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Curling

Bieler Duo verliert erneut

In der kurzfristig angesetzten WM-Ausscheidung zwischen Biel und Glarus behielt letzteres Team die Oberhand. Nach zuletzt turbulenten Tagen ist die Erleichterung bei Martin Rios und der Sutzerin Jenny Perret gross.

Standen sich schon wieder gegenüber: (v.l.) Reto Gribi, Jenny Perret, Martin Rios und Michelle Gribi. Keystone

Michael Lehmann

Die Freude, aber auch die Müdigkeit stand den beiden Siegern ins Gesicht geschrieben. Nach drei umkämpften Spielen innerhalb von zehn Stunden und all den Diskussionen der letzten Tage, findet die leidige Geschichte zumindest vorläufig ein Ende.

Das Team Glarus um Martin Rios und Jenny Perret entschied das am Samstag angesetzte Duell um die WM-Teilnahme gegen Biel um das Cousin-Duo Michelle und Reto Gribi knapp für sich. Das Geschehen ähnelte dabei der Finalserie eine Woche zuvor. Nach der deutlichen Startniederlage rafften sich die Bieler im zweiten Spiel nochmals auf und holten sich den Sieg, indem sie im letzten End zwei Steine schrieben und so die Partie drehten. Für Rios/Perret war es die erste Niederlage, die sie in Aarau einstecken mussten. Bereits zweimal hatten sie an selber Stelle das internationale Mixed-Doubles-Turnier ungeschlagen gewonnen.

Perrets Schlüsselmomente

Dass Glarus letztlich doch reüssierte, ist auf zwei Schlüsselmomente im letzten Spiel der Best-of-3-Serie zurückzuführen. Der erste trug sich bereits im ersten End zu. Den Bielern eröffnete sich die Chance, gleich zu Beginn zwei Steine zu stehlen. Also Punkte zu schreiben, ohne über das Recht des letzten Steines zu verfügen. Ihr letzter Stein sollte als Guard die beiden shot liegenden Steine im Haus schützen. Doch der Versuch misslang. Michelle Gribis Stein erwischte wahrscheinlich ein Dreckpartikel auf dem Eis. Er verlangsamte abrupt und musste letztlich sogar aus dem Spiel genommen werden. So konnte Gegenspielerin Perret ihrem Team doch noch einen Punkt retten. «Da hatten wir viel Pech», sagte Reto Gribi nach dem Spiel. «Wer weiss, wie sich das Spiel sonst entwickelt hätte.»

In den beiden folgenden Ends gelang es den Glarnern, insgesamt drei Steine zu stehlen und auf 4:0 davon zu ziehen. Zur Pause verkürzten die Seeländer auf 2:4 und besassen im folgenden End die gute Chance, zu Rios/Perret aufzuschliessen. Doch erneute rettete die Seeländerin Perret die Situation mit ihrem letzten Versuch. Sie spielte den eigenen, seitlich liegenden Stein so an, dass ihr Stein ins Zentrum glitt und den dortigen Bieler Stein verdrängte. Statt 3:4 hiess es 2:6: die Vorentscheidung. Zwar zeigten Gribi/Gribi Moral und kamen noch bis zum 5:6 heran, für mehr reichte es jedoch nicht.

Erleichterung nach Hetzjagd

«Die Enttäuschung ist gross», gibt Reto Gribi unumwunden zu. «Wir waren zweimal nahe dran, unseren WM-Traum zu erfüllen.»

Nun wird das Team Glarus die Schweiz im kanadischen Lethbridge vertreten. Mit langen Umarmungen sowie der einen oder anderen Träne feierten Spieler, Trainer und Angehörige den Sieg. Für neutrale Beobachter wurde klar: Ihnen fiel eine enorme Last von den Schultern. «Ich bin einfach froh, dass dieser Tag vorbei ist», bestätigt Perret und Rios ergänzt: «Wir haben die Antwort auf dem Eis gegeben.»

Die Antwort auf viele Anfeindungen aus der Curlingszene und der Öffentlichkeit. Die Polemik ist bekannt: Eine Woche zuvor fand die Schweizer Meisterschaft im Mixed Doubles statt. Nach dem Spiel gegen Limmattal wird Martin Rios vorgeworfen, einenStein während des Wischens entscheidend und absichtlich abgelenkt zu haben (das BT berichtete). Das Video der Szene wird national und teils auch international heiss diskutiert. Kaum einer, der keine pointierte Meinung zum Geschehenen hatte. Während sich die einen für Rios einsetzten, sprachen andere mit Vehemenz von Sportbetrug.



Der angeknackste Ruf bleibt

«Ich fühle mich weder als Lügner noch als ‹Bescheisser›», sagt Rios und wiederholt, dass er die Steinberührung, «die wahrscheinlich stattgefunden hat», sofort gemeldet hätte, hätte er sie bemerkt. Deshalb sei die Teilnahme an der WM-Ausscheidung nie zur Frage gestanden. Nicht zuletzt, weil die leidtragenden Limmattaler Mario Freiberger und Michèle Jäggi aus privaten Gründen auf die Trials verzichteten. «Ich habe im Vorfeld ein gutes Gespräch mit Mario geführt», erklärt Rios. Für sie beide sei die Sache damit aus der Welt geschafft.

Rios’ Ruf ist jedoch unwiederrufbar angeknackst. Dies ist ihm bewusst. Damit könne er jedoch leben. «Alle, die mich kennen, wissen, dass ich kein unfairer Typ bin.» Ihm übel gesinnte Kommentare nehme er deshalb meist nicht ernst. Dass er beispielsweise in Anlehnung der «Hand Gottes» als «Fuss Gottes» in einen Topf mit Diego Maradona geworfen werde, sei sogar schon fast eine Ehre, meint der 35-Jährige mit Galgenhumor.

Der Verband, der die Trials als Reaktion auf die Polemik kurzfristig ins Leben gerufen hatte, hofft nun auf einkehrende Ruhe. Die «üblen» Beleidigungen gegen Rios und auch Perret wurden bereits verurteilt. In einer Mitteilung wünscht «Swiss Curling» den Athleten eine «ruhige Vorbereitung» auf den für die Schweiz sehr wichtigen internationalen Anlass.

 

Das dritte Spiel zwischen Biel und Glarus in voller Länge: https://youtu.be/uskAwEaNGTk


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So geht es für Glarus weiter

Das Team Glarus wird an der Weltmeisterschaft, die vom 22. bis 29. April in Lethbridge (CAN) stattfindet, die Schweiz vertreten.

Bis dahin nehmen Rios/Perret an den Turnieren von Dumfries (SCO) und Riga (LVA) teil.

Die unmittelbare Vorbereitung zusammen mit dem Nationaltrainer ist in Baden geplant.

An der Weltmeisterschaft werden zudem die Quotenplätze für das olympische Turnier 2018 vergeben.

Weil die Schweiz (Hess/Kobler) an der letzten WM nicht über die Gruppenphase hinaus kam, müssen Rios/Perret in Lethbridge wohl mindestens den Halbfinal erreichen, um sich einen Platz an den Olympischen Spielen in Pyeongchang zu sichern.
 

Stichwörter: Curling, Mixed Doubles, Biel, Glarus