Sie sind hier

Abo

Erlach

«Sie sind ein guter Verkäufer»

Regierungsrat Christoph Neuhaus hat über den geplanten Winterstandplatz für Schweizer Fahrende orientiert. Das hat nicht weniger als 120 Personen interessiert.

Volles Rathaus: Der Informationsanlass zum Thema «Fahrende» mit Regierungsrat Christoph Neuhaus stiess auf grosses Interesse. copyright: beat kuhn/bielertagblatt

von Beat Kuhn

«Wir können über alles reden, nur nicht über 20 Uhr hinaus»: So leitete Regierungsrat Christoph Neuhaus am Mittwoch den vorgängig zur Gemeindeversammlung angesetzten Informationsanlass zum geplanten Winterstandplatz in Erlach ein. Als Vorsteher der Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion (JGK) ist er auch für dieses Dossier zuständig. Im Seeland aufgewachsen, wohnt er heute in Belp. Dort hätten Fahrende schon seit vier Jahrzehnten einen Winterstandplatz, ohne dass es Probleme gebe, sagte er. Die beiden übrigen Winterquartiere im Kanton befinden sich in Biel und Bern-Buech.

Nicht nur Bedürfnis der SVP

Rund 120 Personen, also mehr als nachher an der Gemeindeversammlung, waren schon um 18:30 Uhr ins Rathaus geströmt und schöpften die Zeit bis 20 Uhr mit Fragen und Meinungsäusserungen voll aus. Dies zeigte, dass nähere Informationen über die besagten Pläne nicht nur ein Bedürfnis der örtlichen SVP-Sektion waren. Durch deren Drängen war der Anlass erst zustande gekommen (das BT berichtete).

SVP-Mann Neuhaus betonte, dass die Suche nach Plätzen für Fahrende «ein Auftrag des Regierungsrates» sei. Konkret muss die JGK «unter Einbezug der jeweiligen Standortgemeinde bis 2017 bis zu fünf neue Durchgangs- und Standplätze für Jenische und bis zu zwei neue Transitplätze für ausländische Fahrende bereitstellen». Erschwert wird diese Suche lautNeuhaus dadurch, dass man heute nicht mehr landwirtschaftliche Wiesen für diese Zwecke  nutzen dürfe und manche Plätze überbaut worden seien.

Auch Campingplatz prüfen

Laut Neuhaus hat man auf der Suche nach Standplätzen 4500 Grundstücke von Bund, Kanton und Privaten, verteilt auf das gesamte Kantonsgebiet, geprüft. Als «mögliche Standorte» von Standplätzen für Schweizer Fahrende seien Erlach, Matten bei Interlaken, Muri bei Bern und die Region Oberaargau ermittelt worden.

Als Alternative zum Parkplatz Schützenländte  habe man in und um Erlach noch zwei weitere Standorte angeschaut. Doch der eine sei unverzichtbar für den Betrieb des Schulheims Erlach, und beim anderen, dem Schinterplatz in Gals, sei eine Einzonung wegen raumplanerischer Vorgaben auf Bundesebene  nicht möglich.

Aus dem Publikum wurde mehr als einmal vorgeschlagen, dem Parkplatz Schützenländte, der eben erst saniert und erweitert worden sei, den Gemeinde-Campingplatz vorzuziehen. Worauf Neuhaus versprach, auch diese Option noch prüfen zu lassen.

Fünf oder zehn Wohnwagen?

Gemeindepräsident Hans Rudolf Stüdeli (parteilos) bekräftigte, dass der Gemeinderat den Kanton dabei unterstütze, Erlach als Standort für einen Winterstandplatz Fahrenden vorzusehen. Dies vor dem Hintergrund, dass Schweizer Fahrende im Stedtli kein völlig neues Phänomen wären und man in der Vergangenheit keine schlechten Erfahrungen mit ihnen gemacht habe. Ähnlich äusserten sich einige Votanten – mit einer Ausnahme.

Widersprüchliche Angaben wurden an dem Anlass bezüglich der zu erwartenden Anzahl an Fahrenden gemacht. So gab Stüdeli an, dass es auf dem Parkplatz «Platz für fünf, sechs Wohnwagen» habe. Neuhaus seinerseits sprach dagegen einmal von «sieben bis zehn Wohneinheiten».

Ohne Einsprache ab 2017/18

Das weitere Vorgehen sieht laut Neuhaus so aus, dass der Regierungsrat dem Grossen Rat im Herbst 2016 einen entsprechenden Kredit beantragen wird. Wird dieser bewilligt, folgen die Detailplanung und die Bereitstellung der nötigen Infrastruktur mit Kiesplatz sowie Wasser-, Strom- und Abwasseranschlüssen. Die Planungs- und Erstellungskosten trägt der Kanton. Ab dem Winter 2017/18 soll der Parkplatz Schützenländte dann als Standplatz dienen – «wenn es keine Einsprachen gibt», so Neuhaus. «Der Betrieb ist erfahrungsgemäss kostendeckend.» Mit den Fahrenden werden Mietverträge abgeschlossen, und eine  Platzordnung regelt die Mietgebühr samt Kaution sowie den Lageplan für die Wohnwagen.

«Alle neuen Standplätze gelten als Provisorien, damit wir Erfahrungen sammeln können», gab der JGK-Chef an. Das sind konkret dann aber doch «10 bis 15 Jahre». Nach jedem Jahr soll es einen Austausch über gemachte Erfahrungen geben. Schulpflichtige Kinder der Fahrenden besuchen die Schule in Erlach.

Insgesamt verlief die Diskussion so, dass es anfangs fast ausschliesslich kritische Fragen und Statements gab. Dann kam es zu einer Wende: Eine Frau meinte, es sei doch etwas billig, einfach zu sagen, in Erlach gehe es nicht. Dafür bekam sie den einzigen Applaus des Abends, und es folgten weitere Äusserungen in dieser Richtung. Am Ende gestand SVP-Ortsparteipräsident Martin Zülli seinem Parteifreund Neuhaus zu: «Sie sind ein guter Verkäufer.»
 

****************************************************************************

Für Schweizer Fahrende im Winterhalbjahr

Regierungsrat Christoph Neuhaus machte auch einige Angaben zu den Jenischen, die nach Erlach kommen sollen

Die Jenischen sind die Hauptgruppe der Schweizer Fahrenden.

rLediglich 10 Prozent der 30'000 Jenischen in der Schweiz sind heute noch Fahrende.

Von Beruf sind sie selbständige Händler und Handwerker.

Standplätze für Schweizer Fahrende müssen zwischen 1000 und 3000 Quadratmetern haben. Der als Standort vorgesehene Parkplatz Schützenländte hat 2500. Teils gehört er dem Kanton, teils der Gemeinde.
 

Nachrichten zu Seeland »