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Vingelz

Kein Geheimtipp und doch gut versteckt

In den 
80er-Jahren kam das Sportklettern auf. Im Zuge dieses Trends wurde die Kletterwand oberhalb von Vingelz eingerichtet, die auch heute noch rege genutzt wird.

Kletterwand in Vingelz, Bild: Matthias Käser
  • Dossier

Folgt man vom Pavillon oberhalb des Felseck-Wäldchens in Biel dem breiten Weg bis zum Aussichtspunkt und dann den gleichen Weg wieder nach unten Richtung Vingelz, dann wird man linkerhand unweigerlich irgendwann einmal die Kletterwand oberhalb von Vingelz am Wegrand kreuzen. Bei schönem Wetter hört man sommers und winters schon von Weitem das Klicken des Klettermaterials. In den 80er-Jahren kam das Sportklettern im Jura auf, und im Jurakalk des deutschen und französischen Juras entstanden hunderte Kletterrouten, meist eingerichtet von Freiwilligen, seltener auch initiiert vom lokalen Alpenclub. In Biel waren es Flavio Varisco und Robert Rehnelt, die ab Mitte der 2000er-Jahre begannen, den Felsen oberhalb von Vingelz mit Kletterrouten einzurichten.

 

Schädlich für die Natur?

Die Freiwilligenarbeit im Jura war dabei nicht überall gern gesehen. Das Aufkommen des Sportkletterns beglückte zwar die Bewegungsfreudigen, die Gemeinden, Kantone und Anrainer wurden sich aber bisweilen erst mit dem wachsenden Zulauf ihres Grundbesitzes bewusst. Und es stellten sich auch bald einmal Fragen, ob denn der Trend zum Klettern an den Jurawänden nicht die Natur beeinträchtige. Juristisch ist die Nutzung von Wald bis heute immer wieder ein Thema (siehe historische Serie im BT vom 3. Februar) und lässt sich letztlich nicht abschliessend regeln – wie alle Formen des Zusammenlebens.

Zunächst wurde auf das Klettern mancherorts nach Handgreiflichkeiten mit Verboten reagiert und in manchen Regionen sogar ganze Gebiete gesperrt. Da der Trend zum Sportklettern aber bis heute andauert, hat man schnell gemerkt, dass statt Geboten und Verboten ein Dialog sinnvoller ist. Oftmals wussten die Behördenvertreter gar nicht, wo die Klettergebiete genau liegen.

Und auch in Vingelz ist es so: Selbst wenn die Kletterwand längst kein Geheimtipp mehr ist und in allen einschlägigen Kletterführern aufgeführt ist, so ist sie am Wegrand «im Busch», zumindest im Hochsommer, wenn es spriesst und üppig grünt, doch eine nicht auf Anhieb leicht zu findende Oase. Im Jura haben gemeinsame Begehungen vieler Kletterorte zur Klärung der Bedürfnisse nach Schutz und Umweltverträglichkeit beigetragen. Heute ist die Bereitschaft, das Sportklettern naturverträglich zu gestalten, zur Massenkultur geworden und die Kletterszene längst keine «Underground»-Bewegung mehr, so gern sie dieses Image in manchen Kreisen noch pflegt. Inzwischen gibt es einige Studien zur Biodiversität in den Kletterwänden und sogar ein Felsmonitoring, das bis 2024 in exemplarischen Routen im solothurnischen Jura den Einfluss auf die Artenvielfalt als Langzeitbeobachtung erfasst. Und auch der schweizerische Alpenclub unterzieht seine Kletterführer bei Neuauflagen einer Prüfung auf Naturverträglichkeit. Klettereien, die im Widerspruch zu behördlichen Naturschutzregelungen stehen, werden gar nicht erst publiziert.

 

Perfekt für Familien

Die Kletterwand in Vingelz hat seit ihren Anfängen nicht viel Veränderung erlebt. In den letzten Jahren sind alle Sicherungshaken gründlich überprüft worden. Und Flavio Varisco hat einige schwierige Routen an den Ausläufern des Felsbändchens und einige Kinderrouten dazwischen dazu gebaut. Ein perfekter Ort für den Familienausflug also und offenbar nicht nur für die Routenbauer. Oder wie es Varisco rückblickend sagt: «Unsere Kinder waren klein und spielten unterhalb der Wand, während wir oben in der Wand die Sicherungshaken bohrten. Eine perfekte Win-win-Situation.»

Sabine Kronenberg

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