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Dido-Braten und Aeneas-Stückchen

Was sind denn diese «Dido und Aeneas»? Die beiden Produkte stehen auf der gemeinsamen Einkaufsliste. Die Liste hängt in der Küche und wird im Verlauf der Woche für den Samstagseinkauf mit den fehlenden Haushaltartikeln und Lebensmitteln gefüllt.

Bild: Niklaus Baschung

Niklaus Baschung

Jetzt, da die Kinder ausgeflogen sind, wird sie immer übersichtlicher. Früher konnte da plötzlich in Grossbuchstaben «KEIN FLEISCH» gekontert von «VIEL FLEISCH» stehen, als Ausdruck der unterschiedlichen Haltungen zum Fleischkonsum innerhalb der Familie.

Nun also sind zwischen WC-Papier, Origano und Zahnpasta diese Dido und Aeneas notiert, gefolgt von 300 Gramm gehacktem Rindfleisch, Couscous, Erdbeeren nur CH. Ich stehe mit dem Zettel im Supermarkt und habe noch nie von diesen beiden Waren gehört. Am naheliegendsten sind Schreibfehler. Mit Aeneas müssen wahrscheinlich Ananas gemeint sein. Und Dido? Ich kenne nur Dida, der spielte doch 2006 während der Fussball-WM als Torhüter in der brasilianischen Nationalmannschaft? Aber meine Frau interessiert sich nicht für Fussball. Ausserdem sind die Brasilianer früh aus dem Turnier ausgeschieden.

Auffällig an der Notiz «Dido und Aeneas» wirkt, dass die beiden Produkte offenbar zusammengehören. Früher gab es Doppelwaschmittel, eins zum Vorwaschen, das zweite für den Hauptwaschgang. In einer Werbekampagne hatte sich das eine Waschmittel mit dem anderen sogar verheiratet. Bis an ihr Lebensende wuschen die beiden glücklich zusammen T-Shirts, Socken und Unterhosen, wenn auch in verschiedenen Waschgängen. Das gibt es heute nicht mehr. Die Scheidungsrate hat auch unter Waschmitteln enorm zugenommen.

Eine SMS muss Klarheit bringen. «Was meinst du mit Dido und Aeneas?», schreibe ich meiner Frau. Die Antwort kommt prompt: «Einfach nicht beachten.» Das ist nicht besonders aufschlussreich, da liegt die Vermutung nahe, dass es am Sonntag wohl doch keinen Dido-Braten oder zarte Aeneas-Stückchen zum Dessert geben wird. Erst daheim löst sich das Rätsel. Das Bieler Stadttheater hatte angerufen, weil eine Theateraufführung ausfällt. Für die bereits gekauften Eintritte wurden als Ersatz zwei Plätze in der Oper «Dido und Aeneas» vorgeschlagen. Meine Frau hat die beiden in der Eile auf den Einkaufszettel geschrieben.

Die Oper, so ist im Internet zu lesen, handelt von einer sehr, sehr unglücklichen Liebesgeschichte im ehemaligen Karthago. Zauberinnen, Hexen und Götter mischen da mit, Göttinnen werden in Hirsche verwandelt und von Hunden zerrissen. Man wünschte den beiden Liebenden Dido und Aeneas von Herzen, sie befänden sich wieder auf unserer Einkaufsliste zwischen Gemüse und Waschlappen. Unspektakulär, aber in Sicherheit, könnten sie eine geschätzte Funktion in unserem Haushalt übernehmen.

Info: Niklaus Baschung ist Journalist, Kommunikationsfachmann und Hundehalter.


kontext@bielertagblatt.ch

 

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