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«Wir haben einen Bock geschossen»

Baudirektor Christoph Neuhaus (SVP) hat das Projekt für den Bau einer Lagerhalle beim Inforama Seeland gestoppt: Als Architekten hatte seine Direktion ausgerechnet den Bruder des Pächters gewählt.

Strittiges Lagerhallenprojekt: Zum Inforama Seeland gehört neben den Lehrgebäuden für die Theorie (vorne) auch ein Pachtbetrieb für die Praxis (hinten). Bild: Matthias Käser/a

Beat Kuhn

Im Inforama Seeland bei Ins wird viel theoretisches Wissen über den Gemüseanbau vermittelt. Zu dem landwirtschaftlichen Bildungs-, Beratungs- und Tagungszentrum gehört aber auch ein Bauernhof, dessen Anlagen für Aus- und Weiterbildungszwecke mitbenutzt werden kann. Er befindet sich südlich von den Lehrgebäuden, getrennt durch die Bahnstrecke zwischen Müntschemier und Ins. Eigentümer ist der Kanton, dessen Volkswirtschaftsdirektion die sechs Inforamen führt, betrieben wird er von einem Pächter.

Bei dem Bauernhof besteht zum Teil Sanierungs- beziehungsweise Erneuerungsbedarf, wie Regierungspräsident Christoph Neuhaus (SVP), Vorsteher der Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion ((BVE), erklärt: Das Lager für die Dünge- und Pflanzenschutzmittel, das wie das ganze Inforama aus den 1970er-Jahren stammt, genügt den Gewässerschutzvorgaben nicht mehr. Diese verlangen nämlich, dass diese Mittel getrennt von den landwirtschaftlichen Produkten gelagert werden.Und das ist dort heute nicht der Fall.

Auch der Abfüll- und Waschplatz für die entsprechenden Geräte ist nicht mehr zeitgemäss: Der Waschplatz – genaugenommen sind es mehrere – muss zwingend um Verdunstungsbecken für das Waschen von Feldspritzen ergänzt werden. Zudem ist die Bodenplatte der bestehenden Halle gebrochen. Das kantonale Amt für Wasser und Abfall (AWA) verlangt, dass eine neue Lösung gefunden wird, die die neuen gesetzlichen Bestimmungen erfüllt.


Kommission lehnt Projekt ab
Gemäss einer Machbarkeitsstudie wäre der Bau einer neuen Lagerhalle wirtschaftlicher als eine Sanierung der betroffenen Anlageteile. Über den entsprechenden Kreditantrag in der Höhe von 1,3 Millionen Franken hätte der Grosse Rat im November entscheiden sollen. Dazu ist es schliesslich jedoch nicht gekommen.

Zunächst lehnte die Bau-, Energie-, Verkehrs- und Raumplanungskommission (BAK) den Kredit im Rahmen ihrer Vorberatung für den Grossen Rat ab. Ausschlaggebend für die Ablehnung sei «nebst den hohen Kosten» die zugrundeliegende Machbarkeitsstudie gewesen, «die die Kommission nicht überzeugen konnte», hiess es in der Medienmitteilung zu dem Kommissionsbeschluss. Trotz dieser Ablehnung hätte der Kreditantrag indessen auf der Traktandenliste des Kantonsparlamentes bleiben können.


Neuhaus zieht Reissleine
Doch dann hat Baudirektor Neuhaus das Geschäft zurückgezogen, «weil es in der Vorbereitung einen Fehler gab, der erst in der Kommission offenkundig wurde», wie er sagt. «Wir haben einen Bock geschossen – und zwar einen grossen», räumt er ein. Konkret besteht der Bock darin, dass das kantonale Amt für Grundstücke und Gebäude (AGG) den Architekturauftrag für die Halle ausgerechnet an den Bruder des Bauernhof-Pächters vergeben hat.

«Und das geht nicht», macht Neuhaus klar, «weil es sonst zu irgendwelchen Mutmassungen kommt oder kommen könnte, auch wenn diese jeglicher Grundlage entbehren». Konkreter werden bezüglich möglicher Spekulationen will der Regierungspräsident nicht. Ein denkbarer Verdacht, der aufkommen könnte, wäre zum Beispiel der, dass ein Architekt für seinen Bruder grosszügiger und teurer baut als für einen Nutzer, mit dem er nicht verwandt ist. Unlautere Motive unterstellt Neuhaus zwar niemandem, aber mangelnde Sensibilität: «Einer meiner Mitarbeiter hatte hier das Gespür nicht.»


Lange hat niemand interveniert
Offenbar ist dieser Lapsus im zuständigen AGG unentdeckt geblieben oder hat jedenfalls niemand interveniert. Gemäss Neuhaus hat erst die zuständige Referentin der BAKnach dem Verwandtschaftsgrad gefragt, als ihr all die Dokumente ausgehändigt wurden, die zu dem Projekt gehören. Und die beiden Brüder haben nicht etwa einen Dutzendnamen wie Meier oder Müller, sondern im Gegenteil einen, der in der Schweiz äusserst selten ist, wie schon ein kurzerBlick ins Internet-Telefonverzeichnis tel.search.ch zeigt. Die Vermutung, dass die beiden miteinander verwandt sind, drängt sich nachgerade auf – und lässt sich dann leicht klären.

Man habe den Fall innerhalb des AGG thematisiert, damit sich so etwas nicht wiederhole, sagt Neuhaus. Dabei habe man das ganze Amt sensibilisiert. Zudem habe man sich überlegt, welche Massnahmen getroffen werden könnten. Dabei habe man beschlossen, dass Auftragnehmer künftig eine Erklärung bezüglich allfälliger persönlicher Verflechtungen ausfüllen müssen. Auf die Frage, ob die Angelegenheit auch personelle Konsequenzen habe, meint Neuhaus: «Der betreffende Mitarbeiter hat uns verlassen.»


Projekt wird durchleuchtet
Neuhaus will das Projekt nun «kritisch röntgen» lassen, wie er sich ausdrückt. Was meint er damit konkret? «Wir haben einen externen, neutralen Experten bestellt der das Projekt kritisch hinterfragen soll», so der Baudirektor. «Die Resultate werden in den weiteren Prozess einfliessen.» Die vorberatende Kommission hat das Projekt wie erwähnt abgelehnt, weil es ihr mit Kosten von 1,3 Millionen Franken zu teuer ist und ausserdem missfällt – die peinliche Vergabe hat sie öffentlich nicht kommuniziert. Sollte man also nicht mit einer Sanierung der Halle vorlieb nehmen? Dazu meint Neuhaus, er wisse zwar, dass das Projekt in der BAK sehr umstritten gewesen sei. Doch gibt er zu bedenken: «Eine Renovation oder Teilrenovation würde im Vergleich zu einem Neubau ebenfalls hohe Kosten verursachen.»

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