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Kafipause

Ich will jetzt auch so ein Irrer sein

Im persönlichen Blog berichten Parzival Meister, stellvertretender Chefredaktor und Redaktionsleiter, und BT-Chefredaktor Bernhard Rentsch abwechslungsweise 
wöchentlich über Erlebnisse im privaten wie im beruflichen und gesellschaftlichen Leben – immer mit einem Augenzwinkern.

Parzival Meister, Redaktionsleiter und stv. Chefredaktor
  • Dossier

Parzival Meister

Neulich auf der Strasse: Eine junge Frau läuft mir entgegen. Sie läuft alleine auf dem Trottoir. Doch sie redet. Sie artikuliert. Sie führt ganz offensichtlich ein Gespräch. Aber mit wem? Mit sich selber? Eine Irre? Bin ich in Gefahr?

Ich kann Sie beruhigen, ist alles glimpflich ausgegangen. Und ich bin sicher, Sie haben sich ebenfalls schon in einer solchen Situation wiedergefunden. Mir jedenfalls passiert es ständig. Diese Woche im Büro etwa spreche ich den Kollegen zwei Tischreihen weiter an. Keine Reaktion. Er muss mich doch gehört haben. Plötzlich beginnt er zu sprechen. Er telefoniert. Mit diesen Airpods im Ohr. Das sind diese kleinen, kabellosen Ohrstöpsel-Kopfhörer. Gut, beim Kollegen mit den kurzen Haaren sind sie immerhin sichtbar. Bei der jungen Frau auf dem Trottoir mit den langen offenen Haaren waren sie es nicht.

Das Dumme an diesen Airpods ist aber nicht nur, dass Menschen, die damit telefonieren, anderen Menschen teilweise Angst einjagen, nein, man weiss auch nie, ob die Person, die sie trägt, gerade ansprechbar ist oder nicht. Der Junior zu Hause etwa hat diese Stöpsel fast immer im Ohr. Wohl einfach, um parat zu sein, wenn jemand anruft. Oder weil er zwischendurch Musik hört. Aber das Gegenüber weiss dann nicht, ob er gerade Musik in den Ohren hat, oder einem zuhört. Gut, wenn man fünfmal ruft und keine Antwort erhält, sind die Stöpsel wohl gerade aktiv. Oder dann beginnt er zu reden. Zum Beispiel: «Und, geits guet?» Ich lächle, bedanke mich, frage zurück. Da schaut er mich verdutzt an. Zeigt mit dem Finger auf die Ohren, beziehungsweise auf die Airpods. Okay, okay, er hat gar nicht mit mir gesprochen. Das Lächeln ist weg.

Man kann zusammenfassend sagen: Diese Ohrstöpsel sind blöd. Blöd für die, die keine haben. Für denjenigen, der sie trägt, müssen sie ziemlich angenehm sein. Stellen Sie sich mal vor: Nie mehr Kabel entknoten. Ich muss sicher fünf Mal am Tag an meinen Kopfhörer-Kabeln rumfummeln, die sich, wenn sie gut versteckt in einer Tasche sind und sie niemand sieht, von ganz alleine verknoten. Fast schon magisch irgendwie. Aber das ist ein anderes Thema.

Ich hadere schon ein wenig mit mir. Denn ich stelle sie mir schon cheibe praktisch vor, diese drahtlosen Ohrstöpsel. Bei der Gartenarbeit. Beim Kochen. Ich hätte Musik in den Ohren. Könnte telefonieren. Und kein Kabel wäre im Weg. Dafür muss ich in Kauf nehmen, manchmal wie ein Idiot zu wirken. Dass die Leute möglicherweise die Strassenseite wechseln, wenn ich auf sie zugehe und telefoniere.

Nun, da ich die Argumente so schwarz auf weiss vor mir habe, merke ich, was ein Ja zu den Airpods eigentlich bedeutet: Viel Praktisches für mich, viel Verwirrung für mein Umfeld. Also ja, ich will diese Dinger. Liebe Freunde und Verwandte, ihr könnt aufhören, zu überlegen, mit was ihr mich zu Weihnachten beglücken wollt. Und falls ihr nicht so lange warten wollt: Man muss ja nicht immer bis Weihnachten warten, um seine Liebsten zu überraschen.

 

pmeister@bielertagblatt.ch

Stichwörter: Kafipause, Kolumne, AirPods

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