Sie sind hier

Abo

Orpund

Viele Orpunder meiden den Wald bis heute

Vor drei Monaten ist eine Tierärztin aus Brügg im Wald brutal ermordet worden. Die polizeilichen Ermittlungen sind nun abgeschlossen. Trotzdem gibt es keine Neuigkeiten zum Tötungsdelikt. Bereits im Sommer habe die Polizei nicht genug informiert, heisst es.

Mittlerweile ist der Herbst eingekehrt: Bis der Mord endgültig geklärt ist, wird wohl noch einige Zeit ins Land ziehen. Daniel Müller
  • Dossier

Deborah Balmer

Bis heute wissen nur der Täter und vermutlich die Polizei, was Mitte Juli im Burgerwald in Orpund genau geschah. Die ermordete Frau kann nichts mehr erzählen. Ob der mutmassliche Täter mittlerweile ein Geständnis abgelegt hat, ist der Öffentlichkeit nicht bekannt. Die Polizei und die Staatsanwaltschaft schweigen zu den genauen Tatumständen und verweisen auf das laufende Verfahren.

Nur zu gut erinnert man sich an den Mordfall: Mitte Juli ist eine 66-jährige Tierärztin aus Brügg im Wald in Orpund von einem Mann mit einem stumpfen Gegenstand erschlagen worden. Ein Sexual- oder ein Beziehungsdelikt konnte rasch ausgeschlossen werden. Die Frau ist ihrem Mörder wohl zufällig über den Weg gelaufen. Ihr Rauhaardackel harrte bis zum nächsten Morgen neben der Leiche aus. Eine Orpunder Spaziergängerin entdeckte die beiden auf einer morgendlichen Runde mit ihrem Hund (das BT berichtete).

Der Mord löste Ängste aus

Der Mord des vergangenen Sommers ist den Menschen in der Region unter die Haut gegangen. Jeder weiss: Wenn es eine unschuldige Tierärztin auf einem Spaziergang im Wald erwischt, hätte es auch mir passieren können.

Der Orpunder Gemeindepräsident Jürg Räber (parteilos) hielt sich im Juli mit seiner Frau in den Ferien in Skandinavien auf. Er erinnert sich, dass er im hohen Norden einen Anruf aus seinem Dorf erhielt. «Es war erschreckend und ich dachte danach natürlich intensiv über diese Tat nach», sagt er.

Als er aus den Ferien zurück war, wurde er regelmässig auf den Mord angesprochen. Auch Gemeinderatskollegen und Verwaltungsangestellte wurden von besorgten Bürgern angegangen. Das war laut Räber auch dann noch der Fall, als bereits bekannt war, um wen es sich bei der Toten handelt. Und ging auch weiter, als ein mutmasslicher Täter festgenommen wurde. «Die genauen Umstände der Tat sind mir bis heute unklar», ergänzt Räber. Das habe zu der grossen Verunsicherung in der Bevölkerung geführt. Die Menschen hatten vor allem im Sommer Angst und fragten sich: «Gab es Mittäter? Wie soll man sich nun verhalten? Muss mit weiteren ähnlichen Taten gerechnet werden?» Ob diese Ängste begründet waren oder nicht, konnte der Gemeindepräsident nicht abschätzen. «Wir wussten sehr wenig und konnten deshalb nicht angemessen auf die Befürchtungen reagieren.» Räber sagt: «Es hätte uns geholfen, wenn die Polizei im Mordfall Orpund aktiv mit uns kommuniziert hätte.» In einem Brief bat der Orpunder Gemeinderat die Polizei, die Fragen der Bevölkerung zu beantworten.

Versteckte Beute im Wald

Rund einen Monat nach dem Mord lag die Antwort der Kapo Bern vor. Man habe im Sinne einer Beruhigung der Bevölkerung via Medien rasch gesagt, dass sowohl ein Sexual- als auch ein Beziehungsdelikt ausgeschlossen werden könne. Ebenso sei die Verhaftung des Täters rasch kommuniziert worden. Weiter schrieb die Kapo: Es sei davon auszugehen, dass der Verhaftete alleine gehandelt habe.

Dass man in Orpund angesichts des Mordes verunsichert ist, ist verständlich. Wiederholt haben Spaziergänger in den letzten Jahren im Burgerwald verstecktes Diebesgut von Einbrechern gefunden. Kurz vor dem Mord ist in einem Quartier nahe des Tatorts eingebrochen worden. Die Leute fragen sich, ob da ein Zusammenhang zur Tat besteht. Jürg Räber: «Bis heute gehen einige Orpunder nicht mehr alleine, sondern nur noch in Gruppen in den Wald.»

Ein Mann aus Bulgarien

Relativ schnell nach dem Mord ist der Täter gefasst worden. Er hatte versucht, mit dem gestohlenen Auto des Opfers im Kanton Schaffhausen bei einem offiziellen Grenzübertritt von Deutschland in die Schweiz einzufahren. Danach hat man nichts Neues mehr zum Fall gehört. Dass es sich um einen Mann aus Bulgarien handelt, war gerüchteweise zu hören. Die Staatsanwaltschaft hat das gestern auf Anfrage bestätigt.

*  *  *  *  *  *  *  *  *  *  *  *  *  *  *  *

Kommentar von Deborah Balmer

«Frau leblos im Wald gefunden». Diese Mitteilung ging am 19. Juli auf der Redaktion ein. Die Polizei suchte via Medien Zeugen. Einen Tag später war das Opfer identifiziert. Erneut startete sie einen Aufruf: Sie suchte nun das Auto der Verstorbenen. Gleichzeitig teilte sie aber nur das Minimum mit. Wer die Tote war, dass sie in der Region als Tierärztin arbeitete, dass sie einen Hund dabei hatte, fand das BT heraus. Weil die Unschuldsvermutung gilt, hat die Polizei, als der Täter gefasst war, gar nicht mehr aktiv kommuniziert. Die Unsicherheit der Orpunder ist verständlich. Es fehlt eine Einordnung. Eine mögliche Erklärung für diese schreckliche Tat. Stattdessen tappt man noch immer im Dunkeln. Als es darum ging, Zeugen zu finden, war die Polizei auf die Hilfe der Bevölkerung angewiesen. Angebracht wäre es, wenn die Kapo den Orpundern bei der Einordnung des Falls nun ebenfalls helfen würde.

E-Mail: dbalmer@bielertagblatt.ch

Nachrichten zu Seeland »