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Investitionen

Die grössten Krypto-Reinfälle

Der Hype um digitale Währungen hat in vergangenen Jahren dafür gesorgt, dass viele Anleger viel Geld verloren. Manchmal war Unvermögen der Grund, manchmal war es schlicht Betrug.

Symbolbild: Keystone

Bernhard Kislig

Die Krypto-Technologie verspricht nichts Geringeres, als das Finanzwesen zu revolutionieren. Vermögenswerte sollen digital in einer Art Kassenbuch fälschungssicher hinterlegt und ohne Banken übertragen werden können. Nebst seriösen und vielversprechenden Projekten gibt es auch immer wieder Anbieter, die den Krypto-Hype nutzen, um Anleger zu fragwürdigen Investments zu verleiten. Weltweit haben Anleger damit bereits Milliarden verloren, auch in der Schweiz. Eine Übersicht.

 

Traurige Weltpremiere um Envion

Die Liquidation des Krypto-Unternehmens Envion mit Sitz in Zug ist eine Weltpremiere. Envion versprach Traumrenditen: Investoren hätten ihr Geld innerhalb eines Jahres mehr als verdoppeln sollen. Über 30 000 Anleger folgten dem Lockruf und zahlten bis Ende 2017 rund 100 Millionen Franken ein. Doch Envion, das mit dem Schürfen der Kryptowährung Bitcoin das grosse Geld machen wollte, nahm seine Geschäftstätigkeit gar nie auf. Kaum waren die Mittel da, zerstritten sich die Verantwortlichen und deckten sich gegenseitig mit Betrugsvorwürfen sowie Klagen ein. Wie viel die Investoren verlieren, ist noch unklar.

Bei der Liquidation von Envion sind die Behörden mit vielen ungewohnten Herausforderungen konfrontiert. Dazu zählen die weltweit verstreute grosse Zahl der Gläubiger, die anders als bei traditionellen Firmen nicht Aktien, sondern digitale Token erhalten haben. Token sind mit einer Wertmarke vergleichbar, die im Fall von Envion zu einer Gewinnbeteiligung berechtigen.

Das Zuger Konkursamt hat zwei Anwälte der Kanzlei Wenger Plattner als Konkursverwalter eingesetzt. Kürzlich informierte diese die Anleger mit einem passwortgeschützten Dokument über die Resultate der ersten Gläubigerversammlung. Bemerkenswert ist, dass die Konkursverwalter einem «Liquidation Upgrade Program» (LUP) eine klare Absage erteilt hat. Eine Gruppe von Envion-Verantwortlichen versprach Anlegern zusätzliche Mittel, wenn sie sich im LUP zusammenschlössen. Die Konkursverwalter verweisen nun darauf, dass es nach Schweizer Recht strafbar ist, wenn für Stimmen in der Gläubigerversammlung Vorteile zugesichert werden. Die LUP-Verantwortlichen bestreiten einen «unzulässigen Stimmenkauf». Sie fechten den Entscheid aber nicht an, weil sie trotzdem genügend Möglichkeiten sehen, ihre Rechte wahrzunehmen.

 

Handelsplätze geplündert

2014 meldete Mt. Gox – der damals weltweit bedeutendste Handelsplatz für die Kryptowährung Bitcoin – an seinem Sitz in Japan Insolvenz an. Es fehlten 850 000 Bitcoin, was nach damaligem Marktpreisen einem Verlust von über 800 Millionen Dollar entsprach. Wenige Wochen später tauchten zwar wieder 200 000 Bitcoin auf, doch der Verlust war immer noch erheblich. Der Geschäftsführer wurde 2019 wegen Urkundenfälschung zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Betrug und Unterschlagung konnten ihm nicht nachgewiesen werden. Aus aufwendigen Nachforschungen resultierten Hinweise, dass ein russischer Hacker schon seit Jahren Mt.-Gox-Konten geplündert hatte. Der Hacker wurde 2017 in Griechenland festgenommen. In einem anderen Fall stahlen 2018 ebenfalls Hacker beim japanischen Handelsplatz Coincheck-Token im Wert von über 500 Millionen Dollar.

 

Verlustreiche Schneeballsysteme

Die Bulgarin Ruja Ignatova glänzte in öffentlichen Auftritten mit glamourösen Roben und grossspurigen Worten. So kündigte sie unter anderem an, dass ihr Onecoin schon bald den Bitcoin als führende Kryptowährung ablösen werde. Damit überzeugte sie erstaunlich viele Anleger: US-Ermittler gehen davon aus, dass Investoren Einlagen im Wert von mehr als vier Milliarden Dollar geleistet hatten. 2017 tauchte Ruja Ignatova unter. Ihr Bruder übernahm das Geschäft. Er wurde kurz darauf festgenommen und kooperiert mit den Behörden.

Der zuständige New Yorker Staatsanwalt Geoffrey S. Berman bezeichnet Onecoin im März 2019 als Kryptounternehmen, «das komplett auf Lüge und Betrug basiert». Gemäss verschiedenen Untersuchungen ist Onecoin im Grunde keine Kryptowährung, sondern vielmehr eine Art Schneeballsystem, bei dem die ersten Anleger zwar noch schöne Gewinne erzielen, am Ende das Konstrukt aber wie ein Kartenhaus zusammenbricht. Weitere Kryptowährungen wie Bitconnect wurden mit ähnlichen Vorwürfen konfrontiert und verloren daraufhin rasch an Wert.

 

Interne Konflikte, unsichere Zukunft

Oft ist nicht klar, ob tatsächlich unredliche Absichten oder einfach nur Unvermögen zu Problemen bei Blockchain-Start-ups führen. Verschiedentlich überfordern regulatorische Vorschriften die Verantwortlichen. Und sobald Millionenbeträge fliessen, kommt es manchmal zu internen Konflikten, die letztlich dem Unternehmen wie den Anlegern schaden. Ein Beispiel dafür ist Envion.

Ein anderes prominentes Beispiel ist Tezos mit Sitz in Zug, das vor allem mit internen Konflikten von sich reden machte. Das Start-up sammelte 232 Millionen Dollar und will die Blockchain-Technologie modernisieren. Nach internen Querelen ist bei Tezos inzwischen wieder Ruhe eingekehrt. Ob sich Tezos mit seiner Technologie etablieren kann, ist allerdings noch ungewiss. Klar ist aber, dass aufgrund der Probleme bei solchen Jungunternehmen die regulatorischen Vorschriften weltweit laufend verschärft werden. So hat jüngst die EU Vorschläge gemacht, wie sie Libra, das Kryptowährungsprojekt von Facebook, regulieren will.

Stichwörter: Wirtschaft

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