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Spinnen sind Superheldinnen

Spiderman ist cool. Ja, ich gebe zu, ich bekenne. Ich bin ein Superheldinnen- und Superhelden-Nerd.

Sabine Kronenberg

Sabine Kronenberg

Seit ich eine eigene Bibliothekskarte besitze (als ich etwa acht Jahre alt war), habe ich Superheldinnen- und Superhelden-Comics serienweise heimgeschleppt. Meine erste Lieblingsheldin war Yoko Tsuno. Eigentlich Elektronikspezialistin, dann auch Raum-Zeit-Astronautin, die verschiedene Kampfsportarten schwer drauf hatte.

Die Superheldinnen- und Superhelden-Plots sind immer gleich gestrickt: Held kommt in Ungemach, Heldin kämpft, irrt sich eventuell unterwegs noch in vermeintlichen Verbündeten oder geht durch einen Katharsis-Moment und kommt dann unbescholten wieder aus der Patsche. Wie bei James Bond. Total fadenscheinig, aber äusserst erholsam, wenn man sich schnell was zu Herzen nimmt und von hintersinniger Geräuschkulisse in tiefschürfenden Bösewichtfilmen schlechte Träume bekommt. Daher: Ja, ich gestehe, Superhelden sind cool.

Aber zurück zu Spiderman. Spiderman ist cool. Offenbar noch viel cooler als gemeinhin angenommen. Supercool oder «Spiderman meets Yoko Tsuno», sozusagen: Spinnen sind angeblich auch eine Art Elektrospezialistinnen. Spinnseide wird von verschiedenen Spinnen nicht nur superstabil hergestellt und zum Fangen oder zur Fortbewegung benutzt. An der Würzburger Universität haben Forschende nachgewiesen, dass Spinnen ihre Spinnseide auch superschnell produzieren können. Pro Sekunde produzierten die Laborspinnen einen Meter Spinnseide. (Einen Meter! Pro Sekunde! Man stelle sich vor, wir produzieren mal eben hundert Meter hochstabiles und hochflexibles Eiweiss-Seil! Aus uns raus!) Die Spinnseide, welche aus Eiweissmolekülen besteht, wird von den Spinnen rasant aus deren Körper herausgezogen. Manche Tiere sind dabei fähig, die Moleküle viel schneller miteinander zu verbinden, indem sie auf bisher nicht ganz geklärte Weise elektrostatische Dipolwechselwirkungen zwischen den Proteinen herstellen können. Dadurch werden die Seidenproteine tausendmal (!) schneller miteinander verbunden. Sollen Proteine assoziiert werden, bremsen bestimmte Salzkonzentrationen den Prozess des Spinnens. Die elektrostatischen Beobachtungen heben diese Bremswirkung auf. Elektrostatisches scheint den Spinnen aber auch sonst zu liegen. Neuere Forschungen haben nachgewiesen, dass Spinnen sich in elektrischen Feldern fortbewegen.

Das «Fliegen» von Spinnen ist bereits seit dem 19. Jahrhundert ein Forschungsthema. Nachgewiesen ist, das sogenannte Ballooning; Spinnen, die sich über Kilometer «fliegend» fortbewegen. Dabei checken die Spinnen mit einem Vorderbein zuerst die Windgeschwindigkeit, recken dann ihr Hinterteil in die Luft und stossen Seidenfäden aus, mithilfe derer sie dann «fliegen». Diese Fäden sind oft nicht dicker als 320 Nanometer. Zum Vergleich: Die Wellenlänge von Licht bewegt sich im Bereich zwischen 400 und 700 Nanometern. Jedoch: Auch ohne Luftbewegungen heben Spinnen bisweilen ab. Forschende sorgten unter Versuchsbedingungen dafür, dass zwar elektrische Felder, nicht jedoch Bewegungen der Luft in der Versuchsanlage hergestellt werden konnte. Ein Grossteil der untersuchten Spinnen hob sofort ab, wenn das elektrische Feld eingeschaltet wurde. Auch entdeckte man sensorische Härchen auf den Körpern von Spinnen, die sich im Verhältnis zu elektrischen Reizen bewegen.

Spinnen fühlen Elektrizität und bewegen sich damit fort. Bisher ist noch nicht abschliessend geklärt wie. Und der Kombinationen scheinen unendlich viele: Manche Spinnennetze «kleben» nicht, sondern sind elektrisch «geladen». Eine besondere Spinnenart lädt ihre hauchdünnen Fäden elektrostatisch auf, wie an der Universität Oxford herausgefunden wurde. Für die spezifische Spinnenart ist das Herstellen der Fäden und Aufladen durch Reibung zwar aufwändiger, jedoch sind die Fäden langlebiger (weil eben nicht klebrig-feucht und austrocknungsanfällig).

Müssig zu erwähnen, dass alle genannten Spinnentechniken untersucht werden, um in der Nanotechnik und Industrie angewandt zu werden. Eben. Spinnen sind Superheldinnen. Und ja, auch Nerds, wenn auch ganz besondere Nerds.

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