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Gastronomie

Wenn das Essen schon fast angerichtet ist

In der Regel hat es für ein Unternehmen keine negativen Konsequenzen, wenn es ein Weihnachtsessen storniert. Für die kurzfristigen Absagen verlangen die Wirte nun aber eine Entschädigung.

Symbolbild: bt/a

Manuela Habegger

Lange sah es so aus, als könnte man sich dieses Jahr wieder mit seinen Arbeitskollegen und Arbeitskolleginnen in einem Restaurant amüsieren, auch im grösseren Kreis. Bei den Wirten in der Region gingen daher viele Reservationen für die traditionellen Weihnachtsfeiern ein. Doch neben den ohnehin steigenden Corona-Fallzahlen hat die Omikron-Mutation die Stimmung nun aber definitiv gekippt: «Wir haben sehr viele Stornierungen», sagt etwa Sandro Bianchin, der gemeinsam mit Laura Stauffer das Bieler «Ecluse», das «Sauvage» und das «Lokal» betreibt.

Vor allem die grösseren Gruppen sagen nun reihenweise ihre Buchungen ab: «Meist kommt auch eine Weisung beispielsweise vom Firmensitz, weshalb die regionalen Filialen die Essen absagen müssen, erklärt der Gastronom. Damit ist er längst nicht der Einzige: «Wir hatten im Rotonde sechs Bankette mit jeweils zwischen 50 und 120 Gästen in Planung. Sie wurden alle abgesagt», sagt Eric Rouchon, Mitinhaber der Stadthaus AG, zu der das Bieler «Rotonde» wie auch das Restaurant Stadthaus in Nidau gehört.

 

Waren bereits eingekauft

Die Absagen stossen bei den Gastronomen zwar auf Verständnis: «Niemand sagt einfach so ab, auch die Firmen sind sehr enttäuscht, dass sie die Weihnachtsessen für ihre Mitarbeitenden nicht anbieten können», sagt dazu etwa Sandro Bianchin. Besonders schmerzhaft für die Gastronomen: Dank Zertifikatspflicht waren grössere Anlässe wieder möglich. Dies hatte auch umfangreichere Buchungen zur Folge. Beim Bieler Rotonde zählen dazu etwa Reservationen von Uhrenfirmen oder der Stadt Biel. Rund 100 000 Franken entgehen dem Restaurantbetrieb für die stornierten sechs Bankette im Dezember.

Die Umsatzeinbussen addieren sich zu jenen der Vormonate. So hat der Betrieb im November bereits ein Minus von 60 000 in den Büchern, im Oktober waren es 50 000 und im September 30 000 Franken. Die Kunden entschuldigten sich für die Absagen und sprächen vom nächsten Jahr, was auch schön sei, sagt Eric Rouchon. «Aber das hilft uns halt jetzt auch nicht weiter. Wie viele andere Restaurants brauchen wir die Feiertage, um das Jahr gut abzuschliessen.»

Das Rotonde musste bereits in der ersten Jahreshälfte einen Verlust hinnehmen und hätte diesen nun mit dem Weihnachtsgeschäft etwas aufholen wollen. «Damit wird das aber jetzt nichts mehr», sagt er. Das Problem dabei sind nicht nur die entgangenen Buchungen, sondern auch die vielen Tische, die für die grossen Gruppen reserviert wurden.

Für Weihnachtsessen bietet auch das Ecluse das ganze Lokal an: «Wenn eine Firma ihren Anlass nun storniert, können wir natürlich nicht verlangen, dass sie unsere Einnahmen deckt. Trotzdem haben wir dadurch nun Tische blockiert», erklärt Sandro Bianchin. Bei solch gewichtigen Absagen suche man aber gemeinsam nach Lösungen, etwa mit Gutscheinen. «Bei einer Gruppe konnten wir den Anlass auch in den Frühling verschieben, das ist natürlich auch schön», sagt er.

 

Zur Unzeit gekündigt

Auch das Bieler Rotonde zeigt in solchen Fällen, also bei frühzeitigen Absagen, Kulanz: «Wenn jemand fünf Tage vorher ein Bankett mit 70 Personen storniert, ist das natürlich kein Problem. Das müssen wir hinnehmen», sagt Eric Rouchon. «Wir haben aber aktuell drei Firmen aus der Region, die innerhalb weniger als 72 Stunden vor der Feier abgesagt haben, teilweise auch erst am Vortag. Daher mussten wir in diesen Fällen bereits eingekaufte Lebensmittel in Rechnung stellen, und auch einen Teil des entgangenen Gewinns», sagt der Gastronom. Konkret verrechnet das Rotonde nun rund 1000 bis maximal 2000 Franken. Ein durchschnittliches Bankett kostet dabei zirka 16 000 Franken.

Auch bei anderen Wirten wie bei Sandro Bianchin oder Urs Cieli vom Restaurant Stadthaus in Nidau gilt die Regel: Sobald Waren bereits eingekauft wurden, wird zumindest für einen Teil der Ausgaben der Kunde belangt: «Wir versuchen dabei, die Waren möglichst kurzfristig einzukaufen, weil die Lage sehr fragil ist. Wenn wir aber bereits Lebensmittel in der Küche stehen haben, stellen wir die entstandenen Kosten in Rechnung», sagt Urs Cieli.

Eine Entschädigung für die bereits entstandenen Kosten zu verlangen, ist denn auch legitim: «Die Weihnachtsessen in der Gastronomie sind grundsätzlich als Auftrag zu definieren», sagt dazu nämlich der Bieler Rechtsanwalt Yannick Gloor von der Kanzlei Weissberg Bütikofer Advokatur. Laut Rechtsanwalt Gloor dürfen solche Aufträge zwar jederzeit widerrufen werden. Allerdings müssen dem Auftragnehmer die Aufwände, die bereits angefallen sind, ersetzt werden. Bei Weihnachtsessen sind das also die Einkäufe, die ein Gastronom bereits getätigt hat, sofern sie nutzlos geworden sind. Dazu gehören laut Gloor aber grundsätzlich keine entgangenen Einnahmen: «Leere Tische, die man wegen Stornierungen nicht mehr besetzen kann, und damit entgangene Gewinne, dürfen grundsätzlich nicht in Rechnung gestellt werden», sagt der Rechtsanwalt.

Da beim Restaurant Rotonde nun aber das ganze Lokal gebucht und der Auftrag sehr kurzfristig storniert wurde, meint der Experte: «Eine Absage am Vortag ist meines Erachtens eine Kündigung zur Unzeit». Nebst den unnütz gewordenen Dispositionen könne man hier den entgangenen Gewinn verrechnen, wenn andere entgeltliche Aufträge nachweisbar abgelehnt worden seien und eine Kompensation durch neue Aufträge nicht möglich sei. Die Schwierigkeit bestehe allerdings darin, dies vor Gericht zu beweisen, so Gloor.

Das muss das Rotonde auch nicht, denn auch die Firmen zeigen sich verständnisvoll: «Die drei Unternehmen haben das sehr gut verstanden und haben mir von sich aus angeboten, sich an den angefallenen Kosten zu beteiligen», sagt Eric Rouchon.

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