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Energie

Windparkgegner machen mobil

Hoch über St-Imier, im Grenzgebiet der Kantone Bern und Neuenburg, soll der Windpark Les Quatre Bornes mit zehn Turbinen entstehen. Bis zum 3. März kann sich die Bevölkerung äussern. Noch dieses Jahr wird über das Vorhaben abgestimmt.

Sieht es bald so aus im Grenzgebiet der Kantone Bern und Neuenburg? Bild: zvg/Greenwatt/Visualisierung

Philippe Oudot/pl

In der Gemeindeverwaltung von Sonvilier liegt der Quartierplan für das Windkraftwerk Les Quatre Bornes auf. Die Bevölkerung kann das 2000 Seiten umfassende Dokument bis zum 3. März einsehen. Der Plan kann von der Website der Gemeinde heruntergeladen werden.

Das Kraftwerkprojekt mit zehn Windturbinen liegt im Grenzgebiet der Kantone Bern und Neuenburg. Sieben Generatoren sind auf dem Gemeindeboden von Sonvilier und drei im neuenburgischen Val-de-Ruz geplant.

Rosemarie Jeanneret, Gemeindepräsidentin von Sonvilier, rechnet mit Einsprachen gegen den Windpark (siehe Zweittext). Schliesslich gilt die Annahme des Quartierplans durch die Stimmbürger als Baugenehmigung für das Kraftwerk. Bei einer Konsultativabstimmung im November 2015 hatten sich drei Viertel der Bevölkerung für das Projekt ausgesprochen. Jetzt machen die Gegner mobil.

Bisher agierten die unterschiedlichen Kraftwerkgegner im Alleingang; aber mit der Gründung des Vereins Sauvez L’Echelette (siehe Zweittext) ist eine regelrechte Opposition gegen Les Quatre Bornes entstanden. Wie gross ihr Einfluss wirklich ist, lässt sich schwer abschätzen. Jeanneret sagt: «Die Gegner treten mit Didier Cuche als Zugpferd an. Zudem werden sie vom Verband Freie Landschaft Schweiz unterstützt.»

Von Landwirten lanciert

Das Projekt Les Quatre Bornes wurde von den Landwirten der zwei betroffenen Randregionen angestossen: La Joux-du-Plâne (Gemeinde Val-de-Ruz) und L’Echelette (Gemeinde Sonvilier). Es geht darum, die Wirtschaft breiter abzustützen und eine zusätzliche Einkommensquelle zu schaffen.

Zu diesem Zweck wurde eine GmbH gegründet (Eoliennes La-Joux-Plane - L’Echelette Sàrl). Diese hat die Entwicklung des Kraftwerks dem Energieunternehmen Groupe E Greenwatt SA übertragen. Das Projekt wird durch einen Lenkungsausschuss koordiniert. Dieser besteht aus Vertretern der GmbH, von Greenwatt und der beiden Standortgemeinden, die gleichzeitig das Kopräsidium bekleiden.

Ursprünglich waren elf Windturbinen geplant: sieben auf dem Gebiet von Sonvilier und vier auf jenem von Val-de-Ruz. Aber aufgrund der Beurteilung durch verschiedene Arbeitsgruppen wurde das Vorhaben angepasst. Dabei wurden Aspekte des Umweltschutzes und die Nähe von Wohnhäusern besser berücksichtigt, erklärt Laurent Scacchi, der Projektverantwortliche bei Greenwatt. Auf diese Weise wurde der Standort einer Windturbine auf Neuenburger Seite um 94 Meter verschoben, sodass diese nun auf Berner Boden zu stehen kommt. Die umstrittenste Anlage, die ebenfalls auf Berner Gebiet geplant war, wurde ganz aus dem Windpark gestrichen (die Kritik betraf die Nähe zu Wohnhäusern, den Vogelschutz und das Landschaftsbild).

Im endgültigen Plan misst die geringste Nähe zu einem Wohnhaus 330 Meter. Allerdings, präzisiert Scacchi, handelt es sich um den Hof eines Landwirts, der Mitinhaber der Windpark-GmbH ist. Die Distanz der Anlagen sei eine «hoch emotionale» Frage, so der Projektleiter von Greenwatt. Dabei gebe die Lärmschutzverordnung des Bundes die Mindestentfernung der Turbinen vom Wohngebiet vor. Das zukünftige Kraftwerk Les Quatre Bornes erfülle alle gesetzlichen Anforderungen «bei weitem», so Scacchi.

