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Curling

Leidensgeschichte erfolgreich zu Ende

Der neue Weltrekord ist in der Hand der Teams von Biel und Dübendorf. Über hundert Stunden lang haben sie in der Tissot Arena gecurlt und sich damit einen Platz im Guinness Buch der Rekorde gesichert.

Freude und Erleichterung: Die Teams von Biel und Dübendorf haben in der Tissot Arena gemeinsam einen neuen Weltrekord im Dauercurling aufgestellt. Bilder: Patrick Weyeneth
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von Francisco Rodríguez

Nur noch wenige Minuten fehlen zur 100-Stunden-Marke. Lautstark unterstützt von der Guggenmusik der Sumpfgluggere-Clique Vingelz zeigen die Spieler noch einmal Einsatz. Und dann ist es geschafft. Die neue Curlinghalle bricht in Jubel aus. Die Teams von Biel und Dübendorf spielen noch ihre Steine zu Ende und fallen sich dann erschöpft, aber überglücklich in die Arme. Die Gäste haben mit 327 zu 270 Steinen und 196 zu 151 Ends gewonnen. Das interessiert aber nur am Rande. Statistisch relevant ist alleine die Zeit von 100 Stunden, drei Minuten und 25 Sekunden. Die Spieler versammeln sich bei der digitalen Uhr und posieren für Erinnerungsfotos.

Müdigkeit und Schmerzen

Die Korken knallen. Freude mischt sich mit Erschöpfung. «Ich bin erleichtert», meint Mike Wenger gezeichnet von den Strapazen. «Es hat auch schwere Zeiten gegeben, vor allem in der Nacht, wenn in der Halle nicht viel los war. Es war schwierig, die Zeit totzuschlagen und hat von uns allen viel Durchhaltewillen gebraucht.» Sehr schwierig sei es jeweils nach den fünf Stunden Pause gewesen, wieder aufs Eis zurückzukehren und die 20-Stunden-Schicht in Angriff zu nehmen. Neben der Müdigkeit machten sich wegen der körperlichen Belastung auch Beschwerden an Füssen, Beinen und Rücken bemerkbar. «Ich habe am meisten gelitten», sagt Sascha Gribi. Er sei mit 30 Jahren nicht nur der Älteste im Bieler Team gewesen, sondern auch der einzige, der Curling nur noch sporadisch als Hobby betreibt. «Umso stolzer bin ich, dass ich durchgehalten und wir gemeinsam diesen Rekord geschafft haben.»

Regelmässiger Besucher bei den Curlern war Paul Sahli, der früher als Fussballjongleur viele Bestleistungen aufgestellt und sich Einträge im Guinness Buch der Rekorde gesichert hatte. «Ich habe sie ein wenig motiviert», so Sahli. «Es ist einfach sensationell, was sie hier geleistet haben und unglaublich, wie frisch sie den Umständen entsprechend noch sind.» Am Samstagmittag, nachdem die Curler den alten Rekord zweier schottischer Teams eingestellt hatten, machte sich so etwas wie Euphorie bemerkbar. Kurzzeitig wurde die Frage in den Raum geworfen, ob man nicht bis zur 111-Marke weitercurlen wollte. Doch die Vernunft siegte. Spätestens, als der Adrenalinausstoss vorbei war und die Schmerzen und Erschöpfung wieder überhand nahmen, war die Idee vom Tisch. «Ich bin stolz, dass wir die 100 Stunden überstanden haben», sagt der Bruder von Sascha Gribi, Reto Gribi. «Curling ist zwar mein Hobby, doch irgendwann wird auch ein Hobby monoton und zerrt an den Nerven. Vor allem, wenn man mit wenig Schlaf auskommen muss.»

Dann kämen auch Zweifel auf, ob man es schafft. In solchen Momenten müsse man auf die Zähne beissen. «Erstaunlicherweise haben wir dennoch insgesamt gutes Curling gezeigt», so Reto Gribi. «Im Team haben wir eine grosse Kraft entwickelt und hatten es gut untereinander.» Waren sie im Spiel Gegner, spannten Biel und Dübendorf zusammen und strebten gemeinsam das grosse Ziel an. «Das war eine super Erfahrung», sagt Gribi. «Aber für mich wohl eine einmalige.»

Die Curler hoffen, dass ihre Marke nicht so schnell wieder übertroffen wird, um in der nächsten Ausgabe des Guinness Buchs der Rekorde aufgeführt zu werden. «Als Kinder haben wir oft in den Ausgaben herumgeblättert und gestaunt», so Sascha Gribi. Jetzt fühle er sich auch ein wenig stolz, bald selber drinzustehen.

Vier bis sechs Monate Geduld

Sandra Stauffer, Geschäftsführerin von Swiss Curling und Mitglied des Rekord-OK gratulierte den Athleten. «Meine Hochachtung für sie», sagt Stauffer. «Sie sind zu einem Team zusammengewachsen und haben mit ihrem grossen Einsatz den Rekord erst möglich gemacht.» Jetzt muss dieser noch homologiert werden. Dazu wird das OK die Videoaufnahmen und das Logbuch an die zuständige Prüfinstanz von Guinness World einschicken. «Wir rechnen mit einem Bescheid in etwa vier bis sechs Monaten», sagt Stauffer. Nach über hundert Stunden schwerer Curling-Strapazen eine Kleinigkeit.

Link: www.curling.ch

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Die zehn Weltrekord-Curler in der Tissot Arena

Team Biel:

Reto Gribi (Brügg)

Sascha Gribi (Lengnau)

Mats Perret (Sutz)

Mike Wenger (Lengnau)

Joel Vogler (Lengnau)

 

Team Dübendorf:

Kevin Tschudi (Dübendorf)

Jonas-Andri Weiss (Stäfa)

Vincent Perrot-Audet (La Chaux-de-Fonds)

Martin Rios (Riedern)

Mike Laub (Oberentfelden)

fri