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La Neuveville

Luft holen am Bielersee

Die Lungenliga bietet für schwer atembehinderte Menschen sogenannte Luftholtage an. Sie ermöglichen es, Ferien zusammen mit den Angehörigen zu verbringen. Auch Sport ist Teil des Konzepts.

Frische Luft und Bewegung sind wichtiger Bestandteil der "Luftholtage". Copyright/Peter Samuel Jaggi

von Pascal Käser


Lungenkrankheiten wie Asthma, Tuberkulose oder Lungenkrebs machen Betroffenen das Atmen schwer. Damit auch atembehinderte Menschen mit ihren Angehörigen in die Ferien fahren und sich eine Auszeit nehmen können, organisiert die Lungenliga sogenannte Luftholtage.
Doch wie verbringen schwer atembehinderte Menschen eigentlich ihre Ferien? Ein Blick hinter die Kulissen zeigt, dass auch für sie  Ferienangebote bestehen. Die Lungenliga Schweiz organisiert alljährlich sogenannte Luftholtage. Dabei sollen schwer atembehinderte Menschen zusammen mit Angehörigen eine Auszeit ermöglich werden. «Ich bin das dritte Mal mit dabei», sagt Astrid Müller*, eine Betroffene. Sie fände es sehr gut, dass Luftholtage durchgeführt würden. Sie schätzt das Team: «Die Personen kümmern sich sehr gut. Ich bin froh, wenn jemand da ist, falls Probleme auftreten.» Die Anwesenheit von Fachpersonen gäbe ihr mehr Sicherheit.
Jedoch sieht sie darin zum Teil auch eine Einschränkung ihrer Freiheit: «Ich fühle mich ein bisschen kontrolliert, da ich gewohnt bin, selbstständig zu leben»,  sagt Müller. Früher sei sie mit der Mutter in die Ferien gegangen. Heute gehe sie eher allein. Sie beobachte eine gesundheitliche Besserung: «Man fühlt sich danach ein bisschen besser. Ich würde die Luftholtage weiterempfehlen.»

Kein Ferienlager
«Das Projekt Luftholtage gibt es seit mehr als 15 Jahren», sagt Jean-Marie Egger, stellvertretender Bereichsleiter  bei der Lungenliga Schweiz. Für La Neuveville hätte sich die Lungenliga entschieden, da sie nebst Sarnen auch mal ein Angebot in der Westschweiz anbieten wollte. «Wir sind hier mit acht Personen gestartet. Danach wird evaluiert», sagt Egger. Es könnten bis zu 30 Personen daran teilnehmen. Untergebracht sind die Betroffenen im Hotel Jean-Jacques Rousseau, das sich bei warmen Klima direkt am Bielersee befindet.
Die Idee trägt scheinbar Früchte: Die Nachfrage sei grösser als das Angebot. Eine Stunde nach der Ausschreibung seien die Reisen in der Regel ausgebucht. Weitere Reiseziele sind eine Flusskreuzfahrt und drei Reisen nach Spotorno an der ligurischen Küste. Die Luftholtage seien schliesslich kein Ferienlager.

Hohe Mehrkosten
Doch wie sehen die Kosten aus? «Patienten die daran teilnehmen zahlen ihre Kosten für Reise, Übernachtung, Verpflegung und Ausflüge. Die behinderungsbedingten Mehrkosten, wie zum Beispiel die Vorarbeiten, werden über Spenden finanziert», sagt Egger. Das seien rund 45 Prozent des Budgets. «Die Lungenliga leistet die Vorarbeiten wie beispielsweise die Logistik und die Auswahl der Lokalitäten.» Weiter würden ein Vertrauensarzt sowie ein Fachteam die Reisen begleiten. «Wir arbeiten zusammen mit lokalen Ärzten und der Spitex. Im Ausland reist eine Sauerstofffachperson und ein Arzt mit», sagt Egger. Die Luftholtage scheinen ein Bedürfnis zu sein. «Viele schwer atembehinderte Menschen können meist keine Ferien selbstständig mehr machen», sagt Egger. Zudem würde man als einzige Organisation der Schweiz solche Gruppenreisen für Menschen mit Atembehinderungen anbieten. Ausgenommen der Tagesausflüge, die auch von den kantonalen Ligen organisiert würden.

Negativspirale durchbrechen
Die Herausforderung bei den Reisen besteht darin, dafür zu sorgen, dass die Kranken genügend Atemluft bekommen: «Das Risiko der Atemnot besteht. Wenn man sich bewegt, kriegt man erst noch weniger Luft. Dies führt zu noch weniger Bewegung. Eine solche Negativspirale möchten wir durchbrechen», sagt Peter Bläsi, Sauerstofffachperson in La Neuveville. Daher würden Atemübungen, Bewegen sowie Singen zu ihren Aktivitäten gehören. «Zum Teil wird sogar ein Bike organisiert, für eine Person die besonders fit ist», sagt Bläsi. Letztlich zähle jeder Schritt bei den schwer atembehinderten Menschen. Es sei toll, wenn sie selbstständig spazieren gehen können.Den Nachmittag verbringen die Patienten mit Spiele, wie zum Beispiel Jassen.
«Die Ferien sind aus medizinischer Sicht ein relativ grosser Aufwand», sagt Andreas Knoblauch, betreuender Arzt vor Ort. «Viele haben komplexe Krankheitsbilder», sagt Knoblauch. Die Patienten seien durch ihre Ärzte  gut  vorbereitet.
Der stellvertretende Bereichsleiter, Jean-Marie Egger, weist zusätzlich auf die Sauerstoffflaschen hin, die im Reisegepäck mit dabei sind: «Patienten haben in der Regel ein Atemhilfsgerät bei sich, welches vom Arzt verordnet wurde.»

* Name von der Redaktion geändert

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Info:

Lungenliga Schweiz
Die Lungenliga Schweiz gehört zu den Non-Profit-Organisationen (NPO). Ihr Ziel ist die Bekämpfung von Lungenkrankheiten, Atembehinderungen, Allergien und Tuberkulose. Der Verein wurde im Jahre 1903 gegründet und hält seinen Sitz in Bern. Er beschäftigt 510 Angestellte. Die Lungenliga ist strukturiert in mehrere kantonale Lungenligen sowie eine Geschäftsstelle. Ursprünglich wurde sie zur Bekämpfung von Tuberkulose durch die Vereinigung der Ärzte der Lungenheilanstalten gegründet. 1998 schlossen sich die kantonalen Ligen zusammen.

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