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Ligerztunnel

Spaziergänger vor Zügen schützen

44 Einsprachen sind zum Ligerztunnel eingegangen: Neben Einzelpersonen haben sich auch die betroffenen Gemeinden eingeschaltet. Twann-Tüscherz etwa verlangt Massnahmen gegen schnellere Züge.

Für das Westportal fordern die Stiftung Landschaftsschutz Schweiz und Berner Heimatschutz Nachbesserungen bei der Gestaltung. Visualisierung: zvg

Beat Kuhn

Der Einspurabschnitt der Bahnstrecke zwischen Twann und dem Ligerzer Weiler Schafis wird auf Doppelspur ausgebaut. Dies aber nicht auf dem heutigen Trassee am Bielersee, sondern in einem Tunnel, der parallel zum bestehenden Strassentunnel um Ligerz herum erstellt wird. Zum «Projekt Ligerztunnel» gehört aber auch die Sanierung der ganzen Bahnlinie am linken Seeufer, einschliesslich der Erneuerung des Bahnhofs von Twann (das BT berichtete).

Inzwischen ist der erste Schritt des Baubewilligungsverfahrens (siehe Infobox und Zweittext) getan: Die 30-tägige öffentliche Planauflage ist abgeschlossen. Insgesamt 44 Einsprachen sind innert dieser Frist beim Bundesamt für Verkehr (BAV) eingegangen, wie Mediensprecher Gregor Saladin auf Anfrage sagt. Davon stammen 37 von Einzelpersonen, vier von Gemeinden und drei von Verbänden. Von wem konkret die Einsprachen stammen, ist von Saladin nicht zu erfahren, «weil das BAV als verfahrensführende Behörde diese Auskünfte nicht erteilen darf». Den Einsprechern stehe es dagegen frei, ihre Anliegen samt Begründung bekanntzumachen. Nur: Wie findet man diese?

Twann-Tüscherz: «lange Liste»
Die Gemeinde Twann-Tüscherz macht es einem einfach: Sie outet sich mit einer Medienmitteilung selbst. Das Projekt als Ganzes werde zwar befürwortet, und man habe nicht die Absicht, «dieses im Grundsatz zu behindern», schreibt der Gemeinderat darin. «Zur Wahrung ihrer Interessen» habe die Gemeinde aber gleichwohl eine Einsprache eingereicht. Das Projekt sei ein sehr umfassendes Vorhaben. «Entsprechend lang ist die Liste der gestellten Forderungen.» Viele Punkte habe die Gemeinde schon eingehend mit der Projektleitung besprochen. Durch die Einsprache wolle man diese nun noch rechtsverbindlich absichern.

Die Einsprachepunkte würden sich einerseits auf eher kurzfristige Beeinträchtigungen wie Baustelleninstallationen, Lärmemissionen während der Bauarbeiten, Sperrungen und Platzbeanspruchungen konzentrieren, heisst es in dem Communiqué. Anderseits würden den Gemeinderat aber auch langfristige Veränderungen beschäftigen, die mit dem Kapazitätsausbau der Linie einhergingen. Beispielsweise strebten die SBB nicht nur eine Erhöhung der Zug-Frequenzen, sondern auch eine Tempoerhöhung für einzelne Züge auf 160 km/h an. Die Gemeinde verlange geeignete Massnahmen, «damit der Lärmschutz gewährleistet wird und die Druckwelle die Spaziergänger auf dem Strandweg nicht in unzumutbarer Weise trifft». Vor der Bewilligung müsse aus Sicht der Gemeinde darum eine Machbarkeitsstudie erstellt werden, die dokumentiert, wo mit welchen Auswirkungen zu rechnen ist.

Auch La Neuveville gehört zu den Einsprechern, wie Stadtpräsident Roland Matti (FDP) auf Anfrage bestätigt. Mehr will er dazu nicht sagen.

Ligerz: «untergeordnete Punkte»
Selbst Ligerz, das am meisten von dem Tunnel profitiert, hat Einsprache eingelegt, wie Gemeindeschreiberin Dora Nyfeler bestätigt. Grundsätzliche Einwände gegen das Vorhaben habe man indes nicht, man unterstütze das Projekt und dessen baldige Realisierung sogar sehr. Die Einsprache betreffe «ausschliesslich untergeordnete Punkte und Entschädigungsfragen, die zwingend per Einsprache geltend gemacht werden müssen». Man sei zuversichtlich, dass die offenen Fragen in einer Vereinbarung mit den SBB geregelt werden könnten.

Gemäss BAV haben tatsächlich sämtliche enteignungsrechtlichen Einwände und Entschädigungsbegehren innert der gesetzten Frist geltend gemacht werden müssen. Wer dies unterlassen habe, sei vom weiteren Verfahren ausgeschlossen. Bei unterschiedlichen Vorstellungen über die Höhe der Entschädigung für Landerwerb zwischen Enteigner und Enteignetem entscheide die örtlich zuständige Eidgenössische Schätzungskommission (Eschk).

