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Landwirtschaft

Seeländer Teilzeitbauer setzt auf Bio-Soja

Andreas Scheurer hat kürzlich zum vierten Mal Bio-Sojabohnen geerntet. Daraus entsteht Tofu, das bei Schweizer Konsumenten immer beliebter wird. Auch Grossverteiler, die Forschungsanstalt Agroscope, Bio Suisse und das Forschungsinstitut für Biologischen Landbau sehen in Schweizer Bio-Tofu eine Chance für die Bauern. In der Kritik hingegen steht der Sojaanbau für Tierfutter.

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Brigitte Jeckelmann

Schweizer wollen immer mehr Tofu essen. Aber solchen aus inländischen Bio-Sojabohnen. Aus diesem Grund hat das Forschungsinstitut für Biologischen Landbau, unterstützt vom Nachhaltigkeitsfonds des Grossverteilers Coop, vor drei Jahren ein Forschungsprogramm gestartet. Es sollte den Bauern Hilfe zum Anbau bieten und Akteure der Schweizer Bio-Soja-Marktkette vernetzen. Als Projektpartner sind unter anderen die Mühle Rytz in Biberen dabei, die eidgenössische Forschungsanstalt Agroscope und der Dachverband Bio Suisse. Gemäss dem Bundesamt für Statistik haben im letzten Jahr schweizweit rund 120 Biobetriebe Soja angebaut.


Viel Unkraut auf dem Sojafeld
Auch Bauern aus dem Seeland wollen diese Marktnische für sich nutzen. Einer von ihnen ist Andreas Scheurer aus Kallnach. Dieses Jahr fährt er bereits die vierte Ernte ein, seit fünf Jahren ist sein Betrieb mit Mutterkuhhaltung, Rüebli, Brotweizen und eben Soja ein Bio-Vollknospenbetrieb. Vor acht Jahren hat er den Hof von seinem Vater übernommen, der heute als sein Angestellter weiter tatkräftig bei der täglichen Arbeit im Stall und auf dem Feld mithilft. Scheurer hat nach seinem Erstberuf als gelernter Landwirt Agronomie studiert. Heute arbeitet er als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Lehrer für Tierernährung mit Schwerpunkt Wiederkäuer zu einem Pensum von 70 Prozent an der Berner Fachhochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften. «Ich bin also Teilzeitbauer», sagt er und lacht, als er an diesem Vormittag auf seinem Sojafeld ausserhalb von Kallnach am Rand des Grossen Mooses steht. Auf einer Fläche von 120 Aren hat er die Bohnen im Mai angebaut.

Die trockene Witterung hat dem Wachstum der Sojapflanzen nicht geschadet. Die wenigen Regenfälle zwischendurch haben dann aber dafür gesorgt, dass leider auch das Unkraut kräftig in die Höhe geschossen ist, ein generelles Problem im Bio-Landbau. «Doch damit muss man leben können», sagt Andreas Scheurer, der eine pragmatische Sichtweise pflegt. Falls die Ernte dieses Jahr zu stark mit Unkraut verunreinigt ist, habe er immer noch die Möglichkeit, sein Speisesoja als Tierfutter zu verkaufen.


Soja passt gut in Fruchtfolge
Auf die Idee zum Sojaanbau hat ihn Peter Rytz von der Mühle Rytz in Biberen gebracht. Dorthin liefert Scheurer auch seinen Brotweizen ab. «Er hat mich gefragt, ob ich mich dafür interessieren würde, weil er noch Produzenten benötigte», erinnert sich Scheurer. Also habe er es ausprobiert. Beim Entscheid mitgeholfen habe, «dass Soja auf meinem Betrieb gut in die Fruchtfolge passt». Fruchtfolge bedeutet, die Ackerflächen jedes Jahr anders zu bepflanzen. Das tut dem Boden gut. Gerade die Sojapflanze, die als Leguminose kaum Dünger benötigt, ist der Bodengesundheit besonders zuträglich. Denn Soja entzieht dem Boden viel weniger Nährstoffe als etwa Mais.

Jetzt, gegen Ende September, sind die Bohnen reif zur Ernte. Das ist sogar hörbar: Während des Gesprächs platzen immer wieder Hülsen mit einem leisen «Plopp» auf. Zunächst ist Scheurer unschlüssig, ob er noch einen oder zwei Tage warten soll, bevor er den Mähdrescher bestellt. Nach einem kurzen Telefonat an Peter Rytz ist alles klar: Der Mähdrescher wird gleich am Nachmittag antreten.


«Vegetarischer Markt wächst»
Einige Stunden später: Trotz des üppig gewachsenen Unkrauts ist die Ernte für Andreas Scheurer ergiebiger ausgefallen als erwartet: Über zweieinhalb Tonnen Sojabohnen füllen Ende des Nachmittags den Korntank des Mähdreschers. Noch gleichentags fährt er die Ernte in die Mühle Rytz nach Biberen. Der Betrieb bereitet seit über zwanzig Jahren unter anderem biologisches Brot- und Futtergetreide sowie Ölsaaten und Spezialitäten auf zur Weiterverarbeitung.

