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Tessenberg

Wer will dieses Land beackern?

Der Kanton hat die 140 Hektaren Landwirtschaftsfläche des ehemaligen Jugendheims Prêles zur Pacht ausgeschrieben. Örtliche Bauern üben Kritik.

Bild: Bernard Schindler

Bernard Schindler/pl

Der Kanton Bern schreibt eine aussergewöhnlich grosse Landwirtschaftsfläche von insgesamt 140 Hektaren zur Pacht aus. Es handelt sich um das Land des ehemaligen Jugendheims Prêles, dessen Landwirtschaftsbetrieb La Praye nach der Umnutzung der Anstalt nicht weiter vom Kanton bewirtschaftet wird. Eine erste Tranche von 20,36 Hektaren wurde in 7 Parzellen zu 2,8 bis 
3 Hektaren aufgeteilt, die zur Verpachtung an ortsansässige Landwirte ausgeschrieben wurden. Die Bewerbungsfrist lief bis zum 31. Januar. Die restlichen 120 Hektaren werden nun als Ganzes mit einem langfristigen Pachtvertrag von 30 bis 50 Jahren angeboten.

 

Fast alles steht zum Verkauf

Für die Gebäude von «La Praye» sieht der Kanton folgende Nutzung vor: Zwei Wohnhäuser werden Bestandteil des geplanten Asylzentrums und bleiben im Besitz des Kantons. Die eigentlichen landwirtschaftlichen Gebäude werden im Baurecht vorzugsweise an den künftigen Pächter verkauft. Die Fahrzeugwerkstatt und die Gärtnerei des ehemaligen Jugendheims stehen ebenso zum Verkauf. 60 Prozent der Fläche sind für den Anbau geeignet; der Rest besteht aus Weideland.

 

Was denken die Landwirte?

Dass die Karten für die Bewirtschaftung des weitaus grössten Betriebes auf dem Tessenberg neu verteilt werden, lässt auch die örtlichen Landwirte nicht kalt. Die Reaktionen sind unterschiedlich. Die Weiden von Christian Lecomtes Bison Ranch reichen bis zum Plateau de Diesse. Er glaubt, dass mit der Aufteilung der Parzellen zur Einzelpacht eine Chance zur Güterzusammenlegung verpasst wurde. Die in den 70er-Jahren vorgenommene Flurbereinigung hat sich nämlich im Laufe der Zeit aufgeweicht.

Lecomte hatte bei seinen Berufskollegen und in den Amtsstuben leidenschaftlich für sein Anliegen geweibelt. Heute gäbe es Landwirte aus Nods, die in Lamboing Parzellen bewirtschaften, und das sei doch «unsinnig», meint Lecomte. Die vom Kanton offerierten Flächen wären seiner Meinung nach bestens als «Manövriermasse» für eine neue Gesamtmelioration geeignet. Lecomte bedauert, dass der Kanton die ortsansässigen Landwirte bei der Privatisierung des Staatsbetriebes «La Praye» nicht einbezogen habe. Jedenfalls appelliert er an die Solidarität der Landwirte auf dem Plateau. Diese müssten ihr Schicksal nun selbst in die Hand nehmen, fordert der Betreiber der Bison Ranch.

 

Nicht direkt informiert

Laurent Schwab, der Präsident der Flurgenossenschaft, gilt als besonnener Mann. Seine Sichtweise wird von den meisten der befragten Landwirte auf dem Tessenberg geteilt. Tatsächlich wurde seine Organisation von den kantonalen Behörden nicht direkt über die Privatisierung von «La Praye» informiert. Aber im Vorstand der Flurgenossenschaft wurde der Vorgang wenigstens diskutiert. Am Ende wurde auf eine Stellungnahme verzichtet, berichtet Schwab.

Auch Lecomtes Ideen stossen bei der Flurgenossenschaft auf Zuspruch. Allerdings dürfte sich deren Umsetzung als schwierig erweisen, besonders in der kurzen Zeit, welche bis zur Verpachtung zur Verfügung steht. Der Präsident ist sich überdies nicht sicher, ob der Aufwand einer teilweisen Flurbereinigung auf dem Plateau die erhofften Vorteile bringen würde.

 

Der Kanton nimmt Stellung

Die Leitung des Amtes für Grundstücke und Gebäude bestätigt, dass die Privatisierung von «La Praye» nach internen Beratungen aufgrund von Expertengutachten beschlossen wurde. Die Abtrennung von 20 Hektaren Pachtland zur Stärkung bestehender Landwirtschaftsbetriebe erscheint in diesem Prozess als glückliche Lösung. Auch mit dem Erhalt des 120 Hektaren umfassenden ehemaligen Staatsbetriebes setzt der Kanton ein Zeichen.

Zu der von Christian Lecomte geforderten Vernehmlassung bei den Landwirten erklärt das kantonale Amt: «Der Kanton hat die Gemeinden des Plateau de Diesse sowie den Bernjurassischen Rat schriftlich informiert. Weil aber das Grundstück nicht veräussert werde, wurde die Flurgenossenschaft nicht in die Beratungen einbezogen. Der Kanton bleibt ja Eigentümerin des gesamten Grundstücks.»

Auch die angeschriebenen Institutionen haben sich beim Kanton nicht geäussert.

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