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Betreuung

Bern wird zum Vorbild für andere Kantone

Gutscheine für die Kinderbetreuung. Fast alle Gemeinden sind dabei: Der Wechsel auf Betreuungsgutscheine im Kanton Bern ist geglückt.

Symbolbild: Keystone

Die fast dreijährige Umstellungsphase ist abgeschlossen: Seit Anfang Jahr gibt es im Kanton Bern keine fixe Zahl subventionierter Plätze in bestimmten Kindertagesstätten mehr. Stattdessen erhalten Eltern nun Betreuungsgutscheine, die sie in einer Kita ihrer Wahl einlösen können. Zur Verfügung stehen ihnen kantonsweit rund 8800 Plätze in Kitas und Tagesfamilienorganisationen. Die Höhe der Gutscheine ist abhängig von Einkommen, Vermögen, Familiengrösse und Betreuungsbedarf. Bis auf 22 sind alle Gemeinden im Kanton Bern auf das neue System umgestiegen. Bei 2 der 22 Gemeinden ist der Wechsel geplant. Die Gemeinden, die verzichten, sind Kleinstgemeinden, die meisten haben weniger als 500 Einwohner. Es sei nachvollziehbar, dass sie nicht mitmachten, sagte Sozialdirektor Pierre Alain Schnegg (SVP) im Grossen Rat. Denn sie müssten zur nächsten Kita eine lange Fahrt zurücklegen. In der Tat zeigen Rückmeldungen aus einzelnen dieser Gemeinden: Sie haben keine Kita, im Dorf helfen sich Eltern und Verwandte in der Betreuung aus, sie haben mit den Eltern Hütedienste organisiert, und es gab nur vereinzelt Anfragen zu Betreuungsgutscheinen.

 

Keine Wartelisten

Anders ist es in den grossen Gemeinden: In Ostermundigen stimmt die Bevölkerung am Wochenende über die Einführung der Gutscheine rückwirkend auf Anfang Jahr ab. Die Gutscheine werden als Pilotprojekt bereits abgegeben und haben sich gemäss der zuständigen Gemeinderätin Melanie Gasser (GLP) bewährt. «Früher warteten über 100 Familien auf einen Platz, jetzt führen wir keine Wartelisten mehr», sagt Gasser. Im alten System habe es 97 subventionierte Plätze gegeben, im vergangenen Schuljahr habe Ostermundigen 353 Betreuungsgutscheine für Kita-Plätze und Tagesfamilien ausgestellt. Von der Möglichkeit, die Gutscheine in einer anderen Gemeinde einzulösen, machen nur wenige Ostermundiger Eltern Gebrauch. Die Gemeinde lässt sich das Angebot etwas kosten. Vorher zahlte Ostermundigen jährlich 360 000 Franken an die Subvention von Kitaplätzen. In die Gutscheine wird die Gemeinde gut 500 000 mehr investieren. Im Gegenzug rechnet die Behörde mit höheren Steuereinnahmen, weil nun mehr Elternteile erwerbstätig sein können. Für den Kanton soll der Wechsel kostenneutral sein, so lautete die Vorgabe. Er zahlt an die Gutscheine einen Anteil von 80 Prozent, den Rest übernehmen die Gemeinden. Man gehe davon aus, dass die Kosten für die familienergänzende Kinderbetreuung kurzfristig leicht anstiegen, sich für den Kanton jedoch ab 2023 wie vor der Umstellung bei rund 70 Millionen Franken einpendelten, teilt Amtsvorsteher Manuel Michel auf Anfrage mit. Ein Kitatag für Vorschulkinder kostet in der Regel zwischen 110 und 130 Franken. Gemäss dem Kanton lagen früher die Normkosten für einen subventionierten Platz bei ungefähr 110 Franken. Heute sind die Kitas frei in der Preisgestaltung. Die maximale Vergünstigung liegt bei 100 Franken. Mit steigendem Einkommen der Eltern sinkt dieser Betrag. Liegt das massgebende Familieneinkommen über 160 000 Franken, zahlen Eltern den vollen Preis.

 

Bisher keine Notbremse

Als eine der ersten Gemeinden wechselte Köniz im Sommer 2019 auf das kantonale Gutscheinsystem, und bisher habe er keine negativen Rückmeldungen erhalten, sagt der zuständige Gemeinderat Hans-Peter Kohler (FDP). Im Gegenteil: «Das System funktioniert, durch die freie Wahl und ein grösseres Angebot ist es attraktiver geworden.» Seine Gemeinde hat eine Notbremse eingebaut: Köniz kann die Anzahl ihrer Gutscheine beschränken. Bisher habe die Gemeinde dies aber nicht getan, sagt Kohler. Der Kanton Uri und mehrere Schweizer Gemeinden setzen schon seit langem auf Gutscheinsysteme. Nun gilt Berns flächendeckender Wechsel als weiteres Vorbild. Vergangenen Sommer stellte auch der Kanton Zürich die Weichen für Gutscheine.

Im dortigen Kantonsparlament wurde das elektronische Buchungsportal Kibon gelobt, das der Kanton Bern Eltern für die Anträge zur Verfügung stellt. Es sei einfach und funktioniere gut. In Gemeinden wie Ostermundigen können sich Eltern aber auch an gemeindeinterne Stellen wenden, die ihnen mit dem Antrag behilflich sind.

Brigitte Walser

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