Der streitbare Campingplatz liegt im Naturschutzgebiet Fanel. Als Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektor Christoph Neuhaus (SVP) im August des vergangenen Jahres die Weiterführung des Ende 2018 auslaufenden Vertrags verkündete, liefen etliche Organisationen Sturm. Pro Natura Bern, Bird Life Schweiz, WWF Schweiz und die Stiftung Landschaftsschutz Schweiz sind schliesslich mit einer Beschwerde gegen den Beschluss ans Verwaltungsgericht gelangt. Auch das Bundesamt für Umwelt (Bafu) hat eine Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben und verlangt, den kantonalen Beschluss aufzuheben.

 

Hauptanliegen abgewiesen
Klar ist: Der Regierungsrat hatte sich im letzten Jahr gar nicht erst mit den Naturschutzbestimmungen auseinandergesetzt. Er hat die Naturschützer damit vor den Kopf gestossen, dass er sich darauf berufen hat, einen privatrechtlichen Vertrag zu verlängern, der sich nicht nach öffentlichem Recht zu richten habe. Der Kanton ging also davon aus, dass er sich nicht an geltendes Umweltrecht halten muss. Der Kniff dahinter: Die Kantonsregierung hat darauf verwiesen, dass sich die betroffenen Parzellen im kantonalen Finanzvermögen, nicht im Verwaltungsvermögen befinden würden, und der Kanton deshalb wie ein privater Vermieter handle und keine hoheitlichen Aufgaben wahrnehme.

Das Verwaltungsgericht hielt nun fest, dass Wald und Weide wie in Gampelen grundsätzlich tatsächlich zum Finanzvermögen gehörten und Verträge über solche Grundstücke zivilrechtlich seien. Dies sei aber ohne Belang für die Verpflichtungen, die sich aus dem Natur- und Heimatschutzrecht ergäben. «Der Kanton hat sie namentlich auch dann zu erfüllen, wenn das Schutzobjekt Grundstücke in seinem Finanzvermögen betrifft.» Der Kanton kann sich also nicht einfach wie gedacht über Umweltrecht hinwegsetzen.

Indem das Verwaltungsgericht der Argumentation des Kantons nicht gefolgt ist, hat es mit der Aufhebung des Beschlusses der Vertragsverlängerung mit dem TCS die Grundlage entzogen. Zumindest vorerst. Denn das Verwaltungsgericht hat die Beschwerde der Umweltorganisationen nur teilweise gutgeheissen. Das eigentliche Hauptanliegen, das Verbot eines neuen Vertragsschlusses für die Parzellen in Gampelen, komme nicht in Betracht, heisst es im Urteil. Alles, was über die Aufhebung des Regierungsratsbeschlusses hinausgeht, wurde abgewiesen. «Eine allfällige Weiterführung des Campingbetriebs erfordert ein neues Verfahren», so das Verwaltungsgericht.

Auf ein allfälliges Verbot einer Vertragsverlängerung ist das Gericht gar nicht erst eingegangen, da der Beschluss des Kantons auf einer unvollständigen Sachverhaltsfeststellung beruhe. Diesen Sachverhalt herzustellen sei nicht Aufgabe des Gerichts. Das Verwaltungsgericht hat also den Regierungsrat aufgefordert, die nötigen und bisher verpassten Abklärungen im Bereich des Natur- und Heimatschutzrechts vorzunehmen. Diese würden dann zeigen, «ob, und wenn ja, unter welchen Rahmenbedingungen ein Campingbetrieb auf den streitbetroffenen Parzellen mit dem Umweltrecht vereinbar ist». Das Gericht äussert sich also nicht zur eigentlich entscheidenden Frage, ob der Campingplatz fort muss oder bleiben darf.

 

Lichterlöschen kein Thema
Diese Frage bereits für sich beantwortet haben die Umweltverbände. «Das Fanel lässt sich nicht mit dem Betrieb eines Campingplatzes vereinbaren. Das wissen wir, das weiss der TCS und das weiss auch der Kanton seit 14 Jahren», sagt Verena Wagner, Präsidentin von Pro Natura Bern, die sich über ein «wichtiges und wegweisendes Urteil für uns» freut. Sie sagt, dass der Kanton nun «ganz viel Fantasie» haben müsse, um doch noch eine Lösung für den Verbleib des Campings präsentieren zu können.

