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Curling

Sieger ohne Lächeln

Das Team Glarus mit der Sutzerin Jenny Perret hat gestern den Schweizer Meistertitel im Mixed Doubles geholt und fährt nun an die WM. Freude wollte jedoch nicht aufkommen – Streitigkeiten überschatten den Sieg.

Konnten sich nur bedingt über den Meistertitel freuen: Martin Rios und Jenny Perret. copyright: patrick weyeneth/bieler tagblatt
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Michael Lehmann

Es ist eine bizarre Szene an der gestrigen Rangverkündigung. Jenny Perret und Martin Rios vom Siegerteam Glarus nehmen die Medaillen sowie den Blumenstrauss mit versteinerten Mienen in Empfang. Freude über den Meistertitel und die Qualifikation für die Weltmeisterschaft? Nicht zu sehen. Kaum ist die Zeremonie vorüber, kann die Sutzerin gar die Tränen nicht zurückhalten und verschwindet in die Kabine. Partner Rios verschwindet ebenfalls wortlos in der Garderobe.

Auch später möchte sich die 25-Jährige nicht äussern. Für sie stehe im Zentrum, die Ereignisse des Wochenendes erstmal zu verdauen.

Aufruhr um Steinberührung

Es ist eine Begebenheit während der Gruppenphase, die den beiden Spielern bis zum Schluss zu schaffen macht. Am Freitag spielt Glarus, das tags zuvor etwas überraschend gegen das Bieler Team um Reto und Michelle Gribi verloren hat, gegen Mitfavorit Limmattal 1 um Mario Freiberger und Michèle Jäggi. Die Partie ist ausgeglichen und muss in einem Zusatzend entschieden werden. Dort behalten Rios/Perret das Glück auf ihrer Seite und können den entscheidenden Stein stehlen. Freiberger klatscht seine Mitspielerin wie auch seine Gegner ab, kann seine Wut jedoch nicht verbergen. Später macht er Andeutungen, Rios habe einen Stein während des Wischens mit dem Fuss berührt und ihm so eine andere Richtung gegeben. Dies wäre ein klarer Regelvorstoss.

Die strittige Szene ab 1:44:40.

Im Video ist zu sehen, dass es wohl zu einem Kontakt und deshalb auch zu einer leichten Richtungsänderung kommt. Die Zürcher, die letztlich mit zwei Punkten Rückstand hinter Glarus platziert sind und so den Einzug in die Finalserie verpassen, legen am nächsten Tag Rekurs ein. Erfolglos. Der Rekurs wird abgewiesen.

Rios entschuldigt sich

Nationalcoach Andreas Schwaller klärt auf: «Limmattal hätte sofort Protest einlegen müssen.» In diesem Fall wäre der Umpire, der Unparteiische, eingeschaltet worden und hätte noch während der Partie eine Entscheidung fällen können. Weil dies nicht Geschehen ist, verhält es sich wie ein Tatsachenentscheid im Fussball. «Ein Tor, das mit der Hand erzielt wurde, wird nach dem Spiel auch nicht zurückgenommen», vergleicht Schwaller. Alles in allem sei dies «eine sehr unglückliche Aktion» , die jedoch keine Auswirkung auf den Meistertitel hat.

Rios berief sich gestern auf sein Statement, das er samstags auf Facebook veröffentlicht hat. Darin entschuldigt er sich und schreibt, er habe während des besagten Steins nie das Gefühl gehabt, ihn berührt zu haben. Er gibt jedoch zu, dass es auf den Videobildern tatsächlich so aussehe, «als ob eine Berührung stattgefunden haben könnte».

Der Rekurs Limmattals bezeichnet er deshalb als absolut verständlich. Sein Team habe sich zudem beim Verband informiert, ob sie ein Forfait anbieten können. Dies hätte jedoch keine Auswirkungen aufs Klassement gehabt, sondern wäre wie der Rekurs auf dem grünen Tisch gelandet.

Martin Rios' Statement auf Facebook.

Auf Facebook erhielt Rios mehrheitlich positive Rückmeldungen. Der Deutsche Nachwuchs-Bundestrainer Wolfgang Burba schreibt beispielsweise, er würde niemals an den Worten Rios’ zweifeln. Dennoch sah sich das Team Glarus offenbar während des ganzen Wochenendes mit teils heftigen Anfeindungen konfrontiert.

Bieler Duo im Final unterlegen

So war auch die Finalserie zwischen Glarus und Biel Touring von einer gewissen Tristesse überschattet.

Das Bieler Cousin-Duo Reto und Michelle Gribi hatte über vier Tage konstant starke Leistungen abgerufen. Nach der Startniederlage gegen Aarau reihten die Seeländer Sieg an Sieg und qualifizierten sich als erstes Team für die Finalspiele. Auch in der Best-of-3-Serie gerieten die Bieler in Rückstand, zeigten aber in der folgenden Begegnung eine Reaktion. Beim letzten Stein stand Michelle Gribi vor der anspruchsvollen Aufgabe, mindestens zwei gegnerische Steine aus dem Haus zu entfernen und gleichzeitig mit ihrem Eigenen liegen zu bleiben. Die 24-Jährige meisterte den Double-Takeout bravourös und stellte so die «Belle» sicher.

Das dritte und entscheidende Finalspiel in voller Länge.

In dieser mussten sie sich die Bieler gleich zu Beginn drei Steine stehlen lassen. Von diesem Rückschlag erholten sich sie nicht mehr und verloren letztlich 4:7. Trotzdem munterte sich das Duo nach dem Spiel gegenseitig auf. Im Vorfeld hatten sie sich nicht zu den Favoriten gezählt, weil sie erst kürzlich beschlossen hatten, den Fokus aufs Mixed Doubles zu legen (das BT berichtete). Deshalb könnten sie zufrieden sein, sagt Reto Gribi. «Es hat wenig gefehlt.»

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Nun geht es um die Olympischen Spiele

Als Schweizer Meister dürfen Jenny Perret und Martin Rios an die Mixed-Doubles-Weltmeisterschaft in Lethbridge (Kanada).

Diese findet vom 22. bis 29. April statt.

Aufgrund der Platzierungen an den Weltmeisterschaften wird entschieden, welche Nationen am olympischen Turnier 2018 teilnehmen dürfen.

Mixed Doubles wurde erst 2015 ins olympische Programm aufgenommen, feiert in Pyeongchang also eine Premiere.

Wei die Schweiz (Hess/Kobler) an der letzten WM nicht über die Gruppenphase hinaus kam, müssen Rios/Perret in Lethbridge wohl mindestens den Halbfinal erreichen, um sich einen Platz an den Olympischen Spielen zu sichern.