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Meienried

Kanton warnt vor ewigem Alleingang

In Meienried ist man stolz darauf, politisch eigenständig zu sein. Eine Fusion kommt nicht in Frage. Der Kanton vertritt allerdings eine andere Haltung – denn faktisch sei das Dorf schon heute nicht mehr autonom.

copyright:tanja lander/bieler tagblatt

Deborah Balmer


In der kleinsten Seeländer Gemeinde Meienried will man von einer Fusion nichts wissen. Wieso sollte man auch? Solange es dem Dorf mit den 52 Einwohnern finanziell gut gehe, und man wie bisher stets genügend Leute für den Gemeinderat finde, gebe es keinen Grund für einen Zusammenschluss. Das sagt Susanne Gilgen, die während der letzten sieben Jahre Gemeindepräsidentin in Meienried war  (das BT berichtete).


Damit verhält sich Meienried entgegen den allgemeinen schweizweiten Trend. Auf Ende des Jahres verschwinden in der Schweiz nämlich wieder 30 Gemeinden – schweizweit sind es dann noch 2294. Im Kanton Bern sind seit der Einführung des kantonales Gesetzes zu Förderung von Gemeindefusionen vor zehn Jahren ebenfalls 48 Gemeinden verschwunden.

Am Neujahrstag zählt der Kanton 352 Gemeinden und wird voraussichtlich bis ins Jahr 2020 jedes Jahr drei bis vier Fusionen erleben. Manchmal macht der Kanton auch unsanften Druck, um eine Fusion in die Wege zu leiten – indem er etwa mit einer Kürzung des Beitrags aus dem Finanzausgleich droht (BT vom Dienstag).


Das Dorf ist finanziell gesund
Doch Meienried ist keine Nehmergemeinde, also kann der Kanton keinen Druck ausüben – und erfüllt auch sonst kein Kriterium für eine Zwangsfusion. Es stimme, dass Meienried finanziell sehr gesund sei, sagt auch Regierungsrat und Gemeindedirektor Christoph Neuhaus (SVP). Im Finanz- und Lastenausgleich zählt der Ort mit nur 58 anderen im Kanton zu den Gebergemeinden. «Aus finanziellen Gründen wird Meienried in absehbarer Zeit also nicht fusionieren», sagt er.


Das Dorf hat einen Steuerfuss von 1.23, 636110 Franken Eigenkapital und ein Steuerzehntel, der 7614 Franken entspricht. Die Steuereinnahmen stammen fast ausschliesslich von natürlichen Personen. «Vermutlich hat die Gemeinden einen oder mehrere sehr gute Steuerzahler», sagt Neuhaus weiter. Neben der guten finanziellen Lage, findet man im Ort – anders als in vielen anderen Dörfern – auch stets genügend Leute für den Gemeinderat. Trotzdem sieht Christoph Neuhaus Gründe, weshalb Meienried eine Fusion prüfen sollte, er spricht von «einem Klumpenrisiko». Wenn nur ein wichtiger Steuerzahler wegziehe, stehe die Gemeinde finanziell plötzlich nicht mehr so gut da.


Auch andere Ereignisse können laut Neuhaus die Finanzlage schnell beeinflussen: Etwa, wenn plötzlich eine Familie mit mehreren Kindern nach Meienried ziehe und damit die Schülerzahl steige. Oder bei einer freiwilligen Platzierung eines Kindes in einer fremden Familie. Denn die Kosten dafür laufen über den Lastenausgleich und könnten laut Neuhaus das Budget von Meienried mit 60000 Franken pro Jahr beeinflussen.

«Es reicht also ein Ereignis, um alles aus dem Lot zu bringen.» Zudem könne es sehr schnell passieren, dass eine Kleinstgemeinde doch nicht mehr genügend Interessenten finde, die politische Verantwortung übernehmen. Bei nur 52 Einwohnern sei zudem nicht garantiert, dass dem Verwandtenausschluss innerhalb des Gemeinderats Rechnung getragen werde. Weiter sei schon heute die Gemeindeautonomie nur noch in geringen Ausmass vorhanden.


In der Tat hat Meienried wichtige Aufgaben wie Schule, Feuerwehr, und Soziales ausgelagert. Ebenso erledigt Büren für Meienried die Verwaltung der Finanzen, und das Dorf bildet zusammen mit Büren einen Stimmkreis – nicht einmal die Abstimmungszettel werden selber ausgezählt.


Neuhaus zieht für Meienried und andere Kleinstgemeinden folgendes Fazit: «Sie sollten die Zukunftschancen abklären, wenn es ihnen gut geht, und nicht, wenn es zu spät ist.»


Traditionelle Eigenständigkeit
In Meienried sieht man dafür derzeit keinen Grund. Man ist der Meinung, dass es ja gut laufe: Der Steuerfuss ist tief, und die Zusammenarbeit mit den umliegenden Gemeinden ist laut Susanne Gilgen eine eingespielte Sache.


Meienried hat ein lange Tradition der Eigenständigkeit: Die modernen Einwohnergemeinden entstanden im Kanton Bern 1833. Das Dorf war damals geografisch stark isoliert – vor der ersten Juragewässerkorrektion war es von drei Seiten von der Zihl umgeben. Drei Fähren verbanden das Dorf mit Büren, Dotzigen und Safnern/Orpund. Hinzu kam, dass das reichere, aufstrebende Büren kein Interesse an einem Zusammenschluss mit der kleinen Dorfgemeinde hatte.

 

 

«Mich stört die Haltung»

Der Kanton kann Meienried nicht zu einer Fusion zwingen. Doch er wünscht sich, dass sich das Dorf Gedanken über die Zukunft macht.


Christoph Neuhaus, will der Kanton Druck auf Meienried machen?
Christoph Neuhaus:Nein, wir machen keinen Druck, eine Fusion soll freiwillig passieren. Doch auch Meienried sollte sich Gedanken machen, wo es in 5, 15 oder 20 Jahren steht. Es ist durchaus möglich, dass das Dorf dereinst die letzte eigenständige Gemeinde seiner Grösse sein wird. Aber es kann eben auch sein, dass es Meienried finanziell plötzlich schlecht geht. Mich stört die Haltung: Sich noch ein wenig selber verwalten und einfach mal abwarten.
Mit wem sollten sich die Meienrieder zusammentun?
In Frage kämen Büren oder Schwadernau. Das müsste aber eben rechtzeitig geklärt werden. Weder Büren noch Schwadernau hätte Freude daran, ein finanziell schlecht gestelltes Dorf aufgezwungen zu bekommen.
Was bringt es dem Kanton, wenn möglichst viele Gemeinden fusionieren?
Der Vorteil sind weniger Ansprechpartner, die professioneller arbeiten. Wenn in einem Kleinstdorf der Gemeindeschreiber in den Ferien weilt, läuft oft gar nichts mehr.
Geht so nicht ein Stück der direkten Demokratie verloren?
Im Gegenteil: Die direkte Demokratie gewinnt, weil etwa die Verwaltung stets besetzt ist und eine grössere Gemeinde weniger Aufgaben auslagern muss. Eine Gemeindeversammlung, die nur 20 Minuten dauert, bedeutet für mich nicht gelebte Demokratie – da fehlt doch die Debatte oder es gibt gar kein politisches Leben mehr. Interview:Deborah Balmer

Kommentare

serena20

Solange das Motörchen schön rund läuft, sollte nicht dran geschraubt werden. Es ist früh genug, wenn es anfängt zu Stottern.


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