Sie sind hier

Abo

Fussball

Das Auge für den tödlichen Pass

Beim BSC Young Boys sprechen Sportchef und Trainer vom grossen Umbruch. Zu einem neuen Schlüsselspieler könnte Michel Aebischer avancieren. In der letzten Saison war der Freiburger zunächst Reservist, nun gehört er zum «Captain-Team».

Michel Aebischer (rechts) hat sich bei YB im zentralen Mittelfeld etabliert. Bild: Keystone

Michael Lehmann

An Biel hat Michel Aebischer gute Erinnerungen. Die Cup-Begegnung im letzten August war sein erster Einsatz in der neuen Saison. In den vier Meisterschaftsspielen davor stand er dreimal nicht im Kader und sass einmal 90 Minuten auf der Wechselbank. Unter Adi Hütter war er zwar oft nur eingewechselt worden, kam dennoch auf 31 Einsätze in der Super League. Unter dem Folge-Trainer Gerardo Seoane hatte Michel Aebischer aber vorerst einen schweren Stand.

Dann kam das Cupspiel in der Tissot Arena und mit ihm die Chance für Aebischer, seine Fähigkeiten zu präsentieren. Zum Beispiel in der 43. Minute, als Aebischer an der Strafraumgrenze lanciert wurde. Der Mittelfeldspieler nahm den Ball an, hob den Kopf kurz hoch und flankte mit dem Aussenrist zielgenau auf Nsame, der per Kopf nur noch vollenden musste.

Auch sonst zeigte Aebischer beim 3:2-Sieg nach Verlängerung eine ansprechende Leistung. Seoane setzte ihn jedenfalls ab sofort auch in der Meisterschaft ein. In der Vorrunde war er öfter Ergänzungsspieler; zum Stammspieler avancierte er in der Rückrunde nach Sekou Sanogos Abgang. Der 22-Jährige verpasste nur fünf Spiele (drei verletzungsbedingt, eins gesperrt), in den restlichen Partien stand er jeweils in der Startelf.

Viel Konkurrenz im Mittelfeld
Den Stammplatz hat sich Michel Aebischer nicht zuletzt dank solcher Tor-Vorbereitungen wie jene gegen den FC Biel erkämpft. Dass dies eine Spezialität von ihm ist, unterstreicht eine Statistik der Fussball-App «FotMob». Gemäss dieser hat in der letzten Saison kein anderer YB-Spieler mehr «tödliche Pässe» gespielt (gemessen an der Einsatzzeit) als Aebischer. Das Attribut, das für manche im ersten Moment womöglich negativ klingt, ist eine spielentscheidende Fähigkeit. Tödliche Pässe sind nicht zwingend auch Assists. Gemeint sind Zuspiele (oft Pässe in die Tiefe), die eine gute Torchance zur Folge haben.

Freilich sind solche Statistiken immer mit Vorsicht zu geniessen. Dass Michel Aebischer ein besonders gutes Auge für den Mitspieler hat, hat er jedoch wiederholt bewiesen. Nicht umsonst wird er seit mehreren Jahren mit einem gewissen Toni Kroos verglichen. Einerseits aufgrund des ähnlichen Aussehens, anderseits wegen seiner Spielweise.

Auf diese Saison hin ist Aebischer sogar ins «Captain-Team» befördert worden. Obwohl er in der Hierarchie noch immer hinter Lustenberger, Hoarau, Sulejmani und Wölfli steht, kann dies als weitere Etappe auf dem Weg zum Schlüsselspieler angesehen werden. «Das macht mich natürlich sehr stolz und ich versuche nun, in diese Rolle hineinzuwachsen», sagt Aebischer. Eine Garantie auf einen Stammplatz sei es jedoch nicht. Auch nach dem Abgang von Djibril Sow hat Aebischer noch einige Konkurrenten. Seit dem Winter sind mit Gaudino, Martins Pereira und Sierro gleich drei Akteure verpflichtet worden, die im zentralen Mittelfeld spielen. «Es fängt von vorne an», sagt Aebischer. «Mein Ziel muss sein, mich wieder in der Stammelf zu etablieren.»

Abgänge gut kompensiert
Die Abgänge gestandener Spieler wie Mbabu, Benito, Schick und Sow sowie der Rücktritt von Bergens sind ein Hoffnungsschimmer für die Super-Ligisten, die in den letzten beiden Spielzeiten den Young Boys krass unterlegen waren – also alle. Sportchef Christoph Spycher und Trainer Seoane sagen, das Team müsse den grossen Umbruch erst verkraften. Tatsächlich deutet trotzdem viel darauf hin, dass YB die am Freitag beginnende Saison mit dem dritten Meistertitel in Folge abschliessen wird.

Die Berner haben sich geschickt verstärkt, die Reihe nach der vermeintlichen Stammelf ist hochkarätig besetzt, womit das Team auch für die Dreifachbelastung mit Cup und Europacup gerüstet ist. Die Vorbereitung hat mit dem Sieg im Uhrencup ein gutes Ende gefunden. «Man darf die Siege nicht überbewerten, aber auf dieser Leistung können wir aufbauen», sagt Aebischer.

Sollte ihm persönlich noch eine Steigerung gelingen, dürfte auch Nati-Trainer Petkovic bald anklopfen. Gemäss «FotMob» soll Aebischer in der letzten Saison auch mehr tödliche Pässe gespielt haben als Granit Xhaka.

*******************************************************************

Zesiger, Camara, Wüthrich oder Bürgy?
Im letzten Spiel der letzten Saison spielten Mbabu, von Bergen, Benito und Garcia in der YB-Verteidigung. Die ersten drei sind mittlerweile weg. Eine der grössten Fragen vor der neuen Saison ist also, wie sich die YB-Abwehr in Zukunft präsentiert. Wobei vor allem eine Position umkämpft ist.

Auf den Aussenbahnen dürften nämlich Garcia und Lotomba ebenso gesetzt sein wie Lustenberger in der Innenverteidigung. Doch wer spielt neben dem Captain? Wüthrich wurde in der Vorbereitung meist im «Ersatz-Team» eingesetzt. Camara wäre ein heisser Kandidat, doch der 21-Jährige war zuletzt verletzt. Bürgy spielte in den Tests einige Male an Lustenbergers Seite; in den beiden letzten jedoch tat sich der Seeländer Zesiger mit guten Leistungen hervor.

Auf Spekulationen zur Aufstellung geht Trainer Gerardo Seoane wenig überraschend nicht ein. Er sagt: «Zu Beginn der Saison werden wir in der Verteidigung versuchen, eine gewisse Stabilität zu erreichen. Grundsätzlich trainieren wir aber dafür, dass mehrere Varianten möglich sind.» Dies könnte ein Vorteil für den polyvalent einsetzbaren Cédric Zesiger sein. Dem stimmt Seoane zu: «Dass Cédric sowohl aussen als auch innen spielen kann, war einer der Gründe, warum wir ihn verpflichtet haben.»

Zesiger habe sich seit seiner Ankunft mit seinem «feinen Charakter» und «guten Mentalität» bestens ins Team integriert, sagt Seoane. «Wir brauchen Spieler, die nicht sich selbst, sondern die Mannschaft ins Zentrum stellen.» leh

Nachrichten zu Aktuell »