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Schernelz/Wingreis

Von Konkurrenten zu privaten und geschäftlichen Partnern

Die Liebe zwischen Sabine Steiner aus Schernelz und Andreas Krebs aus Wingreis hat die Weingüter der beiden Familien zusammengeführt. Ihre Weine bleiben aber verschieden.

Andreas Krebs und Sabine Steiner sind rund um die Uhr zusammen, haben aber je ihren eigenen Arbeitsbereich. Mattia Coda
  • Dossier

Beat Kuhn

Es waren einmal zwei traditionsreiche Weingüter: Das eine befand sich oberhalb von Ligerz im Weiler Schernelz und wurde von der Familie Steiner betrieben. Das andere stand am Rebweg oberhalb des Weilers Wingreis zwischen Twann und Tüscherz und wurde von der Familie Krebs geführt. Silvia und Manuel Krebs hatten drei Kinder: Andreas, Yvonne und Matthias – Annemarie und Charles Steiner hatten eine Tochter: Sabine.

Die Primarschule besuchte Sabine teils zur gleichen Zeit wie der zwei Jahre jüngere Andreas in Twann. Sie kannten einander und wussten auch, dass sie den gleichen familiären Hintergrund hatten. Doch hatten sie wenig miteinander zu tun, und schon gar nicht waren sie verbandelt. «Auf die Jüngeren habe ich damals nicht geachtet», sagt Sabine Steiner lachend. Vollends getrennt haben sich ihre schulischen Wege, als sie ins Gymnasium Neuenburg wechselte.

Liebe auf den zweiten Blick
Nach der Schule machte er eine Lehre als Winzer, während sie an der Universität Freiburg Medien und Kommunikation studierte. Danach war sie fast zehn Jahre lang Videojournalistin bei «Telebielingue», wo sie vor allem Sport-Beiträge realisierte. «Von Wein wollte ich zunächst nichts wissen», so Steiner. Doch dann sei sie von Bekannten zu einem Läset nach Neuseeland eingeladen worden – und hingegangen. «Dort ist meine Begeisterung für Wein erwacht.» Als sie zurückgekommen sei, hätten die jungen Winzer aus der Region begonnen, sich regelmässig zu treffen. Dort hätten sie beide sich näher kennengelernt.

«Gefunkt hat es nicht zu einer bestimmten Uhrzeit, sondern irgendwann war es einfach so», sagt Krebs. Und auf die Frage, ob dabei Wein eine Rolle gespielt habe, meint er lachend: «Wein spielt immer eine Rolle – jedenfalls bei Männern.» Seit 2007 sind die zwei nun ein Paar. Geheiratet haben sie allerdings erst 2017. Die vierjährige Lucy ist noch zu Konkubinatszeiten zur Welt gekommen, die einjährige Emilienne nach der Hochzeit. Bei den Kindern lautet der Nachname Krebs wie bei Vater Andreas, der 39 ist. Mutter Sabine, inzwischen 41, hat dagegen ihren Ledigennamen behalten.

Inklusive «Aux Trois Amis»
2014 hat das junge Paar das Weingut Steiner übernommen, 2016 ausserdem das Weingut Krebs. Daraufhin sind die zwei Betriebe zu einer gemeinsamen Firma zusammengelegt worden – was laut Krebs mit viel Arbeit verbunden war. Die Kelterung und alles Übrige, was mit der Verarbeitung der Trauben zusammenhängt, geschieht nun in Wingreis, der Verkauf und die Administration werden in Schernelz abgewickelt.
Von der Seite Steiner ist auch das Restaurant Aux Trois Amis eingebracht worden, das nur einen Steinwurf vom Weingut in Schernelz entfernt ist. Dessen Gartenwirtschaft bietet eine traumhafte Aussicht auf den Bielersee. Und natürlich wird dort auch der hauseigene Wein ausgeschenkt: «Die Pächter sind unser bester Kunde», macht Krebs klar.

Beide Namen leben weiter
Beide Namen sind weiterhin präsent: Im Sortiment haben die beiden die Weinlinie Steiner aus Trauben in den Rebparzellen bei Ligerz sowie die Weinlinie Krebs aus Trauben in den Rebparzellen bei Twann. Die Weine heissen dann etwa Steiner Chasselas oder Krebs Gutedel. Dass es zwei Weinlinien gibt, hat vorab geschmackliche Gründe: Die Rebparzellen der zwei Weingüter sind natürlich nach wie vor drei Kilometer voneinander entfernt und ergeben weiter unterschiedliche Weine. Krebs: «Tendenziell ist der Twanner Boden etwas karger, steiniger und kalkhaltiger als jener in Ligerz – das hat Auswirkungen.»

Ein weiterer Grund für die Beibehaltung beider Namen sind «persönliche Unterschiede in der Stilistik», also der Beurteilung und Beschreibung der Weine, wie Steiner sagt: «Wir degustieren schon gemeinsam sämtliche Weine, aber das letzte Wort habe bei den Steiner-Weinen ich und bei den Krebs-Weinen Andreas.»

