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La Heutte

Wie aus Tannenholz ein Trompe-d’oeil wird

200 Jahre alt ist das Restaurant Fédéral, die letzten 35 Jahren war es geschlossen. Teilweise bemalt mit einer Technik aus der Renaissance und eingerichtet mit Möbeln, so alt wie das Restaurant selber, ist es nun wieder offen.

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Lotti Teuscher

Als Heinz Peter das Restaurant Fédéral in La Heutte zum ersten Mal betrat, war er etwa fünf Jahre alt. Beim Eingang auf einer Stange sass ein Beo. Wenn ein Gast hereinkam, krächzte der Vogel: «Hast Du Geld?» Wenn der Gast das Restaurant verliess, rief der Beo: «Hast Du bezahlt?» Der kleine Heinz trank schnell den Sirup aus, den sein Vater bestellt hatte und lief zur Tür. Er ging hinaus, kam herein, hinaus, herein. Das Kind war fasziniert vom sprechenden Vogel.

Heute gehört das «Fédéral» Heinz Peter. Das Restaurant, oder ist es ein Museum? Die hohen Räume sind in dezenten Grau-, Weiss- und Gelbtönen gestrichen. Darin kommen die alten Tische aus Holz mit Füssen aus Gusseisen zur Geltung. Dies tun auch die schwarz-weissen Fotos an der Wand, die das alte La Heutte mit Gebäuden wie die Fabrikationshalle von Urania Montres zeigen, die längst abgebrannt ist. Von der hohen Standuhr an der Wand, sagt Besitzer Heinz Peter: «Sie läuft und läuft und läuft.» Etwa 200 Jahre alt ist die Uhr; so alt wie das Restaurant. Alles, was die Räumlichkeiten möbliert oder schmückt, hat etwa zwei Jahrhunderte auf dem Buckel, oder ist ein Replikat aus dieser Zeit.

Das «Fédé», wie Peter sein Restaurant liebevoll nennt, wurde etwa 1800 gebaut. Während vieler Jahrzehnte war es Mittelpunkt des Dorfes im Berner Jura – eine klassische Dorfbeiz, in der sich tout le monde traf. Vor etwa 35 Jahren wurde das Restaurant geschlossen, im Innern stand die Zeit still. Bis die Gemeinde das Gebäude vor 17 Jahren kaufte; im ersten Stock logierte die Spitex, das Restaurant wurde ab und zu für Feste vermietet.

 

Böse Überraschungen
Vor zwei Jahren hat Peter das stark renovationsbedürftige Haus für 190 000 Franken gekauft. Der in La Heutte wohnhafte Gartenbauer verschenkt sein Herz an Altes, Altertümliches und Antiquitäten: Er hat kleine Wasserkraftwerke restauriert und produziert Strom. In einem der Kleinkraftwerke steht seine Sammlung mit 30 Nagelschuhen, die er aus dem Rechen vor der Turbine gefischt hat.

Zur Sammlung gehören weiter ein alter Mühlestein, den er in der Schüss gefunden hat und der Wurfstein, den einst die Twanner Turner möglichst weit geworfen hatten (das BT berichtete). Gefunden hat er den schweren, ovalen Stein im Restaurant Fédéral.
Überraschende Funde. Für Überraschungen war auch das alte Restaurant gut. Nachdem die Toilette zwei Mal überlaufen war, liess Peter die Kanalisation überprüfen. Befund: Totalschaden. Der Boden und meterdicke Mauern mussten aufgerissen, neue Leitungen eingezogen werden. Nachdem der Schreiner das Dach angeschaut hatte, machte er einen Kostenvoranschlag in der Höhe von 5000 Franken für Reparaturen. Eine Summe, die nicht ganz ausreichte: Inklusive der Arbeiten, die Peter teils selber durchführte, kostet das Flicken schlussendlich 20 Mal so viel.


Merkwürdige Interessenten
Die Sanierung war vor anderthalb Jahren abgeschlossen, das Restaurant wurde indes erst letzen Samstag eröffnet: «Es war enorm schwierig, einen geeigneten Pächter zu finden», sagt Peter. Eine Bewerberin wollte die opulenten Stuckaturen an der Decke entfernen – vom Denkmalschutz als «absolute Rarität» klassifiziert. Eine andere bemängelte das Holzparkett: Sie hätte aus «hygienischen Gründen», so Peter, lieber einen Teppich gehabt. Ein Interessent hatte das Restaurant kaum betreten, als er erklärte: «Ja i nimm.» Darauf folgte laut Peter drei Wochen lang Terror, weil er sich weigerte, einen Vertrag auszustellen.


Verwandeltes Holz
Eine Besonderheit im «Fédéral» ist der Faux bois an den Wänden, Fensterrahmen und im Windfang des Entrees. Eine Technik, die vor 400 Jahren entwickelt wurde: Man montierte billiges Tannenholz. Um es zu veredeln, wurde die Maserung eines anderen Holzes aufgemalt. Eine Technik, die heute kaum mehr jemand kennt, und die Peter vom Restaurator des Heimatschutzes gelernt hat: Erst wird das Holz hell gestrichen. Wenn die Farbe getrocknet ist, folgt ein weiterer Anstrich in der Farbe des gewünschten Holzes. Mit einer Art Kamm, Pinsel und anderen Werkzeugen wird die nasse Farbe bearbeitet. Das Ergebnis ist eine täuschend echte Maserung.

Echt ist auch der «Schlossschrank» im Speisesaal; einst stand er in einem edlen Hotel in Interlaken. «Ein wenig zu nobel für eine Dorfbeiz», wie Peter sagt. Oder die schweren, verzierten Gussradiatoren, vom Heimatschutz ebenfalls lebenslang verliehen. Der lange Tisch im abgetrennten Saal mit den 16 Holzstühlen stand einst im Jugendheim Prêles. Die Garderobe hat Peters Frau an einer Brocante gekauft. Kugellampen und blau gemusterte Bodenplatten beim Eingang sind Replikate der Originale aus dem 19. Jahrhundert. Kurz: Im alten, respektive neuen «Fédéral» gibt es keinen einzigen Stilbruch.


Nur der Beo fehlt
Immer wieder strecken Dorfbewohner den Kopf zur Tür herein. Sie müssen sich nur noch ein paar Tage gedulden, bis ihre Beiz wieder offen ist. Der Pächter wird italienisch kochen, Mittagsmenüs und Abendessen; Antipasti, Pasta, Panna Cotta und natürlich Pizza. Es gibt einen runden Stammtisch, zum Zvieri Nussgipfel und zum Feierabend Bier. Alles fast wie vor 40 Jahren – nur der Beo beim Eingang fehlt.

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