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Ausgewandert

Rastapetrus

Es gibt zwei überzeugte Gruppen, in die sich die Londoner unterteilen, die Northerners und die Southerners.

Dana Burkhard, Sängerin 
in London
  • Dossier

Das Mekka des besagten Süd-Imperiums bildet Brixton, am südlichsten Punkt der Victoria-Line. Wie die meisten Londoner Stadtteile wurde das Viertel stark von seinen Einwanderern geprägt, die im Fall von Brixton grösstenteils jamaikanischer Herkunft waren. Entsprechend bunt, exotisch und offen sind der Ort und seine Bewohner.

Interessanterweise scheint Brixton jedoch ein vor Touristen gut gehüteter Geheimtipp zu sein. Kaum ein Reiseführer macht auf das Wundertütenviertel aufmerksam, ganz zur Zufriedenheit all jener, die die dortige Andersheit und Authentizität zu schätzen wissen.

Bereits bei der Ankunft erwartet einen auf dem Bahnhofplatz in den meisten Fällen ein Trubel tanzender Pendler und Passanten, animiert durch einen inbrünstig musizierenden Strassenkünstler. Auf der weiteren Entdeckungsreise findet man verschiedene Märkte mit Kuriositäten und Delikatessen aus aller Welt, Pop-Ups mit Vintagekleidern zum Kilopreis, Kunst und Kultur von allen Seiten und mit Sicherheit eine Vielzahl an Dingen, die es für mich selbst noch zu finden gilt.

Nebst aussergewöhnlichen Produkten und Lokalen begegnen einem natürlich auch erstaunliche Menschen. Bei meiner erstmaligen Suche nach dem Village Market zum Beispiel, da fragte ich einen freundlichen alten Rastamann, welcher die dortigen öffentlichen Toiletten betreute, nach dem Weg. Es war der Beginn eines angeregten Gesprächs, nach dem er schliesslich auf ein rund vier Meter hohes Graffiti an der gegenüberliegenden Wand zeigte, das ein Männerporträt in heldenhafter Pose abbildete. Dort gleich unten dran sei der Eingang des Marktes. Ach, und das auf dem Graffiti sei übrigens er. Und anstatt den Markt zu besuchen, verweilte ich dann eine weitere Stunde bei diesem kommunikativen Urgestein, das, wie sich herausstellte, zu Ehren seiner Treue (23 Jahre Betreuung der dortigen öffentlichen Toiletten) nebst besagtem Kunstwerk einen Schlüssel zu Brixton erhalten hatte. Auf meine ungläubige Reaktion hin bestätigten mir fünf unabhängige Passanten (alle gebürtige Brixtoner und anscheinend Bekannte des karibischen WC-Hüters) diese Geschehnisse.

Und ganz plötzlich verstand ich, weshalb ich mich in Brixton so zu Hause fühlte. Nebst der Multikulturalität realisierte ich nämlich noch einen weiteren gemeinsamen Nenner: Brixton, das Londoner In-Viertel, ist – zumindest für Michael den Rastamann – nämlich genau so ein Dörfli wie Biel. Ist das nicht irgendwie witzig?

 

 

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