Das bereinigte Projekt zählt zehn Windkraftmaschinen. Die geplante Jahresproduktion von netto 67 Millionen Kilowattstunden ist vom Verzicht auf die umstrittene Turbine nicht betroffen. Der technische Fortschritt der Energieanlagen würde dieses Manko ausgleichen, erklärt der Vertreter von Greenwatt. Das Windkraftwerk könnte 80 Prozent des Elektrizitätsbedarfs der beiden Gemeinden abdecken - Privathaushalte und Unternehmen zusammen.

Der Quartierplan zeigt für die Maschinen auf Berner Seite eine Höhe von 190 Metern (höchster Punkt der Rotorflügel). Auf Neuenburger Gebiet sind die Anlagen 207 Meter noch. Weshalb dieser Höhenunterschied? Laurent Scacchi dazu: «Zum einen stehen die Turbinen von Joux-du-Plâne rund 50 Meter tiefer als jene in L’Echelette, zum anderen nehmen wir mit der grösseren Höhe Rücksicht auf die Feldlerchen, die dort ihre Nistplätze haben.»

Der Zugang zur Baustelle wird von der Neuenburger Seite aus erfolgen. Dafür müssen im Vorfeld einige Vorarbeiten ausgeführt werden. Der Fachmann von Groupe E Greenwatt SA erklärt, das der jetzt aufliegende Quartierplan einen Rahmen festlegt, der nicht überschritten werden darf. Aber nichts spreche gegen die Anwendung neuer Technologien, die sich während der Umsetzung des Projektes entwickeln. Inzwischen ist die Errichtung von Anlagen ohne die Hilfe von gigantischen Pneukränen möglich, wie sie noch vor kurzem bei der Modernisierung des Kraftwerks Mont-Crosin - Mont-Soleil im Einsatz standen. Heute wird der Kran direkt am Turm der Windanlage angebracht. Die Hebevorrichtung wird mit dem Baufortschritt in die Höhe bewegt und steht für den Transport von Lasten an die Turmspitze zur Verfügung.

Laurent Scacchi erinnert an die Besonderheit des Vorhabens: «Der Windpark Les Quatre Bornes ist entwicklungsfähig. Damit tragen wir der Dauer der Einspracheverfahren Rechnung. Wir streben nicht nach dem Maximum sondern nach dem Optimum.» Die Typenwahl der Windmotoren erfolgt später.

Nutzen für die Region

Das Energieunternehmen Groupe E Greenwatt SA übernimmt die gesamten Investitionskosten von 80 Millionen Franken. Rund 50 Millionen Franken entfallen auf die technischen Anlagen. Die Region wird in mehrerer Hinsicht wirtschaftlichen Nutzen aus dem Projekt ziehen, so das Unternehmen. Allein die Tiefbauarbeiten sind mit 30 Millionen Franken veranschlagt und sollen vor allem durch regionale Baufirmen aufgeführt werden. Während der Betriebsdauer von rund 25 Jahren wird die Betreiberin 4,5 Millionen Franken für Kompensationszahlungen und Verbesserungen der natürlichen Umwelt aufwenden. Die Gemeinde Sonvilier soll als Sitz der künftigen Betreiberfirma alljährlich 180 000 Franken einnehmen.

Ob das Projekt langfristig rentabel sein wird, hängt von der Entwicklung des Strompreises ab. Der Windpark wird von der kostendeckenden Einspeisevergütung (KEV) profitieren. Unter dieser Voraussetzung wäre der Betrieb gesichert. Wegen des tiefen Strompreises in Europa könnte das Unternehmen auf dem freien Strommarkt aber nicht bestehen. Die Zeiten werden sich ändern, sind die Verantwortlichen von Groupe E Greenwatt SA überzeugt: «Die Annahme einer nennenswerten Strompreiserhöhung in den kommenden Jahren scheint realistisch», heisst es in den umfangreichen Projektakten. Im Idealfall würde das Kraftwerk später vom Marktpreis seiner Stromlieferungen existieren und bräuchte keine staatliche Stütze durch die KEV mehr.

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«Eines ist sicher: Der Wind hat gedreht»

Inzwischen rüsten die Gegner des Windkraftwerks kräftig auf. Die künftigen Anlieger haben sich in der Vereinigung Sauvez L’Echelette zusammengeschlossen. Präsident Claude Schönenberg präzisiert: «Wir erheben nicht als Verein Beschwerde gegen das Projekt.» Vielmehr würden die Mitglieder als Einzelpersonen den Rechtsweg beschreiten: «Schliesslich sind sie direkt von den über 200 Meter hohen Maschinen, ihrem Lärm und dem Stroboskopeffekt betroffen».

