Sie sind hier

Abo

Regionalfussball

Mit klugen Zuzügen, ohne grosse Töne

Vom Assistenten zum Haupttrainer: Anderson Kor hat beim FC Azzurri Biel eine neue Rolle übernommen und musste dafür lernen, Distanz zwischen sich und den Spielern zu schaffen.

Azzurri-Trainer Anderson Kor erklärt Neuzugang Wilkins Luciano seine Spielidee. Bild: Matthias Käser/Bieler Tagblatt

Michael Lehmann

Anderson Kor humpelt übers Spielfeld, als ob er soeben selbst im Einsatz gestanden wäre. Völlig abwegig wäre das nicht; Kor war selbst aktiv und hat sich bei Klubs wie Aurore, Lyss, Besa und Azzurri im hiesigen Regionalfussball einen Namen gemacht. Die Zeiten als Spieler sind für den 39-Jährigen jedoch schon länger vorbei. Er habe irgendetwas am Knie, erklärt der neue Azzurri-Trainer abwinkend, das sei nicht weiter der Rede wert.

Lieber spricht der Franko-Senegalese über die Leistung seines Teams. Der Test gegen das in der 2. Liga interregional spielende Grenchen endete 1:1, Scott Mbemba – sein Torhunger ist bekannt – hatte die Partie kurz vor Schluss ausgeglichen. «Die Spieler haben in dieser Hitze stark gekämpft», hält Kor fest. «Wir sind auf einem guten Weg.»

Nicht mehr der grosse Bruder
Der FC Azzurri ist einer von zwei Zweitligisten aus dem Seeland, der mit einem neuen Haupttrainer in die Saison nach Corona startet. Ende April hörte Roberto De Feo nach viereinhalb Jahren als Coach auf und wechselte zum FC Biel, bei dem er Teammanager wurde. Die Vereinsleitung ging darauf gleich auf De Feos guten Freund und langjährigen Assistenten Anderson Kor zu. Dieser erklärt, dass er nach 24-stündiger Bedenkzeit zu folgendem Schluss gekommen sei: «Einerseits fühle ich mich fähig, das neue Amt zu übernehmen. Andererseits hätte ich es nicht übers Herz gebracht, dem Klub eine Absage zu erteilen, mit dem ich seit meiner Ankunft in der Schweiz vor 17 Jahren so viel Schönes erlebt habe.»

Der Schritt vom Assistenz- zum Haupttrainer sei ihm nicht allzu schwer gefallen, sagt Kor. Schliesslich begleite er das Team schon lange und kenne die Spieler gut. Doch genau wegen des letzteren Punkts war der Schritt gleichwohl kein einfacher. «Als Assistent wollte ich ein Bindeglied zwischen Spieler und Trainer sein. Für die Spieler war ich der grosse Bruder, der zuhört, beruhigt oder tröstet», erklärt Kor, der als Pädagoge arbeitet. In dieser Form sei dies mit seiner neuen Rolle nicht mehr vereinbar gewesen. «Es braucht eine gewisse Distanz zwischen dem Trainer und seinen Spielern.»

Der neue Assistent heisst Giuseppe Squatrito. Wie De Feo ist auch der ehemalige C-Trainer Azzurris ein guter Freund Kors. Sowieso sei Azzurri ein sehr familiärer Verein, hält der Trainer fest. «Der Zusammenhalt ist eine unserer grossen Stärken.»

Vom Ab- zum Aufstiegskandidaten
Die Italo-Bieler blicken auf erfolgreiche Jahre zurück. 2018 und 2019 belegten sie jeweils den dritten Rang, denselben Platz, den sie auch zum Zeitpunkt des Abbruchs der letzten Saison innehatten. Roberto De Feo hat aus dem abstiegsgefährdeten Team einen Kandidaten für den Gruppensieg geformt.

Der Blick auf die Kaderliste verrät: Azzurri darf auch in der kommenden Saison auf seine langjährigen Leistungsträger zählen. Dazu hat sich der Klub mit interessanten Personalien verstärkt. Verteidiger Aron Preite zum Beispiel hat es als YB-Junior bis in die U21 geschafft. Danach spielte er für Lyss und Bern 1894, ehe er eine Fussballpause einlegte. Dass Stürmer Luca Troilo genau weiss, wo das Tor steht, muss man im Seeländer Regionalfussball kaum jemanden erzählen. Auch Torhüter Mike Piller, der in den letzten Jahren beim 2.-Liga-inter-Team Le Locle zwischen den Pfosten stand, ist eine Verstärkung.

Azzurri Biel denkt aber auch langfristig. Zu den bereits erfahrenen Kräften gesellen sich mit Perceval Baumgartner und Wilkins Luciano zwei erst 16-jährige Talente, die zuletzt bei der Auswahl Bejune gespielt haben.

Vordere Ränge, nicht Aufstieg
Kein Wunder, prophezeien mehrere Trainer von gegnerischen Teams, dass Azzurri auch in diesem Jahr über das Potenzial verfügt, um den Gruppensieg respektive den Aufstieg in die 2. Liga interregional mitzuspielen.

Darauf angesprochen mimt Anderson Kor seinen Vorgänger und verzichtet bewusst darauf, grosse Töne zu spucken. Dass andere Trainer sein Team so stark einschätzten, sei sehr nett von ihnen, sagt der Azzurri-Trainer vorsichtig. «Wir haben sicher auch den Anspruch, um die vorderen Ränge mitzuspielen. Doch es handelt sich um meine erste Saison als Haupttrainer. Da wäre es vermessen, gleich den Aufstieg anzustreben.»

Die Testspielbilanz Azzurris mit zwei Siegen und zwei Unentschieden lässt sich sehen. Heute Abend (19.30 Uhr gegen St-Imier) und noch mindestens ein weiteres Mal kann der Trainer ein paar taktische Kniffe einüben, ehe es am 16. August in der Meisterschaft mit einem Heimspiel – wie gewohnt sonntags um 10 Uhr – gegen Kirchberg losgeht. «Wir freuen uns, die Pause hat lange genug gedauert», sagt Anderson Kor, lächelt und humpelt davon.

*****************

FC Azzurri Biel 2020/21
Torhüter: Bruno De Almeida Valeriano, Mike Piller (Le Locle)
Verteidiger: Davide Ciccarelli, Lesli Kevin Diabanza, Cherif Atab Diouf, Aram Eliassi, Alessio Greco, Christopher Mamona, Julien Müller (Grünstern), Aron Preite (Neustart nach Pause), Patrick Yombo Loosa
Mittelfeldspieler: Alban Alidemi, Perceval Baumgartner (Bejune), Maël Carbone (Aurore), Vicky Dadem, Sanders Loundou, Antonino Maglia, Alan Muscas, Mathurin Ndo, Riccardo Ruggiero
Stürmer: Michael Brönnimann, Wilkins Luciano (Bejune), Sergio Makengo, Scott Mbemba, Kevin Perez Lopo (zuletzt in Spanien), Luca Troilo (Nidau)
Abgänge: Roberto De Feo (Trainer, Biel), Jimmy Grüter (?), Valentin Oppliger (2. Mannschaft), Nodi Yildirim (Nidau)
Trainerstaff: Anderson Kor (Trainer), Giuseppe Squatrito (Assistent), Giovanni Liuzzo (Masseur) mt

Nachrichten zu Regionalfussball »