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Asylwesen

Nach dem Nein zu Prêles: «Wir haben einen Plan B»

Der Grosse Rat hat das geplante Rückkehrzentrum im Berner Jura abgelehnt. Polizeidirektor Philippe Müller (FDP) hält dennoch daran fest, dass irgendwo im Kanton ein solches Zentrum aufgebaut werden muss.

FDP-Regierungsrat Philippe Müller war nach dem Nein zu Prêles gefragt. Bild: Beat Mathys
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Interview: Philippe Müller

Philippe Müller, das Nein zu Prêles im Grossen Rat war Ihre erste bedeutende Niederlage als Regierungsrat. Wie geht es Ihnen damit?
Philippe Müller: Das ist Demokratie. Klar hätte es die Regierung lieber gehabt, wenn das Rückkehrzentrum im Parlament eine Mehrheit erreicht hätte. Aber es ist verkraftbar.

Ist das Projekt in Prêles damit definitiv gestorben?
Der Grosse Rat hat entschieden. Es gab zwar Diskussionen darüber, ob es sich beim entscheidenden Vorstoss um eine Richtlinienmotion handelt, bei der die Regierung das letzte Wort hätte. Für mich ist aber klar: Wenn das Parlament sagt, es gibt in Prêles kein Rückkehrzentrum, dann gibt es dort auch keins.

Waren Sie überrascht vom 
Abstimmungsergebnis?
Wir hatten es vorab ausgerechnet und wussten, dass es eng werden würde. Eine knappe Mehrheit für Prêles wäre aber denkbar gewesen. Allerdings gibt es immer Unentschlossene und Abwesende. Leider haben auf bürgerlicher Seite heute mehr Leute gefehlt, und die Linke hat disziplinierter gestimmt. So hat ein Ergebnis halt manchmal etwas Zufälliges. Aber dennoch ist es zu respektieren.

Sie wurden dafür kritisiert, dass der Kanton nicht einmal wisse, wie viele abgewiesene Asylsuchende in Prêles hätten untergebracht werden sollen. Hat die Polizei- und Militärdirektion ihre Hausaufgaben nicht gemacht?
Natürlich haben wir die Hausaufgaben gemacht. Wir wissen sehr wohl, wie viele Personen einen rechtskräftigen Wegweisungsentscheid haben und eigentlich in das Rückkehrzentrum verlegt werden sollen. Allerdings zeigen die Erfahrungen aus anderen Kantonen, dass immer wieder Betroffene abtauchen und deshalb nie alle dort ankommen. Und in unseren Asylzentren wird niemand eingesperrt, deshalb kann man dazu schlicht keine gesicherten Angaben machen. Das können auch die Kantone nicht, die bereits solche Zentren betreiben.

Halten Sie nach dem Nein zu Prêles an einem Rückkehrzentrum im Kanton Bern fest?
Ja. Die Asylsuchenden sind ja immer noch da.

Warum belässt der Kanton 
abgewiesene Asylsuchende nicht einfach in den herkömmlichen Asylzentren, wie es heute der Fall ist?
Seit Anfang März ist die neue Asylpolitik von Bundesrätin Simonetta Sommaruga in Kraft. Es wird unterschieden zwischen Asylsuchenden, die voraussichtlich in der Schweiz bleiben dürfen und ein Recht auf bessere und schnellere Integration haben und zwischen Personen, die gehen müssen und schneller als bisher in ihr Heimatland rückgeführt werden sollen.

Der Bund schreibt den 
Kantonen keine Rückkehr-
zentren vor, er empfiehlt 
es lediglich. Warum braucht 
es im Kanton Bern denn 
unbedingt ein solches Zentrum?
Es entspricht unserer Überzeugung, dass die Separierung, wie sie die Asylpolitik des Bundes vorsieht, der richtige Weg ist. Denn es macht keinen Sinn, dass die Abgewiesenen im selben Zentrum sind wie jene Asylsuchende, die Sprachkurse besuchen dürfen. Da können Missgunst und falsche Hoffnungen entstehen.

Haben Sie bereits alternative Standorte in der Hinterhand?
Auf Stufe der Polizei- und Militärdirektion besteht ein Plan B. Wir haben uns mit anderen Möglichkeiten befasst und werden das nun intensivieren und anschliessend dem Gesamtregierungsrat präsentieren.

Wo befinden sich diese anderen Standorte?
Das kann ich noch nicht sagen.

In den heutigen Asylunterkünften gibt es viele freie Plätze. Warum räumen Sie nicht ein Durchgangszentrum leer, bringen dort die Abgewiesenen unter und verteilen die anderen Asylsuchenden auf die restlichen bestehenden Zentren?
Auch das ist eine Möglichkeit, die wir anschauen.

