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Landwirtschaft

Wo Seeländer Milch zu Emmentalerkäse wird

Trinkmilch, Joghurt, Quark, Butter, Rahm, Käse und Ziger – das alles produziert Käsermeister Beat Reist mit seinem Team in der Käserei in Wengi. Neu gibt es Joghurt und Quark aus Heumilch. Sie stammt von Kühen, deren Wohl den Bauern am Herzen liegt.

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Käserei Wengi, Video 4: bjg

von Brigitte Jeckelmann

Morgens um halb acht ist Käsermeister Beat Reist schon seit fünf Stunden auf den Beinen. Vor der Käserei in Wengi haben gerade die letzten beiden Bauern ihre Milch abgeliefert. Einer braust im Wagen davon. Der andere schnappt sich seinen Veloanhänger mit zwei leeren Kannen und joggt locker mit der Last im Schlepptau in Richtung seines Hofes. Aus der Käserei dringt ein Zischen und ein Stampfen, wie aus einer Fabrik. Beim Blick nach drinnen zeigt sich ein Gewirr aus Stahlrohren, Tanks, Kesseln und Kübeln. Die Wände sind weiss gekachelt. Drei Männer ganz in Weiss, vom Käppi bis zu den Gummistiefeln, hantieren in den Räumen. Chef des Trios ist Beat Reist, zur Seite stehen ihm Raphael Zwicky, Lehrling im zweiten Ausbildungsjahr und der gelernte Käser Markus Studer. Zwicky und Reist füllen gerade frische Butter ab. Zwicky taucht eine Holzkelle in den Butterberg auf dem Tisch, dann streicht er mit einem Schaber darüber. So erhält er Portionen von genau hundert Gramm. Dann legt er die Butterstücke auf eine goldfarbene Folie. Reist wickelt sei ein und legt sie in eine Harasse.
20 Jahre in der «Chäsi»

Beat Reist führt die Käserei als selbstständiger Milchkäufer für die Genossenschaft Regio Chäsi Wengi. Er verarbeitet die Milch von 16 Bauern, Mitglieder der Genossenschaft. Das Gebäude und die Einrichtung sind im Besitz der Genossenschaft, Reist hat sie gemietet. Genossenschafter und Käser arbeiten Hand in Hand: Die Bauern liefern die Milch, Reist ist zuständig für die Verarbeitung und die Vermarktung.

Die Produkte liefert er an fast 30 Lebensmittelgeschäfte in der Region, verkauft sie aber auch im eigenen Laden in der Käserei. Der Laden ist das Reich seiner Ehefrau Regula. Kürzlich feierte das Paar sein 20-Jahr-Jubiläum in der Regio Chäsi Wengi. Fritz Wyss, Genossenschaftspräsident und Landwirt, ist über Beat Reist und sein Team des Lobes voll: «Es ist unbezahlbar, was die Käserfamilie Reist und das Team die letzten 20 Jahre in der Regio Chäsi Wengi und damit auch für uns Milchproduzenten geleistet hat.»

Die Milch der Genossenschaftsbauern verarbeiten Reist und seine Truppe zu einer Vielzahl von Produkten: Trinkmilch, Quark und Jogurt in über 20 verschiedenen Geschmacksrichtungen, Butter, Rahm und Ziger. Dazu kommen Spezialkäsesorten wie «Näbuchäs», «Limpachtaler» und «Wengi Frosch», Hobelkäse sowie der bekannte Emmentaler AOP. Das ist die geschützte Bezeichnung «Appellation d’Origine Protégée». Rund 90 Prozent der eingelieferten Milch verarbeiten Reist und sein Team zu dieser Käsespezialität.


Nischenprdukt Heumilch
Jüngst setzt die Regio Chäsi Wengi auf Heumilch. Das ist Milch aus tierfreundlicher Haltung und natürlicher Fütterung mit Gras, Heu, ohne Silage und nur wenig Kraftfutter. Für Hansuli Huber, Geschäftsführer beim Schweizer Tierschutz STS, ist Heumilch ein guter Ansatz: «Sie erfüllt die Anforderungen des Raus-Programms des Bundes, was wir begrüssen.» Das Programm schreibt Weidegang für die Kühe an mindestens 26 Tagen monatlich während der Weidesaison vor. Im Winter sind es 13 Tage oder alternativ ganzjähriger Zugang zu einem Laufhof.

Davon haben neben den Tieren auch die Konsumenten Vorteile: Je mehr Wiesenfutter die Kühe fressen, umso mehr gesunde Omega-3-Fettsäuren enthält die Milch. Das haben Wissenschaftler von Agroscope, der Forschungsanstalt des Bundes um Walter Bisig in Untersuchungen festgestellt: «Mit drei Portionen solcher Milch täglich kann man den Bedarf an Omega-3-Fettsäuren mindestens zur Hälfte decken», sagt Bisig.

Genossenschaftspräsident Fritz Wyss begründet den Entschluss zum Label Heumilch mit einem «Mehrwert für die Konsumenten». Zudem sei man überzeugt, damit «im Trend der Zeit zu liegen». Die Regio Chäsi Wengi ist bislang die erste Käserei im Kanton Bern, die der Schweizerischen Vereinigung Heumilch beigetreten ist.


