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Familiennamen

Schwab schlägt Müller

Die Familien Batschelet, Bönzli, Hemund und Mügeli haben wohl ursprünglich nur im Seeland gelebt. Am verbreitesten sind heute in der Region aber Familiennamen wie Schwab und Müller.

Grafik: ml

Wenn der Burgerschreiber Heinz Schwab aus Siselen ans Telefon geht, überrascht er mit seinem Namen in der Region mit Sicherheit keinen. Schwab ist im Seeland weit verbreitet. In keiner anderen Gemeinde dominiert der Name aber so stark, wie in der 600-Seelen-Gemeinde im Grossen Moos. Geschätzte 30 Familien tragen ihn. Der Burgerschreiber ist nur einer von 135 Schwabs im Ort, die einen Anteil von 23 Prozent der Bevölkerung ausmachen. Zu entnehmen ist das dem Gemeinderegistersystem des Kantons Bern.


Der Grund, weshalb Nachnamen in einem Ort besonders gehäuft vorkommen, ist naheliegend: Wer früher vor Ort sein Auskommen fand, blieb. Vielleicht sind die Menschen in solchen Orten aber  auch einfach besonders mit der Region verwurzelt  (siehe Grafik). Heinz Schwab sagt, um Verwechslungen zu vermeiden, orientiere man sich heute noch am ledigen Nachnamen der Frau: «Zum Glück gibt es nur noch wenige mit dem Doppelnamen Schwab-Schwab.» Auf den alten Einwohnerkontrollkarten in Siselen war jeder Schwab noch mit einem entsprechenden Übernamen vermerkt: Inoffizielle Bezeichnungen wie Dragoners, Schreiners, Statthalters, Bürebecks, Weibels halfen, sie zu unterscheiden.


Ähnlich dominant ist der Name Möri in Epsach. Rund 22 Prozent oder total 70 Epsacher heissen so. Möri kommt auch in Hermrigen und Kappelen gehäuft vor. Entwickelt hat sich der Name als Kurzform des Vornamens vom Typ Maurhard, Maurheri oder Maurwald. Das Namenelement Maur-, das auch im Wort «Mohr» steckt, geht auf die alte Bezeichnung für nordafrikanische Berberstämme zurück. Es gibt Möri, deren Familienwappen einen Mauren zeigt.


Schneider, Hofmann, Gerber
Ein Blick auf die Karte zeigt: Namen wie Müller, Schneider, Hofmann, Gerber, Kunz oder Wyss sind wie in der ganzen Deutschschweiz weit verbreitet. Besonders und typisch für die Region sind hingegen Batschelet, Bönzli, Hemund und Mügeli, die in Hermrigen, Tschugg, Kappelen oder Lüscherz unter den drei häufigsten Namen zu finden sind. «Diese Namen haben um 1800 lediglich im Berner Seeland Bürgerrecht besessen», sagt die Namensforscherin Simone Berchtold vom Deutschen Seminar der Universität Zürich. Der Ursprung für die Entwicklung eines spezifischen Namens könne Zufall sein, ein Dialektwort etwa, das es anderswo nicht gebe.


Laut Berchtold lassen sich Familiennamen im deutschsprachigen Raum fünf verschiedenen Gruppen zuordnen, die auf die ersten Namensträger hinweisen. Einem Beruf etwa, so wie Weber, der häufigste Familienname in Jens, und Schumacher in Treiten. Weniger offensichtlich: Auch Sutter gehört in diese Gruppe. Er entwickelte sich aus dem Mittelhochdeutschen und bedeutet Näher, Schneider. Ein weiteres Motiv geht auf die Wohnstätte zurück:Etwa Stalder, die sich «vom häufigen Flurnamentyp Stalde für ansteigende Stellen im Gelände ableitet», sagt Berchtold. Auch Linder gehöre dazu und stehe für jemanden, der bei einer Linde, beziehungsweise bei der Dorflinde, wohnte.


