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Früchtesaison

Kaltstart vermiest Obstbauern die Ernte

Nach der Superernte 2018 erhalten die Berner Obstbauern nun die Quittung für eine schwierige Obstsaison in diesem Jahr. Allerdings schlugen die ungünstigen Bedingungen nicht überall gleich schwer ein.

Symbolbild: Keystone

Julian Seidl

Dass am Ende einer Obstsaison reichlich Zwetschgen, Äpfel und Birnen geerntet werden können, ist von vielen Faktoren abhängig. Mindestens zwei davon waren in diesem Jahr in der Region Bern sehr ungünstig. Erstens: Die Obstbauern erwischten einen Kaltstart im Frühling. Der Verband Berner Früchte mass am sechsten und siebten Mai in Noflen, auf einer Höhe von fünf Zentimetern über Boden, Temperaturen von minus 5 Grad. In Zolli-kofen zeigte das Thermometer sogar minus 7 Grad an.

Zweitens: Im Sommer herrschten immer wieder Schlechtwetterphasen, in denen sich die Blüten der Obstbäume nicht genügend vom kalten Frühling erholen konnten. «Bei schlechtem und kaltem Wetter fliegen die Insekten und Bienen nicht. Das heisst, es findet keine Bestäubung statt», sagt Heinz Kämpfer, Präsident der Landwirtschaft Emmental. Trotz diesen ungünstigen Bedingungen habe er mit der halben Ernte im Vergleich zum vergangenen Jahr gerechnet. Beim Ablesen seiner Äpfel in den letzten Wochen wurde aber klar: Lediglich 20 Prozent der knapp 2 Tonnen aus dem Vorjahr konnte er noch von seinen 50 Bäumen pflücken.

Ähnlich schwer traf es Urs Grunder. Der Präsident des Vereins Berner Früchte und Betreiber der Obstanlage Grunder Obst in Zäziwil erntete weniger als ein Viertel des Vorjahres. Besonders schwer habe es seine Birnen getroffen. Mit deren Ernte füllte er dieses Jahr 10 statt der üblichen 250 Harassen. «Dennoch blieb der Arbeitsaufwand gleich wie bei einer guten Ernte», sagt Grunder. Er müsse auch deshalb mit hohen finanziellen Einbussen rechnen. Mit wie viel, wollte Grunder jedoch nicht sagen.

 

Unterschiedlich betroffen

Im Gegensatz zu 2017 traf es in diesem Jahr nicht alle Obstbauern der Region Bern gleich hart. «Vor zwei Jahren sorgten Frost und schlechtes Wetter flächenübergreifend für Missernten. Das ist in diesem Jahr anders», sagt Urs Grunder. Zufrieden mit seiner Ernte zeigt sich beispielsweise Bio-Obstbauer Paul Messerli aus Kirchdorf. Auch seine Obstbäume waren am sechsten und siebten Mai Temperaturen unter dem Gefrierpunkt ausgesetzt. Doch weil der Obstbauer schon 2017 Erfahrungen mit vor Kälte schützenden Methoden machte, habe er sich in dieser Saison besser zu helfen gewusst. «Als wir im Frühling Temperaturen von minus einem halben Grad gemessen haben, schalteten wir sofort die Frostberegnung ein.»

Beim Frostregen handelt es sich um eine Methode, mit der die Blüten der Obstbäume vor übermässiger Kälte geschützt werden können. Durch das Einfrieren der Blüte werde Wärme freigesetzt. Zusätzlich werde die Blüte durch die Eisschicht gegen Kälte von aussen geschützt, erklärt Messerli. Zum Einsatz komme die Frostberegnungsanlage meist in der Nacht. Sobald die Temperaturen tagsüber genug hoch seien, werde ihr Betrieb wieder eingestellt. Mit dem Frostregen sicherte sich Messerli eine Ernte von rund 84 Tonnen Obst. Dies entspricht rund 70 Prozent der Ernte aus dem Superjahr 2018.

 

Äpfel erlitten Sonnenbrand

Von der Methode des Frostregens macht ebenfalls Martin Winkelmann Gebrauch. Der Obstbauer aus Studen profitiert aber auch von der seenahen Lage. «Vom Bielersee her weht warme Luft auf unsere Anlagen. Sie hilft uns, Frostschäden vorzubeugen», sagt er. Zusätzlich sei sein Obst durch Hagelnetze geschützt, die auch bei heissem Wetter helfen. «Nebst den Schlechtwettertagen gab es im Sommer auch heisse Phasen. In diesen schützen die Hagelnetze vor starker Sonneneinstrahlung», sagt Winkelmann.

Bei Temperaturen um 35 Grad könne es vorkommen, dass seine Äpfel einen Sonnenbrand erleiden würden. Dieser Hitzestress habe, zusätzlich zum Regenwetter und zu den kalten Tagen im Frühling, dazu beigetragen, dass er lediglich 750 statt der üblichen 1000 Tonnen Obst geerntet habe.

 

Gute Qualität

Trotz eisigen Temperaturen, viel Regen und dann doch wieder ein paar Hitzetagen, die zu grossen Ernteeinbussen geführt hätten, sei die Qualität der geernteten Früchte sehr gut, sagt Martin Winkelmann. Seine Äpfel, Birnen und Zwetschgen seien lediglich etwas kleiner als noch im Vorjahr. Dies könne aber auch eine Folge der sogenannten Alternanz sein. Sie beschreibt die zwei­jährige Schwankung des Ernteertrages. Beispielsweise könne es vorkommen, dass nach einer Grossernte, wie jener 2018, im Folgejahr deutlich weniger und kleineres Obst von den Bäumen gepflückt werden könne, sagt Urs Grunder.

Vor allem professionelle Betriebe seien bestrebt, diesem Trend mit Methoden, wie etwa jener der Ausdünnung, entgegenzuwirken. Mit ihr werden den Blütenbüschen im Frühling mehrere Blüten abgeschnitten, damit nur ein bis zwei statt fünf bis sechs Äpfel an einem Blütenbusch wachsen. So werde gewährleistet, dass trotz einem guten Erntejahr auch in der nächsten Saison noch reichlich Obst gepflückt werden könne.

Und obwohl dieses Jahr ein schlechtes war, sind die Berner Obstbauern zuversichtlich gestimmt. Denn die Alternanz sagt auch, dass auf ein schlechtes Erntejahr meist ein sehr gutes folgt. Bestes Beispiel dafür war das Jahr 2018. Missernten, wie jene 2017, die in der Region schwer einschlugen, seien zudem immer auch eine Möglichkeit, in der Zukunft besser gerüstet zu sein, sagt Paul Messerli.

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