Eher kleine Kuhbestände
Das Tierwohl liege allen Genossenschaftsbauern, allesamt Betriebe mit eher kleinen Kuhbeständen von maximal 40 Tieren, seit jeher am Herz, sagt Fritz Wyss. «Und eigentlich haben wir schon immer Heumilch produziert, nur hat man das bisher noch nie speziell so erwähnt.» Käsereigenossenschaften haben in der Schweiz Tradition: Vier Jahre nachdem Jeremias Gotthelf 1850 seinen Roman «Die Käserei in der Vehfreude» veröffentlicht hatte, nahm die erste «Chäsi» in Wengi ihren Betrieb auf. Blühten die Milchwirtschaft und das Käsegeschäft damals auf, können Landwirte heute kaum noch davon leben. Die Regio Chäsi Wengi ist ein Abbild davon (siehe Zweittext rechts). Zurück in die Käserei. Inzwischen bereitet Käser Markus Studer die Kultur aus Milchsäurebakterien und Labferment vor für die zweite Charge Emmentalerkäse. Rund 3000 Kilogramm Milch schwappen schon in einem Kessel. Studer hat sie stufenweise auf exakt 53 Grad Celsius erwärmt. Dann giesst er Ein Gemisch aus Bakterien und Labferment hinein. Zunächst geschieht nichts. Erst nach einer guten Viertelstunde wird die Milch dicker, dann fängt das Eiweiss an auszuflocken. Es bilden sich Körner. Sanft bewegt das Rührwerk die Milch im Kreis herum. Dabei zischt es gewaltig aus den drei Kesseln daneben, die der Käsefachmann Formen nennt. In diese fliesst die Käseflüssigkeit. Im oberen Teil der Kessel bleibt die feste Masse. Unten fliesst die Flüssigkeit, die Molke, mit Druck in ein Stahlbecken.

Eine Stunde später ist es so weit: Flüssigkeit und Käse sind voneinander getrennt. Markus Studer prüft nach, hüpft von Kessel zu Kessel, lüpft die Deckel, blickt hinein, montiert Rohre ab und wieder an. Dann legt er runde Kunststoffteile auf die Formen  mit dem Käse und befestigt eine Art Schraubzwinge darauf. Wozu? «Jetzt kommt Druck auf den Käse», sagt Studer. Erst 600 Kilo, dann langsam ansteigend bis gegen zwei Tonnen pressen bis am folgenden Morgen auch noch den letzten Rest Molke aus dem jungen Käse, bevor er für mehrere Monate im Keller reift.

Um die Mittagszeit wird es ruhig in der Käserei. Zwicky, Studer und Reist haben Kübel und Kessel geputzt. Ab 17 Uhr liefern die Bauern die Milch vom Abendmelken an.
 

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In der Milch stecken gesunde Stoffe
Fachleute sind sich einig: Milch und Milchprodukte sind wertvoll für die menschliche Ernährung. Sie enthalten Mineralstoffe, aber auch verschiedene Vitamine, Fette und Eiweisse. Als Eiweisslieferant schneiden Milchprodukte im Vergleich mit Fleisch, Fisch, Eiern und Tofu sogar besser ab. Grund: «Sie liefern zusätzlich nennenswerte Mengen an Calcium, wir empfehlen täglich drei Portionen davon», sagt Charlotte Weidmann Schneider, Ernährungsberaterin bei der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung. Eine Portion entspricht entweder zwei Dezilitern Milch, 150 bis 200 Gramm Joghurt, Quark, Hüttenkäse und anderen Milchprodukten oder 30 Gramm Halbhart- und Hartkäse oder 60 Gramm Weichkäse.

Studienarzt Stefan Kabisch vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam-Rehbrücke stuft Milch und Milchprodukte für Veganer und Vegetarier sogar als «nahezu lebensnotwendig» ein, um eine ausreichende Versorgung mit Jod, Calcium und Eiweiss zu ermöglichen. Gegenüber Milch haben die fermentierten Milchprodukte den Vorteil, dass sie Menschen mit einer Unverträglichkeit gegen Milchzucker besser vertragen.

Zudem gibt es laut Stefan Kabisch Hinweise, dass die darin enthaltenen Fettsäuren den Blutzucker und bestimmte Entzündungsprozesse günstig beeinflussen. Dies müssten aber Langzeitstudien noch besser belegen. bjg

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Käsereien im Seeland
2005 haben mehrere Käsereigenossenschaften zur Regio Chäsi Wengi fusioniert. Von den 33 Milchlieferanten der neuen Genossenschaft sind es heute noch gerade mal 16. Käsereimeister Beat Reist verarbeitet aktuell jährlich rund 2,3 Millionen Kilogramm Milch. Vor der Liberalisierung des Milchmarkts vor 25 Jahren gab es im Seeland Dutzende kleinere Käsereien. Heute gibt es noch etwa ein halbes Dutzend. Auch die Zahl der Milchbauern ging stark zurück. In Täuffelen waren es 1954 48. Davon sind zwei übrig geblieben. bjg

Stichwörter: Käserei, Emmentaler, Quark

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