Nur Verpackung einheitlich
Bei den Etiketten hätten sie eine grundsätzliche Anpassung vorgenommen, indem für beide Linien dieselben Farben verwendet würden, ergänzt Steiner. Je nachdem sei jedoch das Steiner- oder das Krebs-Logo auf der Flasche. «Man muss erkennen, dass wir zusammengehören, aber trotzdem noch je eine individuelle Note haben», bringt sie es auf den Punkt.

Auch Websites gibt es zwei separate. Doch in Entsprechung zu den Etiketten haben sie denselben Aufbau, und auf beiden findet sich zuunterst ein Hinweis auf die jeweils andere Website. Das Werbe-Motto des gemeinsamen Betriebes ist vom Spiel  «Schere – Stein – Papier» abgeleitet und lautet «Schere – Stein – Wein». Dabei steht «Schere» für Krebs und «Stein» für Steiner. Die Verpackungskartons sind hingegen einheitlich.

Im Gastrobereich reicht das Spektrum heute von der einfachen Bergbeiz bis zur Gaststätte mit Gault-Millau-Punkten. «Einfach die Bestellungen sind unterschiedlich», so Steiner: «Die Métairien nehmen eher Halbliterflaschen, die gehobenen Restaurants eher teure Weine aus dem Barrique-Fass.» Bei den Privatkunden bewege man sich – im Vergleich zu anderen Produzenten der Region – generell eher im oberen Preissegment. Konkret: Eine Dreiviertelliter-Flasche kostet zwischen 14 und 38 Franken.

Konkurrenten gewesen
Vor der liebesbedingten Zusammenlegung waren die Weingüter Konkurrenten, denn nicht weit voneinander entfernt boten sie dasselbe Produkt an. «Das waren beides Betriebe, die auf dem Markt aktiv waren», sagt Krebs, «es war aber nicht so, dass sie grosse Kämpfe ausgetragen hätten.» Beide hätten je ihre Kunden und Absatzkanäle gehabt. Im gemeinsamen Betrieb sind nun auch die Kunden gemeinsam: «Es ist nicht so, dass die einen nur Krebs-Weine kaufen und die anderen nur Steiner-Weine.»

Wenn Unternehmen fusionieren, tun sie das meist, um durch Synergien und Entlassungen Geld zu sparen. Bei Steiner und Krebs liegt zwar ein reiner Herzensentscheid vor, aber auch dieser hat wirtschaftliche Folgen: Ein Synergieeffekt ergibt sich, weil der gemeinsame Betrieb weniger hohe Investitionen tätigen muss als zwei. Entlassen worden ist indes niemand. Für die Ernte kommen zum Besitzerpaar und den drei Festangestellten noch rund zwei Dutzend Personen aus dem familiären Umfeld sowie Freunde und Bekannte hinzu.

Ganz auf Bio umgestellt
«Wir sind mehr oder weniger 24 Stunden pro Tag zusammen», hält Steiner fest. «Manche Frau-en sagen, dass sie das nie im Leben aushalten würden – doch ich könnte mir nichts anderes vorstellen.» Und ihr Mann fügt hin-zu, dass sie eben mit Leib und Seele Winzer seien, dass es sie auch verbinde, wenn sie zusammen eine Flasche trinken und darüber fachsimpeln würden. «Wir haben indes noch andere gemeinsame Interessen.»

Die zwei verhehlen aber nicht, dass es auch Konflikte gibt: «Es fallen auch mal laute Worte», sagt Krebs, und Steiner ergänzt: «Sonst würde ja etwas nicht stimmen.» Anlass zu Streit bieten ihr zufolge etwa strategische Entscheide. «Mich hat zum Beispiel eines Tages die Begeisterung für den biologischen Anbau gepackt, aber Andreas hatte wirtschaftliche Bedenken.» Mittlerweile ist die ganze Produktion biologisch.

Coronavirus mischt mit
Als günstige Voraussetzung betrachtet es Krebs, dass sie beide «unterschiedlich veranlagt» sei-en: «Ich mache mehr in den Reben und im Weinkeller, und Sabine hat ein Flair für die Kundschaft und die Präsentation.» Beim Administrativen mache er «alles mit Zahlen» und sie «alles mit Buchstaben», also er die Finanzen und sie alles Übrige.

Der Jahrgang 2018 ist so gut wie ausverkauft. Nächste Woche beginnt aber die Abfüllung der total fast 60000 Liter Weiss- und Rotwein. Vom Coronavirus ist der Betrieb insofern betroffen, als Bankette in Restaurants abgesagt werden, die er hätte beliefern können. Und da der Spielbetrieb des EHC Biel unterbrochen ist, fällt auch die Tissot Arena als Einnahmequelle weg. Steiner: «Ebenso schlimm ist für uns aber, dass wir darum keine Spiele sehen können.»

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