«Aus unserer Sicht gibt es keinen Handlungsbedarf mehr, die Verträge laufen Ende 2018 aus, dann muss der Campingplatz zurückgebaut und das Gebiet renaturiert werden», sagt Wagner. In einer gemeinsamen Mitteilung halten die vier Umweltorganisationen fest, dass sie vom Berner Regierungsrat nun erwarten würden, dass dieser nun «die bestehenden Gesetze endlich umsetzt».

Anders klingt es naturgemäss beim unterlegenen Kanton Bern. Von einem gemachten Fehler will Regierungsrat Neuhaus nichts wissen, man habe zwar nun verloren, doch man sei der Überzeugung gewesen, dass der privatrechtliche Weg ein gangbarer gewesen wäre. «Wir klären nun ab, was zu tun ist, um diesem Urteil gerecht zu werden.» Der Kanton macht sich also daran, die unterlassenen Abklärungen nachzuholen – und denkt nicht daran, die Pläne einer Vertragsverlängerung mit dem TCS vorzeitig zu beerdigen. «Ich sage sicher nicht, dass wir nun die Lichter löschen», sagt Neuhaus. Mit dem ersten Weg sei man gescheitert, man suche nun unaufgeregt nach einem zweiten.

Neuhaus möchte also weiterhin am Fortbestand des Campingplatzes festhalten. Der Kanton hätte die Möglichkeit, den durch die Umweltverbände publik gemachten Entscheid ans Bundesgericht weiterzuziehen. Der Gesamtregierungsrat hat sich allerdings noch nicht mit dem Urteil des Verwaltungsgerichts befasst. Ob er von einem Weiterzug Gebrauch machen werde, könne er deshalb nicht abschliessend beurteilen, so Neuhaus, er gehe aber nicht davon aus.

 

«Differenziertere Sichtweise»
Der Touring Club Schweiz äussert sich auf Anfrage nicht zum Verfahren, bei dem man nicht unmittelbar Partei gewesen sei. «Wir nehmen den Entscheid des Verwaltungsgerichts zur Kenntnis und erwarten nun die entsprechende Neubeurteilung durch den Berner Regierungsrat», schreibt der TCS.

An ein Ende der Camping-Geschichte Ende 2018 glaubt man beim TCS aber nicht. Man sei «natürlich daran interessiert, gemeinsam mit dem Kanton eine Übergangslösung zu finden», heisst es, «damit bis zum Vorliegen eines rechtskräftigen Entscheids kein vertragsloser Zustand besteht.» Auch Neuhaus wehrt sich gegen voreilige Schlüsse, anders als die Umweltverbände sei man noch nicht so weit, eine endgültige Einschätzung der Lage machen zu können. «Wir haben eine differenziertere Sichtweise als die Verbände», sagt er.

Es ist also sehr wahrscheinlich, dass der Rechtsstreit um die Zukunft des Fanel in eine zweite Runde gehen wird. In der ersten Runde ist der Kanton klar unterlegen. Aber eben nicht endgültig.

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Naturschutzgebiet Fanel

  • Der Campingplatz des Touring Clubs Schweiz in Gampelen liegt in einem gleich mehrfach geschützten Gebiet.
  • Die Parzellen, die der Campingplatz seit den 50er-Jahren besetzt, gehören zu Schutzgebieten für Biotope und Moorlandschaften. So liegen sie in einem Auengebiet von nationaler Bedeutung, in einem Flachmoor von nationaler Bedeutung und in einem Wasser- und Zugvogelreservat von internationaler Bedeutung.
  • Das Verwaltungsgericht schreibt in seinem Urteil vom 8. Dezember, dass mehrere der genannten Inventarverordnungen des Bundes Bestimmungen zum Umgang mit bestehenden Beeinträchtigungen (wie der Campingplatz, die Red.) enthalten würden. «Sie verpflichten die Kantone, bestehende Beeinträchtigungen von Objekten bei jeder sich bietenden Gelegenheit soweit als möglich zu beseitigen.» lsg

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