In der Regel sei der Verkehrswert zu entschädigen, plus allfällige Kosten, die durch das Enteignungsverfahren beim Enteigneten anfallen würden. Die Entscheide der Eschk könne man mittels Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht weiterziehen. Wenn eine rechtsgültige Baubewilligung des BAV vorliege, könne der Präsident der Eschk dem ÖV-Betreiber die vorzeitige Besitzübergabe bewilligen. So könnten Bauverzögerungen vermieden werden.

Naturschutz: «mehr Qualität»
Unter den drei Verbänden, die Einsprache erhoben haben, befindet sich auch die Stiftung Landschaftsschutz Schweiz, wie Geschäftsleiter Raimund Rodewald bestätigt: «Wir verlangen beim Westportal eine bessere Qualität, so wie sie auch beim Twanntunnel mit dem Bundesamt für Strassen erreicht worden ist.»

Nach einem Hinweis von Rodewald fordert dies auch der Berner Heimatschutz (BHS) per Einsprache. Martin Ernst, BHS-Bauberater für Ligerz und Twann-Tüscherz, präzisiert: «Wir fordern gestalterische Nachbesserungen im Bereich der beiden Portale SBB- und N5-West und bei der neuen Zufahrt ab der N5 nach Schafis, Ligerz und Twann sowie eine Sicherstellung der Umsetzung aller gestalterischen Massnahmen, die Gegenstand des Auflageprojektes sind, durch eine fachliche Begleitung bis zum Bauende.» Mit der Behandlung der 44 Einsprachen hat das BAV nun viel zu tun. Mitte nächsten Jahres soll mit den Bauarbeiten begonnen werden. Deren Vollendung ist für 2025 vorgesehen.

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So läuft ein Plangenehmigungsverfahren ab
Bei der Plangenehmigung wird zwischen ordentlichem und vereinfachtem Verfahren unterschieden – und manches kann auch ohne Bewilligung realisiert werden. Das ordentliche Verfahren beginnt mit der amtlichen Publikation des Gesuchs. Gleichzeitig werden die Pläne für die Bauten 30 Tage in den vom Projekt betroffenen Gemeinden öffentlich aufgelegt. Geplante Veränderungen im Gelände werden mittels Aussteckung sichtbar gemacht. Während der 30 Tage können Gemeinden, natürliche oder juristische Personen sowie beschwerdeberechtigte Organisationen Einsprache erheben. Andere sind von weiteren Verfahren ausgeschlossen. Allfällige Einsprachen werden dem Gesuchsteller zur Stellungnahme zugestellt. Gegebenenfalls führt das Bundesamt für Verkehr (BAV) Einspracheverhandlungen mit Gesuchsteller und Einsprechern durch.

Die betroffenen Kantone können innert drei Monaten zur Planvorlage Stellung nehmen. Das BAV holt Stellungnahmen bei den Fachbehörden des Bundes ein, zum Beispiel beim Bundesamt für Umwelt, dem Bundesamt für Raumentwicklung, dem Bundesamt für Kultur, dem Eidgenössischen Starkstrominspektorat oder dem Eidgenössischen Rohrleitungsinspektorat.

Die Baubewilligung erfolgt durch eine Plangenehmigungsverfügung des BAV. Gegen eine Plangenehmigung kann innert 30 Tagen Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht eingelegt werden.

Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts wiederum kann an das Bundesgericht weitergezogen werden. Die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht hat aufschiebende Wirkung, jene an das Bundesgericht nicht. bk

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Spezielles Verfahren bei ÖV-Bauten und -Anlagen
- Für Bauten und Anlagen im Bereich Eisenbahn, Tram, Trolleybus, Seilbahn und Schifffahrt braucht es eine Plangenehmigung des Bundesamtes für Verkehr (BAV). Diese entspricht einer Baubewilligung. In Plangenehmigungsverfahren werden etwa Gleisanlagen, Brücken, Tunnels, Trolleybus-Fahrleitungen, Seilbahnen oder Landungsanlagen für Schiffe geprüft.
- Bei solchen Verfahren prüft das BAV, ob das Projekt den technischen Vorschriften entspricht, die Rechte der Betroffenen wahrt und die bundesrechtlichen Bestimmungen bezüglich Raumplanung sowie Umwelt-, Natur- und Heimatschutz einhält.
- Mit der Plangenehmigung erteilt das BAV sämtliche nach Bundesrecht erforderlichen Bewilligungen. Es sind keine zusätzlichen kantonalen Bewilligungen erforderlich. bk

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