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Erlach/Bern

Mörder von Doris W. bleibt hinter Gittern

Seit über 30 Jahren ist der Kindsmörder von Erlach im Gefängnis – und er bleibt weiterhin verwahrt. Das Obergericht hat gestern die Beschwerde gegen das Urteil des Regionalgerichts abgelehnt.

Mit Boccia-Kugeln hat der damals 21-Jährige Doris W. in ein Maisfeld in Erlach gelockt, sie dort missbraucht und umgebracht.  Matthias Käser
Hannah Frei
 
Der Mann, der 1989 eine Zehnjährige in ein Maisfeld in Erlach gelockt, missbraucht und umgebracht hat, wird verwahrt. Gestern wies das Berner Obergericht die Beschwerde des heute 53-Jährigen gegen das erstinstanzliche Urteil zurück. Im Februar 2020 ordnete das Regionalgericht Berner Jura-Seeland die ordentliche Verwahrung an. Dies bestätigte nun das Obergericht. «Eine Verwahrung ist ein massiver Eingriff in Ihr Leben, aber die Gefahr für die Öffentlichkeit überwiegt», begründete Gerichtspräsident Jürg Bähler das Urteil gegenüber dem Mörder. Insgesamt sieben psychiatrische Gutachten wurden in den letzten 30 Jahren über ihn erstellt. Alle zeichneten ein ähnliches Bild: Er sei schwer milieugeschädigt, habe eine dissoziale Persönlichkeitsstörung und sei pädophil. Die Gefahr, dass er rückfällig werden und weitere Gewalt- und Sexualdelikte begehen könnte, sei hoch.
 
Über 20 Jahre wurde der Mann therapiert, verbessert habe sich sein Zustand kaum, so die Gutachten. Bereits 2014 kam ein Gutachter zum Schluss, dass er gemeingefährlich und nicht therapierbar sei. Die angeordnete stationäre Massnahme, die er nach den 16 Jahren Haft wegen des Mordes an Doris W. antreten musste, wurde frühzeitig aufgehoben, wegen Aussichtslosigkeit. «Es ist eine sehr schwierige Situation», sagte Bähler gestern vor Gericht.
 
Verurteilter regte sich kaum
Es war ruhig im Gerichtssaal, als Jürg Bähler dem 53-Jährigen zu erklären versuchte, weshalb er ihn auch nach all den Jahren nicht aus dem Gefängnis lassen kann. Seine Worte waren bedacht, seine Stimme ruhig, seine Blicke verständnisvoll. Fast so, als würde er einem Kind eine traurige Nachricht überbringen. Der Verurteilte rührte sich dabei kaum. Er sass ruhig da, in Fussfesseln, einer Bomberjacke in Bordeaux, mit kurzem, braunen Haar, und hörte Bähler zu.
 
Nebst den Gutachten und den Aussageprotokollen aus den bisherigen Gerichtsprozessen sei das Verhalten des Verurteilten am Donnerstag ausschlaggebend für das Urteil gewesen, so Bähler. Und dies verhiess nichts Gutes: Der 53-Jährige machte deutlich, dass er sich als junger Mann zwar von Mädchen angezogen fühlte, heute jedoch bestimmt nicht mehr pädophil sei. Die Gutachter hätten ihm dies eingeredet. Und er fügte an, dass er besser gar nie mit der Therapie begonnen hätte, dass ihm diese mehr geschadet als genützt habe. Doch Pädophilie sei nicht heilbar, erklärte Bähler in der Urteilsverkündung. «Es kann also nicht sein, dass Sie heute geheilt sind.»
 
Erfolge, aber nicht genug
Zudem kritisierte der Mörder vorgestern, seine Erfolge bei den Therapien seien nicht genügend gewürdigt worden, er habe keine zweite Chance erhalten. Verbesserungen gab es laut den Gutachten in den ersten paar Jahren tatsächlich, jedoch nur in Teilbereichen. Bis 2002 habe er gut mitgemacht, ab 2008 sei jedoch eine Therapiemüdigkeit festgestellt worden. Bis dahin hatte er seine Krankheiten noch anerkannt, ab 2014 jedoch nicht mehr. Zwei Jahre zuvor berichtete sein damaliger Therapeut, er habe zwar ein hohes Wissen auf theoretischer Ebene, könne dieses jedoch im Alltag nicht anwenden.
 
Die Erfolge seien folglich längst nicht gross genug gewesen, sagte Bähler. «Wenn jemand 300 Kilogramm wiegt und 10 Kilogramm abnimmt, ist dies zwar ein Erfolg, aber die Gefahr für seine Gesundheit immer noch zu gross», so Bähler. Beim Verurteilten sei es mit den Erfolgen dasselbe – eigentlich sogar noch schlimmer. Schliesslich habe er nach 2014 wieder an Gewicht zugenommen, als die Krankheits- und Behandlungseinsicht schwand. «Sie haben sehr wohl eine zweite Chance erhalten», sagt Bähler. Bereits vor über 30 Jahren empfahl ein Gutachter die Verwahrung. Das Gericht wollte einen solch jungen Menschen damals aber noch nicht aufgeben.
 
Nun aber sieht das Gericht keine andere Möglichkeit mehr. Die Verwahrung bedeute aber nicht das Ende für ihn, so Bähler. «Wir wollen Sie nicht aufgeben, sondern schauen, dass Sie sich irgendwann wieder in die richtige Richtung drehen.» Die Verwahrung wird bald jährlich geprüft, Therapiemöglichkeiten bestehen weiterhin – nur muss der Mörder von Doris W. auch mitmachen.

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