Immerhin wurde der umstrittene Windgenerator Nummer 11 aus dem Programm gestrichen. Wendet sich der Widerstand von Sauvez L’Echelette nur gegen einzelne Windräder oder gegen das gesamte Projekt?
Claude Schönberg vertritt eine klare Meinung: Der Verzicht auf eine einzelne Anlage sei ein «taktischer Rückzug» der Initianten gewesen, um das Lager der Gegner zu spalten. «Aber sie sind damit gescheitert», so der Vereinspräsident.
Klar werde seine Organisation «alle Maschinen mit Einfluss auf die Lebensqualität» bekämpfen. Dabei können die Gegner auf die Unterstützung von Didier Cuche zählen. Der ehemalige Skistar ist an seinem Wohnort vor allem durch den Stroboskopeffekt von Rotorblättern betroffen. 
Im Vorfeld der Abstimmung in Sonvilier haben die Kraftwerkgegner erfolgreich Unterschriften gesammelt. Soeben haben sie bei den Gemeindebehörden von Sonvilier, St-Imier und Val-de-Ruz eine Petition gegen den Windpark eingereicht. Darin verlangen die Unterzeichner ein «kohärentes Aufwertungs- und Schutzkonzept für Bugnenets-Savagnières» – dem Ort, der inmitten des regionalen Naturparks Chasseral liege. 
Das Anliegen wurde von 1300 Personen unterschrieben, 228 davon sind direkt Betroffene. Damit haben sich praktisch alle Anwohner des geplanten Windparks gegen das Vorhaben gewendet. Wie beurteilt Schönenberg die Chancen des Projektes an der Urne? 2015 hatten noch 75 Prozent der Bevölkerung zugestimmt. «Ich weiss es nicht, aber eines ist sicher: Der Wind hat gedreht.» Viele Unterzeichner der Petition gegen die Anlage hätten sich damals nicht mit dem Windpark auseinandergesetzt. «Aber heute hat sich das Bewusstsein geändert», so Claude Schönenberg.
Der Präsident der Vereinigugn hofft, dass die Stimmbürger von Sonvilier dem Beispiel von Court folgen werden. Dort wurde eine geplante Anlage auf dem Pré-Richard mit grossem Mehr abgelehnt. pho/pl

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«Eine einvernehmliche Lösung bleibt das Ziel»

Die Gegner des Kraftwerks Les Quatre Bornes können sich bis zum 3. März zum Quartierplan äussern. Danach wird die Gemeinde Sonvilier ein Vermittlungsverfahren einleiten, um Konflikte und Widerstände zu bereinigen. «Wir werden die verschiedenen Projektgegner nach inhaltlich ähnlichen Vorbehalten in Gruppen zusammenfassen», erklärt Gemeindepräsidentin Rosemarie Jeanneret. Eine einvernehmliche Lösung bleibe das Ziel, aber «es wird einige geben, die das Angebot nicht wünschen und den Weg durch die Instanzen einschlagen werden», ist sich die Gemeindepräsidentin sicher. 

Am Ende des Vermittlungsverfahrens wird die Gemeindebehörde einen neuen Bericht vorlegen. Dann wird die Bürgerversammlung eingeladen, sich abermals zum Vorhaben zu äussern. Dann wird sich zeigen, ob der Windpark immer noch auf Zustimmung stösst, wie dies 2015 der Fall war. Jeanneret plant diese Abstimmung «diesen Sommer, jedenfalls noch im laufenden Jahr». Bei einem Ja zum Quartierplan geht das Geschäft an das kantonale Amt für Gemeinden und Raumordnung. Der Kanton wird über das Projekt und die Einsprachen befinden. Je nach Entscheid steht den Gegnern der Rechtsweg über die Direktion für Inneres und Justiz, das kantonale Verwaltungsgericht bis zum Bundegericht offen.

Sollte die Bürgerversammlung den Windpark verwerfen, würde sich auch die Gemeinde vom Vorhaben zurückziehen. Wäre diese Entwicklung das endgültige Aus für Les Quatre Bornes und würden die drei bereits bewilligten Windräder auf der Neuenburger Seite nicht gebaut? «Nicht unbedingt», meint Laurent Scacchi. Der Vertreter von Groupe E Greenwatt SA berichtet, dass sein Unternehmen bis heute 3,5 Millionen Franken in den Plan investiert hat. Mit Blick auf die rasche technische Entwicklung bei der Windstromgewinnung könnte das Vorhaben «zu gegebener Zeit» wieder in den Vordergrund rücken.

Zu den drei geplanten Windanlagen auf Neuenburger Boden sagt Scacchi: «Die kantonale Gesetzgebung erlaubt den Betrieb eines Windparks mit nur drei Maschinen.» pho/pl

 

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