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Grossaffoltern

«Mit verdichtetem Bauen hat das nichts zu tun»

Auf dem Stygacher-Areal in Grossaffoltern soll eine Überbauung mit acht Mehrfamilienhäusern realisiert werden. Dagegen regt sich nun Widerstand aus der Nachbarschaft – für das Dorf Grossaffoltern sei das Projekt viel zu gross, heisst es.

Kurt Loder, Bild: Susanne Goldschmied

Jana Tálos

Acht Mehrfamilienhäuser, eine grosse Spielwiese und eine Einstellhalle als Parkinganlage: In etwa so lautet das Projekt, das auf dem Stygacher-Areal am Rande von Grossaffoltern realisiert werden soll.

Das Problem: Damit das geschehen kann, muss die Überbauungsordnung geändert respektive das Baureglement angepasst werden. Und genau dagegen regt sich jetzt Widerstand im Dorf. «Überbauung Stygacher – Subergstrasse Grossaffoltern, Nein», lautete die Überschrift in einem Inserat im «Anzeiger Aarberg» vom 23. März. Durch die Überbauung werde weiteres Kulturland zerstört, die Zersiedelung gefördert, das Ortsbild und der Landschaftsschutz vernachlässigt, heisst es weiter.

 

Nicht aktiv kommuniziert

Unterzeichnet ist die Anzeige von der IG Stygacher Nein. Initiiert wurde sie von Kurt Loder, Burger von Grossaffoltern und Eigentümer eines Zweifamilienhauses an der Subergstrasse 22, das direkt an die Parzelle Stygacher grenzt. «Ich bin es, dessen Liegenschaft quasi zubetoniert wird, wenn das Projekt tatsächlich zustande kommt», sagt er. Dabei störe es ihn nicht nur, dass Mehrfamilienhäuser gebaut werden sollen und nicht, wie in der ursprünglichen Überbauungsordnung vorgesehen, Einfamilien- und Reihenhäuser. «Mich stört vor allem, dass ein solch grosses Projekt von der Gemeinde nicht aktiver kommuniziert wird.»

Auch er, der zwar Eigentümer ist, aber selbst in Lyss wohnt, habe nur per Zufall die Mitteilung im «Anzeiger Aarberg» gesehen, die bezüglich der Änderung der Überbauungsordnung geschaltet worden ist. «Die meisten Leute, die ich in Grossaffoltern darauf angesprochen habe, haben das gar nicht mitbekommen», sagt er. Dabei sei ein Projekt dieser Dimension schon ein ziemlicher Schritt für die Gemeinde. «Je nach Grösse und Anzahl Wohnungen könnte die Bevölkerungszahl auf einen Schlag um fünf Prozent zunehmen», sagt Loder. Er bezweifle, dass die aktuelle Infrastruktur der Gemeinde einem solchen Zuwachs standhalten könne.

 

Nach aussen statt nach innen

Die fehlende Kommunikation ist jedoch nicht das einzige, was Loder am Projekt Stygacher bemängelt. Er stellt grundsätzlich infrage, welches Ziel die Gemeinde mit dem Bau von Mehrfamilienhäusern an dieser Lage verfolgt. Vor zehn Jahren habe es eine Umfrage gegeben, in der die Gemeinde aktiv auf die Grundbesitzer zuging und fragte, wie diese sich die Entwicklung des Dorfes für die Zukunft vorstellen. «Daraus ging hervor, dass man langsam wachsen und den ländlichen Charakter beibehalten will.»

Was mit dem Projekt Stygacher angestrebt wird, habe mit «ländlich» und «langsam wachsen» jedoch gar nichts mehr zu tun. «Es hat fast schon städtischen Charakter», sagt Loder. Für eine Gemeinde wie Grossaffoltern, die ohne die dazugehörigen Dörfer Suberg, Ammerzwil, Kosthofen, Vorimholz, Ottiswil und Weingarten bloss über knapp 1000 Einwohner verfüge, sei das ein überdimensioniertes Projekt.

Dass sich die Ortsgestaltungsziele mit der Revision des nationalen Raumplanungsgesetzes von 2014 grundsätzlich geändert haben und einer Zersiedelung à la Einfamilienhäuschen entgegengewirkt werden müsse, lässt Loder nicht als Argument gelten, auch wenn die Gemeinde dies im Erläuterungsbericht zur Änderung der Überbauungsordnung explizit anführt. «Mit ‹verdichtetem Bauen› wie es im Bericht heisst, hat das doch überhaupt nichts zu tun», sagt er. Das Areal befinde sich am Rand des Dorfes. Eine Verdichtung nach innen müsse viel eher innerhalb der bestehenden Siedlungsgrenzen stattfinden. Mit dem Projekt werde das Gegenteil erreicht, die Zersiedelung gar gefördert. «Und ich bin sicher, dass es im Dorfinnern noch genug Flächen gibt, die sich besser für eine Bebauung eignen als das Stygacher-Areal.»

 

Am 4. Juni wird abgestimmt

Um das Projekt zu stoppen und die Gemeinde dazu zu bringen, über ihre Siedlungsstrategie nachzudenken, hat Loder nun Einsprache gegen die Änderung der Überbauungsordnung erhoben.

Damit ist er nicht der Einzige. Fünf Einsprachen, in erster Linie von Privatpersonen, sind bei der Gemeindeverwaltung Grossaffoltern bis am 26. März eingegangen, wie diese auf Anfrage mitteilt.

Auf die Fragen und Vorwürfe von Kurt Loder angesprochen, sagt Luca Pfeiffer, stellvertretender Gemeindeschreiber von Grossaffoltern, dass man dazu noch keine Stellung nehmen könne. Um Auskunft zu geben, müssten erst die Einsprachen und deren Inhalt und Form umfassend geprüft werden. Da die Frist erst am Montag abgelaufen sei und immer noch Einsprachen eintreffen könnten, sei dies bisher noch nicht erfolgt.

Sollten die Einsprachen in angemessener Zeit bereinigt oder abgelehnt werden, kommt es am 4. Juni voraussichtlich zum Showdown. Dann nämlich stimmt die Bevölkerung an der Gemeindeversammlung über eine Anpassung des Baureglements ab, in dem die Vorschriften für das Areal Stygacher als Zone mit Planungspflicht festgehalten sind.

Kurt Loder kann als Einwohner von Lyss an der Versammlung zwar nicht selbst teilnehmen. «Ich werde im Voraus aber weiter mit Inseraten und Plakaten gegen die Änderung mobilisieren», sagt er. Dies, auch wenn seine Einsprache von der Gemeinde abgelehnt würde.

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