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„Krawattenzwang“

Tiefpunkt mit 50 Jahren

Im persönlichen Blog berichtet Bernhard Rentsch, publizistischer Leiter der Gesamtredaktion und Chefredaktor „Bieler Tagblatt“ wöchentlich über Erlebnisse im beruflichen/gesellschaftlichen Leben – dies immer mit einem Augenzwinkern. Heute: Der Tiefpunkt der 50-Jährigen.

Bernhard Rentsch
  • Dossier

Wenn ich im Rahmen des Jubiläums „25 Jahre Alterswohnheim Büttenberg“ etwas gelernt habe, dann ist es die frustrierende Tatsache, dass meine Generation der knapp über 50-Jährigen statistisch gesehen im Leben den Tiefpunkt erreicht hat: Beruflicher Druck, private Veränderungen (die erwachsenen Kinder werden flügge, die Elternaufgabe ist „erfüllt“), wir sind weniger fit und weniger schlank... Die Kurve auf der (durch die Mit-Jahrgänger selber angegebenen) Zufriedenheit ist scheinbar ganz unten. Dabei stehen die Mitfünfziger auf dem Podest des Erfolgs ganz oben.

Da stimmt doch etwas nicht, Frau Professorin Pasqualina Perrig-Chiello von der Uni Bern, die uns im Referat diese schmerzliche Tatsache fadengerade vor Augen führte – und auch noch belegte? Doch, so die Fachfrau: Kalendarisches und biologisches Alter sei nicht das gleiche, die Zufriedenheit in jungen Jahren und bei Senioren sei halt einfach grösser.

Das gibt zu denken – falsch ist die Feststellung aber in der Tat nicht. Die Unbeschwertheit der Jugend ist zwar noch in Erinnerung, aber halt wirklich etwas weiter weg. Man ist nicht mehr ganz „in“ und denkt manchmal an früher. Und gelegentlich ertappt man sich beim Gedanken an die Zeit nach dem grossen Rummel. Man wüsste sehr genau, was man machen könnte, wenn der Zeitpunkt des Kürzertretens da ist. Später – in (noch) ferner Zeit.

Also, kein Frust, sondern Realität. Persönlich kann ich sehr gut mit Statistiken leben, weiss sie auch zu interpretieren. Nicht alles, was eine Mehrheit zu beweisen scheint, muss für mich persönlich zutreffen. Die Zufriedenheit ist da, privat und beruflich. Es gibt auch kein Gefühl, dass der oberste Podestplatz erreicht sei und es deshalb nur noch hinuntergeht. Gut so, wie es ist. Ich hoffe, das werden andere auch so sehen. Oder? Schreiben Sie mir, ich nehme Ihre Gedanken gerne in diesem Blog auf.

Die positive Feststellung, wenn wir die Statistik doch etwas ernster nehmen: Es geht nur noch obsi – und dies bis ins hohe Alter. Ich freue mich auf die Jahre als „reife“, erfahrene Person. Alles, was war, ist Erinnerung und Erfahrung. Alles, was kommt, ist interessant, spannend und herausfordernd.

Dem Alterswohnheim Büttenberg übrigens gratuliere ich zum Jubiläum und danke für die Einladung. Neben dem spannenden Referat gab es ein gutes Apéro. Und vor allem gute Gespräche, meist mit Nicht-mehr-ganz-Jungen. Ich habe mich wohlgefühlt.

 

brentsch@bielertagblatt.ch
Twitter: @BernhardRentsch

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