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Strafvollzug

Kein Frauengefängnis in Witzwil

Sieg für die Natur- und Kulturlandschützer: Der Regierungsrat des Kantons Bern hat entschieden, das neue Frauengefängnis in Witzwil nicht zu bauen. In Gampelen ist man enttäuscht.

Stopp für das Frauengefängnis in Witzwil: Der Regierungsrat hat sich gestern gegen den Standort im Seeland ausgesprochen. Bild: Peter Samuel Jaggi/a

Jacqueline Lipp

Das einzige Frauengefängnis der Schweiz zieht nicht ins Seeland, sondern bleibt in Hindelbank. Das hat der Regierungsrat gestern entschieden. Geplant war eigentlich eine neue Anstalt in Witzwil in unmittelbarer Nähe zum bestehenden Gefängnis für Männer. Das kommt nun definitiv nicht zustande.

Ausschlaggebend für den überraschenden Entscheid war laut dem Regierungsrat, dass Witzwil als Schutzgebiet von nationaler Bedeutung in acht verschiedenen Bundesinventaren enthalten ist, so beispielsweise in jenem für Zugvögel oder Amphibien.

Das wusste die Regierung zwar schon beim strategischen Entscheid letzten Dezember, offenbar war aber nicht klar, inwiefern das die einzelnen Standorte betrifft. Die eingehendere Analyse hat nun gezeigt: «Bis auf zwei Varianten tangieren alle möglichen Standorte auf dem Areal mehrere Bundesinventare», sagt die zuständige Regierungsrätin Barbara Egger-Jenzer (SP).

Zu hohes rechtliches Risiko
Dort darf man nur bauen, wenn kein anderer Standort möglich sei – was laut Egger-Jenzer ja gerade für das Frauengefängnis nicht gelte. Hätte der Kanton sich für Witzwil entschieden, hätte man damit rechnen müssen, dass der Entscheid bis vor Bundesgericht gezogen werde – und dort abgelehnt würde. «Dieses Risiko hätte das Ganze verzögert, was wir nicht eingehen wollten», so Egger-Jenzer.

Bereits im Frühling hatten Umwelt- und Landschaftsorganisationen ihren Widerstand angekündigt. Denn das Vogelschutzgebiet Fanel und wichtige Wildtierkorridore sowie eine grosse Fläche Kulturland wären von der Vollzugsanstalt betroffen gewesen (das BT berichtete).

Egger-Jenzer hält aber fest: «Der Entscheid gegen Witzwil basiert nicht auf dem Einfluss der Umweltschutzorganisationen, sondern auf der Fachstudie.»

Unterschiedliche Reaktionen
Diese Studie zeigte nur zwei Varianten auf, bei denen das Problem mit den Bundesinventaren nicht existiert hätte. Diese waren laut Egger-Jenzer aber zu weit entfernt von den bestehenden Gebäuden und hätten das Landwirtschaftsgebiet durchschnitten. Der Regierungsrat betonte gestern, dass das Gebiet nicht nur für den Naturschutz wichtig sei, sondern auch von grossem landwirtschaftlichem Wert. «Wir kamen daher zum Schluss, dass keiner der Standorte die ideale Lösung bieten würde», sagt Egger-Jenzer.

Dem Entscheid vorangegangen waren Diskussionen einer extra eingesetzten Begleitgruppe. Darin vertreten waren auch Ins und Gampelen, letztere durch Vize-Gemeindepräsidentin Barbara Béguin. Sie sagt: «Unsere Gemeinde wäre der Strafanstalt positiv gegenüber gestanden.» Dementsprechend enttäuscht ist man über den Entscheid. Gemeindepräsident Peter Dietrich ergänzt: «Wir nehmen es mit Bedauern zur Kenntnis, denn wir hätten das Frauengefängnis gerne gehabt.»

Demgegenüber ist Ins’ Gemeindepräsident Urs Hunziker «nicht unglücklich» über die Kehrtwende der Regierung. «Wir hätten das Projekt zwar grundsätzlich nicht abgelehnt, hatten aber kritische Fragen und Auflagen.»

Kritisch stand dem Projekt auch die IG Pro Agricultura Seeland gegenüber. «Wir sind natürlich erfreut, dass nun nicht unnötig viel Kulturland verbaut wird», sagt Präsident Peter Thomet. Für die Anstalt wäre eine Fläche von 10 bis 15 Hektaren nötig gewesen. «Der Standort Witzwil wäre durch die Synergien zwar finanziell eine gute Idee gewesen. Doch der massive Anspruch von Fruchtfolgefläche war für uns nicht akzeptabel.»

Ähnlich sieht es auch Grossrat Fritz Ruchti, der mit der SVP bereits im März erfolglos dagegen kämpfte. «Für mich ist wichtig, dass Witzwil von unnötigen Bauten freigehalten wird, weil es noch das einzige grosszügige, unbebaute Gebiet im Kanton ist.» Thomet und Ruchti kritisieren beide, dass die Regierung erst jetzt detaillierte Abklärungen unternommen und damit die Probleme in Witzwil nicht schon früher erkannt hat.

Weiter in Hindelbank
Anstatt den Neubau in Witzwil zu realisieren, will der Regierungsrat nun also doch den heutigen Standort Hindelbank erneuern. Zurück auf null falle man damit aber nicht, sagt Egger-Jenzer. «Hindelbank steht und dort werden wir jetzt ganz sorgfältig und unaufgeregt ein Bauprojekt erarbeiten.» Ob in Hindelbank ein Neubau oder eine Sanierung erfolgen wird, werden laut Egger-Jenzer die weiteren Abklärungen zeigen.

 

 Kampf um Kulturland
• Der Berner Bauernverband Lobag hat im Frühling eine kantonale Initiative zum Schutz von landwirtschaftlichen Nutzflächen lanciert. Sie soll verhindern, dass zu viel Kulturland verbaut wird. Am Ursprung der Idee stand die 2012 gegründete Interessensgemeinschaft Pro Agricultura Seeland.
• Die Grünen und die BDP werden die Initiative unterstützen.
• Laut Peter Thomet, Präsident der IG Pro Agricultura Seeland, soll in zwei Wochen die Unterschriftensammlung starten.
• Im Kanton Zürich wurde die Kulturlandinitiative zum Schutz von Acker- und Weideland im Juni 2012 überraschenderweise angenommen.

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