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Coronablog

Liebes Büro – ich vermisse dich

Hätte mir vor einem Jahr jemand gesagt, dass ich heute diese Zeilen schreibe, hätte ich ihn wohl lauthals ausgelacht.

Tálos Jana
  • Dossier

Hätte mir vor einem Jahr jemand gesagt, dass ich heute diese Zeilen schreibe, hätte ich ihn wohl lauthals ausgelacht. Doch es ist wahr und es ist Zeit, dass ich es endlich loswerde: Liebes Grossraumbüro, ich vermisse dich.

Ich meine klar, anfangs wars ja noch irgendwie lustig. Wie wir da alle unsere sieben Sachen zusammenpackten und uns scherzhaft ein «Bis in ein paar Monaten!» zuriefen. Wie wir uns erstmals über Zoom – ein Programm für Videokonferenzen – gegenseitig in die Wohnzimmer blickten und uns fragten, wer von all den Wuschelköpfen wohl noch in Pyjamahosen steckte, während er zur aktuellen Themenlage referierte.

Ich meine ja, eine Zeit lang haben wir uns morgens auch noch zum Zoom-Kaffee getroffen, oder abends zu einem Zoom-Feierabend-Bier. Doch irgendwann war sie dann auch verflogen, die anfängliche Euphorie. Das Neue verlor seinen Reiz, der Alltag kehrte ein. Und während man früher noch gelacht hat, wenn mal wieder bei jemandem die Verbindung in der Videokonferenz zusammenbrach, entfuhr einem spätestens ab Juni nur noch ein entnervtes Schnauben.

Bitte verstehen Sie mich jetzt nicht falsch: Es hat natürlich auch seine Vorteile, dieses Homeoffice. Keine Büronachbarn, deren laute Stimmen beim Telefonieren einem vom Arbeiten abhält. Keine Kollegen, deren stetiges Rumgerotze und Gechlöne einem in den Wahnsinn treibt.

Doch es gibt etwas Entscheidendes, das mir Homeoffice nicht bietet: Menschen. Gespräche. Austausch. Ein kurzes Hallo am Morgen, ein Rumgeblödel am Drucker. Kurz: Soziale Interaktion, und zwar in einem Mass, an das weder Zoom-Feierabend-Biere, Telefonate noch Chatnachrichten herankommen. Zwangloses Gerede, das einem im besten Fall einen neuen Input, im schlechtesten Fall aber einfach das Gefühl gibt, auf dieser Welt nicht alleine zu sein.

Aber es ist halt wie bei so vielem in dieser Pandemie: Man lernt etwas erst schätzen, wenn man es nicht mehr hat, oder nicht mehr tun kann. In diesem Sinne verspreche ich dir hier und jetzt liebes Grossraumbüro: Wenn ich eines Tages wiederkomme, werde ich mich nicht mehr darüber aufregen, was mich an dir nervt. Ich werde wissen, was ich an dir habe.

Jana Tálos

stv. Leiterin Kontext

Die BT-Crew berichtet in 
unregelmässigen Abständen von 
persönlichen Begegnungen, 
Erlebnissen und Beobachtungen 
während der Coronapandemie.

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