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Grenchen

Kein Zutritt ohne neues Smartphone

Die Migros hat gestern in Grenchen ihren «Voi Cube» in Betrieb genommen. Der schweizweit erste Laden dieser Art funktioniert ganz ohne Personal. Die automatischen Schiebetüren öffnen für alle, die den passenden Code haben.

Ein Container gefüllt mit Migros- Bestsellern: Der «Voi Cube» in Grenchen. Copyright: Matthias Käser
Mengia Spahr

Das Medienaufgebot ist gross. Über ein halbes Dutzend Reporterinnen und Journalisten mit Kameras, Mikrofonen und Notizblöcken stehen im Regen vor einem Container. Er befindet sich vor der Migrosfiliale an der Freiestrasse gegenüber dem Bahnhof Grenchen Süd.
Es ist der schweizweit erste Migros-Laden, der ohne Personal auskommt und in dem man zu jeder Tages- und Nachtzeit einkaufen kann (das BT berichtete). Nur eine Person auf einmal kann ihn betreten. Dafür sorgt das System: Zuerst lädt man die «Voi-Cube»-App aufs Smartphone und registriert sich. Man erhält einen persönlichen QR-Code, scannt diesen, die Türen öffnen sich und man betritt den Laden. Sobald die Türen geschlossen sind, leuchtet eine Information auf: «Die maximale Anzahl Kunden ist erreicht. Bitte warten, bis jemand den Laden verlässt.» Nun öffnet kein weiterer QR-Code die Türen mehr, bis der Laden wieder leer ist.

«Es ist ein Test»
Der Einkaufsversuch der BT-Autorin scheitert. Ohne mobile Daten unterwegs, loggt sie sich im WLAN der Migrosfiliale ein. Das klappt. Doch das Smartphone ist zu alt – die «Voi-Cube»-App lässt sich nicht installieren. Es ist nicht der erste solche Fall am Tag der Eröffnung.
«Genau diese Erfahrungen wollen wir in der Testphase sammeln», sagt Andrea Bauer, Mediensprecherin der Genossenschaft Migros Aare. Es gehe darum, herauszufinden, wie gut das System funktioniert, welchen Anklang es findet und was sich verbessern lässt. Grenchen wurde ihr zufolge wegen der Platzverhältnisse als Testgelände ausgewählt: «Vor der Migros hier gibt es eine perfekte freie Stelle, auf welcher der ‹Voi-Cube› aufgestellt werden konnte.» Ansonsten seien keine strategischen Überlegungen in die Platzwahl eingeflossen.
Gedacht ist der «Mikro-Supermarkt» eigentlich für Kunden, die in Gegenden wohnen, in denen es heute noch wenig bis keine Gelegenheit zum Einkaufen ausserhalb regulärer Öffnungszeiten gibt. Dies ist am jetzigen Standort nicht wirklich der Fall: Gerade nebenan, am Bahnhof, gibt es einen Avec-Laden, der jeweils bis um 22 Uhr abends und auch am Sonntag geöffnet hat.
Die Idee sei nicht in erster Linie, Leute mitten in der Nacht das Einkaufen zu ermöglichen. «Das Sortiment ist nicht auf Einkäufe nach dem Ausgang ausgerichtet», sagt Projektleiterin Sara Hinske, die auch für die strategische Entwicklung zuständig ist. Vielmehr gehe es darum, Kundenwünschen nach mehr Flexibilität nachzukommen. «Viele möchten ihren Alltag nicht den Ladenöffnungszeiten anpassen und sind an die Freiheiten von Online-Käufen gewöhnt», führt sie aus. Ausserdem solle der «Voi-Cube» Spontaneinkäufe ermöglichen.
Spontan und unkompliziert gestaltet sich der Einkauf tatsächlich, wenn die Technik auf dem richtigen Stand ist. Mit dem Smartphone des Fotografen geht es problemlos. Innerhalb von zwei Minuten ist die App heruntergeladen, die Identitätskarte gescannt und ein QR-Code bereit. Die Ladentüre erreicht man über eine kurze Treppe oder eine Rampe. Im Innern sind auf 18 Quadratmetern rund 500 verschiedene Artikel in den Regalen. Diese werden jeweils morgens und abends von Mitarbeitenden der Migrosfiliale aufgefüllt. Ein letztes Mal am Samstagabend – «wir werden sehen, wie lange am Sonntag der Vorrat reicht», so Hinske.
Im «Voi-Cube» gibt es die Bestseller der verschiedenen Produktekategorien. Die Palette reicht von Babynahrung über Nüsslersalat bis hin zu Vegiplätzli und Zahnpasta. Vergeblich sucht die BT-Autorin jedoch nach frischer Milch – ein Produkt, das am Sonntag manchmal am Frühstückstisch fehlt. Hier gibt es nur UHT.
«Wir animieren die Kundinnen und Kunden dazu, Feedback zu geben, sodass wir die Auswahl anpassen können», sagt Bauer. Hinske erklärt, dass die Erfahrungen mit dem Grenchner «Voi-Cube» in drei bis sechs Monaten ausgewertet werden sollen. Dann werde entschieden, ob das System weitergeführt wird und wie es in Zukunft aussehen wird. Zahlen zu den Umsatzzielen nennt die Projektleiterin nicht.

Piept hier die Zukunft?
Der Einkauf wird an der Self-Checkout-Kasse bezahlt. Diese ist bereits bestens bekannt aus Migrosfilialen. Hier scannen die Kundinnen und Kunden selber und lauschen, ob das charakteristische «Piep» ertönt.
Dass der «Voi-Cube» ganz ohne Personal funktioniert, hat unter BT-Leserinnen und Lesern für Diskussionen gesorgt. Auf Facebook drücken in der Kommentarspalte einige ihren Unmut über das Fehlen von Kassierern und Kassiererinnen aus. 
Bauer dementiert die Vorwürfe, dass die Migros einen Personalabbau einläute: «Es geht überhaupt nicht darum, Personal einzusparen. Der ‹Voi-Cube› soll vielmehr bestehende Supermärkte ergänzen.» Durch die beschränkte Produktauswahl stehe er nicht in Konkurrenz zu den Migrosfilialen, sondern erweitere das Angebot.
Sorgen wegen Vandalismus und Diebstählen macht sie sich keine grossen – der Container ist videoüberwacht.

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