Maschinen in der Mühle reinigen die Sojabohnen vom Unkraut und trocknen sie bis auf einen Feuchtigkeitsgehalt von elf Prozent. Dann warten sie in Säcken abgefüllt auf die Käufer, Tofu-Hersteller aus der ganzen Schweiz. Insgesamt beziehen rund zehn Verarbeitungsbetriebe ihr Soja bei der Mühle Rytz, Hauptkunde ist der Grossverteiler Coop.

Peter Rytz, der die Geschäftsleitung letztes Jahr an Sohn Christian übergeben hat, erinnert sich an die Anfänge: «Damals haben mich alle ausgelacht», sagt er. Die Preise für Sojabohnen seien gegenüber anderen Ackerfrüchten schlecht gewesen. Rytz war aber damals wie auch heute überzeugt: «Der vegetarische Markt wird wachsen.» Seinen Schätzungen zufolge bauen in der Region Seeland etwa zehn Bio Bauern Soja an. Inzwischen ist laut Rytz die Nachfrage für inländisches Bio-Speisesoja massiv gestiegen. Immer mehr Bio-Bauern sprangen auf den Zug auf, sodass die Liefermengen kontingentiert sind und Rytz momentan keine neuen Lieferanten mehr annehmen kann. Andreas Scheurer kann deshalb maximal 1,9 Tonnen zum Preis von 223 Franken pro 100 Kilogramm für Speisesoja bei Rytz losschlagen. Die restlichen rund 600 Kilogramm werden zu Tierfutter verarbeitet. Dafür bekommt er aktuell pro Zentner noch 120 Franken.

Interessanterweise mögen weder Peter Rytz noch Andreas Scheurer den Tofu gerne essen. Letzterer kann sich mit dem Geschmack nicht anfreunden und beisst «lieber in ein saftiges Steak». Claude Alain Betrix von Agroscope, der Bundesforschungsanstalt, arbeitet seit Jahren daran, den «typischen krautigen Geschmack» der Sojabohne zu verbessern. «Durch Kreuzung und klassische Selektion ist uns das gelungen», sagt er. Die Sorte Aveline zum Beispiel schmecke leicht haselnussig.


Anbau in der Schweiz limitiert
Die Sojabohne stammt ursprünglich aus Asien. Wie gut eignet sie sich denn überhaupt für den Anbau in der Schweiz mit ihrem eher rauen Klima? «Daran arbeiten wir seit 1981», sagt Claude Alain Betrix. Inzwischen seien die heutigen Sorten gut an die Verhältnisse in den landwirtschaftlichen Regionen des Mittellandes angepasst. Könnte der Anbau von Futtersoja für Bauern also künftig eine lukrative Alternative zu anderen Kulturen sein? Darüber sind sich die Fachleute uneins.

Die jährlichen Importe von Sojaschrot in der Höhe von rund 300000 Tonnen stehen einer inländischen Produktion von fünf- bis sechstausend Tonnen gegenüber. Diese entspricht laut Stephan Scheuner von der Branchenorganisation Swiss Granum der vertraglichen Abnahmegarantie der Futtermittelhändler.

Scheuner sagt, die Schweiz würde niemals mehrere hunderttausend Tonnen Soja produzieren können, schon der kleinen Flächenverhältnisse wegen. Auch die klimatischen Bedingungen hält er nicht für ideal. Zudem seien die Preise für Futtersoja im Vergleich zu anderen Kulturen nicht besonders attraktiv für Bauern. Aus diesen Gründen ist für Scheuner das Entwicklungspotenzial limitiert.

Claude Alain Betrix von Agroscope dagegen hält fest, dass leistungsstarke Sojasorten in der Schweiz vorhanden wären und mehr Soja in der Schweiz angebaut werden könnte. Er sieht das Problem eher in den «sehr tiefen Preisen» von Sojabohnen in den klassischen Anbauländern, weshalb inländische Käufer wohl eher billige Importe bevorzugten.

Auch Matthias Klaiss vom Forschungsinstitut für Biologischen Landbau sieht im Anbau von Futtersoja für Bauern eine Chance. «Da es sehr viele Ackerbaubetriebe gibt, die auf Bio umstellen und sich der Markt für viele Bio-Ackerkulturen eher der Sättigung nähert, ist Futtersojaanbau eine gute Lösung.» Gegenüber dem konventionellen Anbau seien zudem die Preise für Bio-Futtersoja «viel attraktiver». Zudem sei die Nachfrage nach inländischem Bio-Futtersoja riesig.
Hinzu kommt, dass ab 2022 gemäss Bio-Suisse-Richtlinien Wiederkäuer ausschliesslich mit inländischem Knospe-Futter gefüttert werden dürfen. Ania Biasio von Bio Suisse: «Deswegen wird es interessant, vermehrt Soja anzubauen.» Weil Bio Suisse zudem Soja mit Förderbeiträgen von 20 Franken pro Dezitonne unterstützt, «erwarten wir eine Zunahme des Bio-Sojaanbaus zu Futterzwecken in der Schweiz». Fachleute von Greenpeace kritisieren jedoch den Anbau von Tierfutter generell, besonders jenen von Soja (siehe Interview rechts).

