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Gals

Von der Dorfbeiz zum Pflegeheim und Mehrfamilienhaus

Das «Alte Kreuz» ist einer innovativen Wohnform zugeführt worden. Dorfchronist Eduard Schweizer und Martin Schwander haben den Umbau in einem Fotobuch dokumentiert. Auch das Ofenhaus nebenan wird darin gewürdigt.

Vor dem «Alten Kreuz» posiert Bauvorsteher André Schreyer zwischen den Fotobuchautoren Martin Schwander (links) und Eduard Schweizer. Peter Samuel Jaggi

Beat Kuhn

Das Jahr 1889 hat für die «Wirtschaftsgeschichte» von Gals historische Bedeutung. Denn damals erwarb Gottfried Schwab – in Gals ein verbreiteter Nachname – das Wirtepatent der kleinen Wirtschaft «Pintli» an der Dorfstrasse 13 – wobei Hausnummern erst im 20.Jahrhundert eingeführt worden sind. Schwab wirtete allerdings nie in jenem eher kleinen Gebäude, sondern von Anfang an der Dorfstrasse 7. 1899 riss er das bestehende Gebäude ab, weil es in einem schlechtem Zustand war, und baute ein neues. Primär war dieses ein Bauernhaus, lediglich als Nebenerwerb wurde in der eingebauten Gaststube auch noch gewirtet. Offiziell hiess diese «Gasthof Kreuz». «Es hat aber niemand ‹Kreuz› gesagt», macht der bald 89-jährige Dorfchronist Eduard Schweizer klar. «Das war einfach ‹die Pinte› – und das war nicht abschätzig gemeint.»

Bis 1951 wurde nebeneinander Landwirtschaft und Gastronomie betrieben. Dann wurden die beiden Bereiche getrennt: 1951/52 baute Ernst Schwab gegenüber an der Dorfstrasse 8 ein Restaurant, das seither «Gasthof Kreuz» heisst. Das Bauernhaus überliess er seinem Bruder Paul für die Landwirtschaft. 1975 übernahm Ernst Schwabs Sohn Peter den Gasthof. Ab 1998 waren Christine und Michel Simitsch zunächst Pächter des «Kreuz», seit 2008 sind sie Eigentümer. Obwohl die Liegenschaft an der Dorfstrasse 7 seit 1952 nur noch ein Landwirtschaftsbetrieb war, firmiert sie seit dem Umbau letztes Jahr unter dem Namen «Altes Kreuz».

Kein Pflegeheim-Vorrang für Galser
2015 verkaufte Paul Schwabs Sohn Urs das «Alte Kreuz» für 580000 Franken an die daran interessierte Gemeinde, obwohl es auch noch andere Kaufwillige gab. Das wird ihm von der Dorfbevölkerung hoch angerechnet. An der Gemeindeversammlung vom 16. Juni 2017 wurden 6,2 Millionen Franken für die Umwandlung des Bauernhauses in einerseits ein Pflegeheim und andererseits ein Mehrfamilienhaus bewilligt.

Der Wohn- und Wirtshausteil ist beim folgenden Umbau stehengelassen worden. Der Ökonomieteil hingegen wurde abgerissen und als Wohnraum neu gebaut – bis auf die alte Fassade, die auf Anordnung der Denkmalpflege stehenbleiben musste. Hinter der Liegenschaft ist ein länglicher Trakt mit Flachdach angebaut worden, in dem sich auf zwei Etagen 15 Pflegezimmer befinden. Das Parterre des Hauptgebäudes wird von den übrigen Räumen des Pflegeheims belegt, das vom Betagtenpflegeverein Biel-Seeland betrieben wird. Laut Bauvorsteher André Schreyer, der das Umbauprojekt für den Gemeinderat betreut hat, haben Galser nicht Vorrang, «aber bis jetzt haben ohnehin sämtliche Interessentinnen und Interessenten Platz gefunden». In den oberen Etagen sind neun Wohnungen eingebaut worden, von denen bis jetzt sechs belegt sind. Alle Wohnungen eignen sich insbesondere auch für ältere Personen und Paare, die sich einen späteren Wechsel in ein Pflegezimmer vorstellen könnten.

Auf Bitten des Gemeinderates hat Eduard Schweizer zusammen mit Martin Schwander ein Fotobuch über Geschichte und Umbau des «Alten Kreuzes» geschaffen. Es besteht aus vielen Fotos, die grösstenteils Schweizer gemacht hat, und wenig Text: Dieser beschränkt sich auf nötige Erläuterungen und die Bildlegenden. Auf historische Schwarzweissaufnahmen von einst folgen Farbbilder, die vor oder während der Umbauarbeiten gemacht wurden, sowie Fotos von der Einweihung dieses innovativ konzipierten Gebäudes, die am 18. November letzten Jahres stattfand.

