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Höhöhö im Alltag

Jeden Morgen zuerst ein paar Liegestütze.

Sabine Kronenberg

Sabine Kronenberg

Dann vermutlich eine Eiercocktail. Ein bisschen rumbrüllen, sich mit den Fäusten auf die Brust schlagen. So stelle ich es mir zumindest karikiert vor. Vermutlich ist es in Wirklichkeit ganz leise. Die Menschen (ja, auch Frauen), die mir in Beruf und erweiterten Bekanntenkreis und auch Unbekanntenkreis mit Mackerverhalten das Leben entweder verbal oder sexistisch verhaltensgestört schwer machen oder gemacht haben, sind vielleicht frühmorgens, zuhause vor dem ersten Kaffee, knuffig wie Du und ich. Kommen katzenhaft (und nicht rüpelhaft) die Treppe runter, schmiegen sich an liebste Menschen und freuen sich an Kaffeeduft. Und machen eben keine Liegestütze und trinken 
Eiercocktails. Wahrscheinlich ist es gar nicht so lärmig und chauvinistisch, wie ich im Ärger dann manchmal denke.

Ja, ich weiss ja, die mit der grössten Klappe 
erkennt man dann manchmal mit ihrer Familie nicht mehr wieder. Sind dann nur noch Zucker. Schnuckidutzi. Warum dann dieses «höhöhö» bei der Arbeit? Auf der Post, im Zugabteil nebenan oder manchmal unsäglich peinlich im öffentlichen Raum, in Medien oder auf sonstigen Bühnen? Warum breithodig rumlaufen, 
warum Arme abwinkeln, als hätte Mann einen siebenfachen Bizeps, warum dieses Schultergeklopfe «Gut siehst du aus höhöhö»? Überhaupt höhöhö: Es ist das sexistische Pendant vom Klein-Mädchen-Gekicher, das mich gleichermassen nervt. Gestandene Frauen werden dann gegenüber diesen Höhöhös plötzlich zu dämlich kichernden, wimperklimpernden Graziellas oder haarekämmenden Loreleys. Hat eigentlich je ein Höhöhö eine Graziella-Loreley abgekriegt? Ich glaube der Höhöhö stirbt vorher, weil er ja in den Krieg muss und Graziella-Loreley kämmt sich dann einsam, mit sehnsüchtigem Blick gen Himmel zu Tode. (Wenigstens hat sie ja dann Witwenrente. Ha! Wieder etwas begriffen! Deswegen braucht es keine Witwerrente! Aber ja!)

Entschuldigung, wo gehts genau lang zur aufgeklärten und modernen Gesellschaft? Wann genau fängt es endlich an, dass jeder und jedem klar ist, dass wir gopferdeli zuerst Menschen sind und das biologische Geschlecht noch nicht mal persönlichkeitsbestimmend sein muss. Aber ich vergesse, bei solchen Heinis ist es ja schon zuviel verlangt, über geschlechtergerechte Sprache nachzudenken. Am schlimmsten ist es, wenn mir solche Leute dann sagen: «Ich habe im Fall kein Problem mit Frauen.» Und: «Ich habe sogar eine beste Freundin.» Und damit mir das spiessige Weltbild ganz klar wird: «Ich als Mann!» Wahnsinn. So ein Rebell. Die hippen Nonkonformisten-Bünzlis sind krass: «Ich habe kein Problem mit Schwulen», mich vielsagend anschauend. «Ich habe sogar einen schwulen Freund.» Als wärs ein Gürteltier im Zoo. Na, herzlichen Glückwunsch, nobelpreisverdächtig.

In seltenen Fällen habe ich mich mit solchen Menschen auf die Diskussion eingelassen. Unterlassungshandlung! Eigentlich sollte man das notorisch mit diesen Leuten diskutieren. Sie diesen Widerstand spüren lassen. Auf Gedankenanstoss hoffen. Aber uneigentlich bin ich es einfach leid, so was erklären zu müssen.

Auch ist mir dieser Sexismus viel zu gesellschaftsfähig. Ist doch herzig. Der meint das nicht so. Die wollen das so. Die Frauen. Dabei stimmt es gar nicht. Studien haben gezeigt, dass Frauen nicht darauf stehen, angepöbelt zu werden. (Echt jetzt? Musste man das wirklich mit einer Studie belegen? Ja muss man. Fragt man im eigenen Bekannten-Männer-Kreis herum, glauben die alle, dass es Frauen gibt, die auf 
Pöbeleien stehen und sich nicht einfach nolens volens damit arrangiert haben. Es ist zum Mäuse melken.)

Nein, Sexismus ist nicht Flirten und nein, 
Sexismus ist nicht nett. Sexismus. Ist. Macht. Mit Sexismus hat man jahrhundertelang Männer privilegiert und Frauen benachteiligt. Sexismus ist genau das, was Frauen zu Objekten und vermeintlichen Halbmenschen macht. Stop it!

PS: Falls gelesen und für unwahr befunden: 
Bitte informieren Sie sich unbedingt zu dem 
Thema. Zum Beispiel mit dem top-aktuellen Schweizer Bestseller: Franziska Schutzbach, Die Erschöpfung der Frauen: Wider die weibliche Verfügbarkeit. Danke!

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