Der Widerstand aus Politik und Bevölkerung wird an einem anderen Standort vermutlich nicht kleiner sein.
Das kann schon sein. Aber mit solchen Motionen wie heute lösen wir das Problem nicht.

Prêles wird für den Kanton 
langsam zum finanziellen 
Fiasko. Zuerst hat man es teuer saniert, jetzt fallen Leerstandskosten an. Warum kommt dort nie ein Projekt zum Fliegen?
Die bisherigen Projekte wurden am Ende nicht für tauglich befunden.

Gibt es einen Plan B für die 
kantonale Infrastruktur in 
Prêles?
Was mit den Gebäuden passiert, ist völlig offen. Klar ist nur, dass meine Direktion dafür nun keine Verwendung mehr hat.

Müsste sich der Kanton nicht langsam überlegen, das Areal 
in Prêles zu verkaufen?
Das ist eine Möglichkeit. Das wird der Regierungsrat gemeinsam mit allen anderen Optionen vertieft prüfen.

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Dritte Pleite in Prêles
Die Allianz von SP, Grünen, GLP und EVP bodigte im Grossen Rat die Pläne für ein Rückkehrzentrum für abgewiesene Asylsuchende im bernjurassischen Prêles. Damit ist klar, dass das kantonseigene Areal weiter und auf unbestimmte Zeit leerstehen wird (siehe Interview).
Währenddem für die Bürgerlichen von SVP und FDP klar war, dass es für die konsequente Ausschaffung von Abgewiesenen ein separates Rückkehrzentrum braucht, war die Ratslinke mit ihrer Allianz dezidiert anderer Meinung. Sie führte vor allem humanitäre Gründe ins Feld und befürchtete, dass die betroffenen Personen zum Teil jahrelang in Prêles verharren müssten, weil sie trotz negativem Entscheid nicht in ihr Heimatland rückgeführt werden können. Regierungsrat Philippe Müller (FDP) konnte mit seinem Argument, ein Nein zu Prêles löse keine Probleme, sondern schaffe bloss neue, zu wenig punkten. Er stellte sich auf den Standpunkt, dass der Kanton vom Bund den Auftrag habe, ein solches Rückkehrzentrum zu betreiben.
Nach der Schliessung des Jugendheims Prêles im Herbst 2016 ist das Areal ungenutzt. Die Schliessung war umstritten, weil der Kanton Bern kurz zuvor noch 38 Millionen Franken in die Sanierung des Heims investiert hatte. Wegen Unterbelegung zog er dem Heim schliesslich den Stecker. Danach gab es mehrere Pläne, wie das Areal hätte genutzt werden sollen: Ein Ausschaffungsgefängnis mit Plätzen fürs interkantonale Strafvollzugskonkordat ist ebenso gescheitert wie die Einrichtung eines Asylzentrums. phm

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Neue Asylverfahren
Seit dem 1. März gelten in der Schweiz die neuen, beschleunigten Asylverfahren. Innert 140 Tagen sollen die meisten Verfahren in einem Bundesasylzentrum abgeschlossen werden. Nur noch Personen, die entweder einen positiven Bescheid erhalten haben oder bei welchen weitere Abklärungen notwendig sind, werden den Kantonen zugewiesen. Leute mit einem negativen Entscheid kommen in Wegweisungszentren, die ebenfalls vom Bund betrieben werden. Im Kanton Bern befindet sich ein solches Zentrum in Kappelen. Im ehemaligen Zieglerspital ist zudem ein Bundesasylzentrum in Betrieb, wo die Verfahren abgewickelt werden. Dieses muss aber 2023 ersetzt werden.
Die Suche nach einem passenden Standort sei noch immer im Gang, heisst es beim Staatssekretariat für Migration (SEM). Der Bund sah ursprünglich den Waffenplatz Lyss vor. Aufgrund des dortigen Widerstandes wurde aber eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, die nach einer anderen Lösung sucht.
Das Rückkehrzentrum, das der Kanton in Prêles vorgesehen hatte, hat mit der Neuausrichtung des Asylbereichs auf Bundesebene nicht direkt etwas zu tun. Wie das SEM schreibt, macht der Bund den Kantonen keine Vorgaben, wie sie die Asylsuchenden unterbringen sollen, die ihnen zugewiesen werden. Daran ändern die neuen Asylverfahren nichts. Es liegt somit in ihrer Kompetenz, zu entscheiden, ob sie separate Rückkehrzentren wollen. Oder ob sie die Asylsuchenden mit einem negativen Entscheid in den normalen Unterkünften unterbringen. mab

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