Ofenhaus mit eigener Hausnummer
Auf Anregung Schweizers, der sein Dorf seit Jahrzehnten fotografisch dokumentiert, ist auch die Geschichte des Ofenhauses aus dem 18. Jahrhundert in das Buch integriert worden. Dieses steht direkt neben dem «Alten Kreuz» und hat – sehr schweizerisch – sogar eine eigene Hausnummer: Dorfstrasse 5. Während von diesen Back-Häuschen um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert im Dorf noch 22 existierten, gibt es heute grade mal noch eines. Aber heute wohnt man ja auch nicht mehr in reinen Holzhäusern, und kaum ein Haushalt hat noch einen Holzofen. Es ist also nicht mehr wie früher nötig, wegen Brandgefahr ausserhalb der eigenen vier Wände zu backen. Ehe dieses Ofenhaus 2009 von der Gemeinde gekauft und renoviert wurde, gehörte es einer aus Nachbarn bestehenden Genossenschaft, darunter der landwirtschaftliche Zweig der Familie Schwab.

Böse Überraschung beim Kneten
Schweizers Fotos stammen zum ersten aus den 80er-Jahren, zum zweiten von der Renovation 2009 und zum dritten vom «Backtag» 2018. Nachdem diese Tradition lange Jahre vom örtlichen Samariterverein gepflegt worden war, ist es heute der Gemeinderat, der alljährlich zu dem Anlass einlädt, der den Dorfgeist stärkt. «Aber das Ofenhaus wird zu wenig genutzt», so Schweizer.

Nicht nur zum «Alten Kreuz» gibt es Anekdoten (siehe Zweittext), sondern auch zum Ofenhaus: Das Teigkneten von Hand ist eine anstrengende Arbeit, erst recht für jene, die das nicht beruflich machen, sondern in der Freizeit und womöglich bloss einmal im Jahr am «Backtag». So stellte Urs Schwab dafür die alte Knetmaschine zur Verfügung, die er noch hatte. Als aber beim erstmaligen Gebrauch eine Schraube im Teig zum Vorschein kam, stellten die Frauen, die sich für das Kneten meldeten, wieder quasi auf Handbetrieb um.
Info: Das Fotobuch «Ofenhaus und ‹Altes Kreuz› in Gals» hat 84 Seiten und ist für 80 Franken im Gemeindehaus erhältlich.

 

ZWEITTEXT:

Serviertöchter verdrehten den Männern den Kopf

In dem Buch erfährt man auch Menschlich-Allzumenschliches aus der Geschichte des «Alten Kreuz». So haben sich dort im Laufe der Jahre nicht weniger als sieben Serviertöchter in einen Galser verliebt und diesen auch geheiratet. Zitat: «Heute können sich noch zwei Galserinnen an diese Zeit erinnern.» Wie oft in der Liebe lief das allerdings nicht immer reibungslos ab: Dem «schönen Päuli» gefiel eine der Kellnerinnen ausnehmend gut. So suchte er die Wirtschaft immer öfter auf. Seiner Mutter missfiel diese Liebschaft. Als Päuli eines Abends wieder mal in der «Pinte» sass, tauchte sie unverhofft auf, gab ihm links und rechts eine Ohrfeige und verschwand wieder. Später hat Päuli seine Angebetete trotzdem geehelicht.

Übel mitgespielt wurde einem gewissen «Kobi». Er glaubte, bei der beliebten Serviertochter Greti Chancen zu haben, und war immer öfter in dem Lokal. An einem Samstagabend erlaubten sich einige junge Galser, denen das nicht entgangen war, einen Scherz mit ihm. Einer flüsterte «Kobi» ins Ohr, dass Greti ihn nach der Polizeistunde in der Gartenwirtschaft erwarte. Als es soweit war, ging dieser freudig auf die in der Dunkelheit nur schwach erkennbare Gestalt mit Schürze und Kopftuch zu – um dann erkennen zu müssen, dass das nicht Greti, sondern der verkleidete «Schorschi» war.

Ehe in den 40er-Jahren automatische Kegelbahnen aufkamen, wurde auf Holzlattenbahnen gekegelt. Auch in der «Pinte» war so eine vorhanden. Der Standplatz für die Spieler und das Ries mit den neun Kegeln waren überdacht, die Bahn hingegen war im Freien und wurde erschwerend mit Öl beschmiert, damit die Kegel rutschten. «Wir Schulbuben wurden als Kegelsteller engagiert und erhielten 15 Rappen pro Stunde», erinnert sich Eduard Schweizer. «Dafür konnte man drei Fünferstängeli kaufen, also Chocolat-Stängeli.»
An Ostern wurde für die Jugendlichen jeweils ein sogenannter Eieraufleset veranstaltet. Laut Schweizer wurden dabei 100 Eier im Abstand von jeweils 50 Zentimetern auf den Boden gelegt. Von zwei gegnerischen Mannschaften rannte nun je ein erster Läufer los, holte ein Ei und eilte damit zurück. Dann warf er dieses von der Startlinie aus einem Fänger zu, der es mit einer kleinen Wanne – gefedert mit Gerstenkörnern – aufzufangen versuchte. Darauf rannte je ein zweiter Läufer los – und so weiter. «Ein Teil der Eier war roh, und wenn so eins auf dem Rand des Korbes aufschlug, wurde der Fänger etwas gelb», so Schweizer lachend. Am Abend gab es in der «Pinte» dann harte Eier zum «Tütsche», Eiersalat und Spiegeleier. Der Rekord beim Eieressen: 30 Spiegeleier. bk

Stichwörter: Gals, Altes Kreuz

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