Mühlheim, der dominierende Name in Scheuren, geht auf einen Ortsnamen zurück, ein weiteres Namensmotiv. Auf den Vornamen beziehen sich Peter, wie 51 Aarberger heissen, oder Martin, der zweithäufigste Nachname in Ligerz. Auch Marti, der in Lyss häufig ist, bezieht sich auf die Kurzform dieses Vornamens. Ebenso geht Burri (Schüpfen) auf den Rufnamen Burkhard zurück. In die letzte Gruppe gehören Namen, die ihren Ursprung in einem Übernamen haben. Das kann mitunter wenig schmeichelhaft sein: Dick etwa, den es in Grossaffoltern gehäuft gibt, bezieht sich ursprünglich auf einen beleibten Menschen. Ebenso Mügeli, der aber auch etwas mit einem Dickkopf zu tun haben könnte. Auch Spahr (Lengnau) ist ein solcher Name und nimmt Bezug auf einen Spatz oder Sperling. Der Name Schreyer, der sich in Gals findet, stammt vom Schreier, Ausrufer, was auf eine Person hinweist, die durch Prahlen auffiel. In Bühl heissen fast zehn Prozent aller Einwohner Krebs. Der Ursprung ist hier entweder ein Berufsname, also ein Krebsfänger. «Als  Übername ist wohl jemand gemeint, der langsam und erfolglos arbeitet», so Berchtold.


Auffallend sind im Seeland keine ganz besonderen Auffälligkeiten gibt, ist die Nähe zur Romandie erkennbar. Etwa beim bereits erwähnten Namen Batschelet, bei dem es sich um eine eingedeutschte Form des französischen Namens Bachelet handelt. Dieser Name wiederum beruht auf dem lateinischen baccalaureus, dem jungen Herr oder dem akademischen Titel. Auch Bongni (Gals) kommt aus dem Französischen. Oder ganz einfach Bourquin (Ligerz). Bongni könnte laut der Namensforscherin Berchtold zum lateinischen Wort bonus, also gut, gehören.  


In Aegerten, Büetigen und Diessbach finden sich ganz vorne im Ranking die albanischen Nachnamen Sylmetaj, Shananaj und Klimenta. «Diese Namen sind Zeichen der Migration und treten in der Hitparade dann auf, wenn in einer verhältnismässig kleinen Gemeinde viele der Namensträger leben», sagt Berchtold.


Müller folgt dicht auf Schwab
In grossen Städten hingegen, setzen sich spezielle Namen weniger schnell durch. Was die Häufigkeit von Familiennamen angeht, könnten die Nidau und Biel gewöhnlicher nicht sein. In beiden Orten rangiert nämlich Müller an erster Stelle. Und Müller ist mit Abstand der häufigste Nachname – nicht nur in der Schweiz, sondern im gesamten deutschsprachigen Raum. Dass er seinen Ursprung vom in der Landwirtschaft häufigen Beruf des Müllers hat, ist unschwer zu erraten. In Biel kommt er 243-mal vor, in Nidau 53-mal. 460 Personen heissen im gesamten Seeland so. Nur die 479 Schwabs schlagen die  Müllers noch.


Viele Seeländer wissen es deshalb wohl bereits: Der Familienname Schwab rührt vom Volksnamen Schwabe her, womit ein Württemberger, Badener, ein Bayer und generell jemand aus Deutschland bezeichnet wurde.     Deborah Balmer

 

 

So haben sich die Familiennamen entwickelt
• Bis weit ins Mittelalter trugen die Menschen nur einen Rufnamen, der unserem heutigen Vornamen entspricht. Weil mit der Zeit immer mehr Personen dieselben Namen hatten und die Menschen gleichzeitig auf engerem Raum zusammenlebten, etablierten sich beschreibende Beinamen wie zum Beispiel «Heinrich der Müller». Diese Beinamen waren bis ins 16. Jahrhundert jedoch meist weder erblich noch offiziell.
• Die Familiennamen wurden in der Schweiz erst mit der Einführung von Zivilstandsregistern um 1876 offiziell festgehalten, wie die Namensforscherin Simone Berchtold von der Universität Zürich weiss.     bal

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