Matthias Klaiss, Bio Suisse und Coop gehen davon aus, dass die Nachfrage nach Bio-Speisesoja weiter zunimmt. Für Biobauer Andreas Scheurer ist klar: Auch nächstes Jahr will er wieder Soja anbauen. Und vielleicht kommt er ja früher oder später doch noch auf den Geschmack von Tofu.

 

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«Das ist kein Grund für ein ruhiges Gewissen»
Der Anbau von Soja boomt weltweit: Laut dem Soja-Report des WWF aus dem Jahr 2014 verzehnfachte sich die Produktion in den letzten 50 Jahren auf fast 270 Millionen Tonnen. Die Anbaufläche entspricht mit einer Million Quadratkilometern der Gesamtfläche von Frankreich, Belgien, Deutschland und den Niederlanden zusammen. Das stärkste Wachstum verzeichnete Südamerika mit 123 Prozent. Dieses enorme Wachstum geht auf Kosten der Umwelt: Regenwälder, Grasland und Savannen müssen Ackerflächen weichen. Mit verheerenden Folgen: Artenschwund, Wasserverschmutzung und Bodenerosion sind nur einige Beispiele. Kein Wunder haftet an Soja ein schlechtes Image.

Laut der Branchenorganisation Swiss Granum importierte die Schweiz im vergangenen Jahr 273231 Tonnen Sojaschrot für die Tierfütterung. Davon stammen gemäss dem Verein Netzwerk Soja 99 Prozent aus nachhaltigem Anbau. Dafür setzt sich der Verein, ein Zusammenschluss der grössten Akteure im Schweizer Agrarmarkt, seit Jahren ein. Mitglieder sind unter anderem Coop, Migros, Aldi, der Schweizerische Bauernverband, die Dachorganisation Schweizer Milchproduzenten, Suisseporcs und Fenaco.

Dennoch gibt es keinen Grund zur Entwarnung: Der Umweltwissenschaftler Philippe Schenkel von Greenpeace Schweiz spricht über weiterhin bestehende Probleme im Sojaanbau und stellt grundsätzlich infrage, Soja an Tiere zu verfüttern.


Philippe Schenkel, fast hundert Prozent des importierten Futtersojas in der Schweiz sollen aus nachhaltigem Anbau stammen. Können Konsumenten hierzulande also mit gutem Gewissen Fleisch von Tieren essen, die solches Futter bekommen haben?
Philippe Schenkel: Von nachhaltigem Soja zu sprechen, ist doch arg schönfärberisch. Korrekt ist, dass die Schweiz kein gentechnisch verändertes Soja importiert und dank dem Soja-Moratorium seit rund zehn Jahren weniger Urwald im Amazonas abgeholzt wird. Aber es gibt weiterhin grosse Probleme im Sojaanbau (2006 hatte Greenpeace mit dem Bericht «Wir essen Amazonien auf» den internationalen Druck auf die Lebensmittel- und Futterindustrie verstärkt, was in der Folge zum Moratorium führte. Anm. d. Red.)


Welche?
Die Expansion des Sojaanbaus in Brasilien findet seit einigen Jahren in den grossen Savannenwäldern Cerrado und Chaco statt. Diese sind weniger bekannt als der Amazonas, aber es sind ebenfalls sehr artenreiche und wertvolle Ökosysteme. Momentan sind diese Gebiete zum grössten Teil nicht geschützt und Schätzungen besagen, dass bereits gegen 50 Prozent des Cerrados in Brasilien zu Ackerland konvertiert sind. Die Folgen für Mensch und Natur sind dieselben wie beim Abholzen von Urwäldern.
Immerhin können Schweizer Konsumenten sicher sein, dass ihr Filet auf dem Teller frei von gentechnisch verändertem Soja ist.
Das ist trotzdem kein Grund für ein ruhiges Gewissen. Auch der Anbau von solchem Soja benötigt grosse Mengen an Düngern und Pestiziden. Es handelt sich ja nicht um Bio-Anbau, sondern um eine hochintensive, industrielle Landwirtschaft in riesigem Ausmass.


Schlagen Sie eine Lösung vor
Auf Ackerflächen sollten primär Lebensmittel für Menschen angebaut werden. Denn pflanzliche Kalorien sind aus ökologischer Sicht um ein Vielfaches effizienter als tierische Kalorien. Wiederkäuer sollten nur auf Flächen gehalten werden, die nicht direkt für den Anbau menschlicher Nahrung geeignet sind. In der Schweiz also auf Wiesen und Weiden im Berg- und Alpengebiet. Schweine und Hühner sollten nur so viele gehalten werden, wie man mit landwirtschaftlichen Nebenprodukten sowie Abfällen aus der Lebensmittelproduktion ernähren kann. Dadurch würden grosse landwirtschaftliche Flächen frei, auf denen man heute Futtermittel anbaut.


Wie beurteilen Sie den Anbau von Speisesoja?
Das hingegen macht Sinn. Schon dem Boden würde das zugute kommen. bjg

Stichwörter: Bauer, Soja, Landwirtschaft

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