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Seeländer

Lärmschutz: Krebst das BAG zurück?

Die BT-Kolumne «Die Verteufelung des Schalls» am 12. September hat ein grosses Echo ausgelöst. Viele haben erst jetzt gemerkt, wie einschneidend die Vorschläge des Bundesamts für Gesundheit (BAG) für Konzertveranstalter und Vereine sind.

Theo Martin, Redaktor

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Wenn schon ab 93 statt erst ab 96 dB(A) Massnahmen erforderlich sind, ist das wegen der logarithmischen Skala eine massive Verschärfung. Es geht längst nicht mehr um «laute» Veranstaltungen, sondern um den Alltag von uns allen. Jedes Quartierfest, jede Sportveranstaltung und jede private Feier mit Unterhaltungsmusik kann betroffen sein, falls die in die Vernehmlassung geschickten Vorschläge nächstes Jahr tatsächlich umgesetzt werden.

Andauernde Belastungen und insbesondere Knall-Traumata, etwa durch eine Spielzeug-Pistole direkt am Ohr, können ein Gehör nachhaltig schädigen. Schutzmassnahmen sind deshalb wichtig und richtig. Die Schweiz hat aber offenbar bereits heute die strengsten Grenzwerte. Zudem konnte bisher kein Effekt von exzessivem Musikkonsum auf die Hörfähigkeit von Testpersonen nachgewiesen werden (BT vom 26. 9.). Zweifellos gibt es grosse Unterschiede zwischen ungebetenem Lärm und willkommener Musik, die noch wenig erforscht sind.

Es ist deshalb sinnvoll und notwendig, wenn das Thema Schallschutz öffentlich diskutiert wird – auch wenn einige Reaktionen in den letzten Tagen die notwendige Fairness vermissen liessen. Noch bevor die Vernehmlassung ausgewertet ist, schaltet sich auch das BAG in die öffentliche Diskussion ein – und hat dabei neue Fragen aufgeworfen, wie ein Leserbriefschreiber bemängelt. Es gehört aber zur DNA der Schweizer Politkultur, dass sich Fachleute und Betroffene am Meinungsbildungsprozess beteiligen, bevor entschieden wird. Wenn das BAG bereits in dieser frühen Phase eingreift, ist das schlechter Stil.

Offenbar ist «Bern» unter Druck. Denn die Urheber der «Open Petition gegen die neue Lärmschutzverordnung bei Veranstaltungen» teilten vorgestern mit, dass das BAG die geplante Aufzeichnungspflicht bei Veranstaltungen streiche. Was das konkret bedeutet, ist im Moment noch völlig offen, denn das BAG wollte das bisher nicht bestätigen.

Es hat aber in der Replik auf den letzten «Seeländer» im BT vom 24. September eine «gut anwendbare Vorlage» versprochen. Der Tatbeweis steht noch aus. Experten und Branchenvertreter haben bereits vor Monaten reagiert. Wann also merken auch die Politiker, dass die BAG-Bürokratie nicht zielführend ist und sich viele Veranstalter drangsaliert fühlen?

 

 

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