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Datenschutz

Widersprüche und Bedenken beim Datenschutz

Wer darf auf die Daten der Einwohner zurückgreifen? Kanton und Gemeinden waren sich nicht einig – als Lösung wurde ein Kompromiss installiert. Damit sind die Hürden zur Einsicht in die Einwohnerkontrolldaten ein Stück weit gefallen.

Wer darf die Einwohnerkontrolldaten einsehen? Kanton und Gemeinden waren sich nicht einig, ein Kompromiss musste her. Bild: Keystone

von Tobias Tscherrig


Kürzlich veröffentlichte die Europäische Kommission den «13. Statusbericht zur Ausbreitung von E–Government.» Die Schweiz kam dabei besser weg, als auch schon. Sie hat Fortschritte gemacht.

Mit der E-Government-Strategie will die Schweiz transparente elektronische Behördenleistungen für Bevölkerung, Wirtschaft und Verwaltung umsetzen. Gemäss dem Bericht klappt das inzwischen zwar gut, daneben gibt es aber auch Kritik. Nachholbedarf bestehe bei der Transparenz der Verwendung persönlicher Daten durch die Verwaltung, heisst es.

Das stimmt. Oder wissen Sie, wann Ihre persönlichen Daten benutzt werden und wer das Recht hat, darauf zuzugreifen? Eine Frage, die Bund, Kanton und Gemeinden umtrieb – und für einige Diskussionen sorgte.


Einheitliches Register

Die Ausgangslage ist klar: Die Verwaltungen brauchen verschiedene Daten der Einwohner, anders können sie ihre Aufgaben nicht wahrnehmen. Die Gemeinden speichern deshalb die Einwohnerkontrolldaten, welche sie immer wieder auch untereinander oder mit Bundes– und Kantonsverwaltung austauschen. Aus Datenschutzgründen mussten Verwaltungen ihre Anfragen betreffend den Einwohnern einer anderen Gemeinde bisher begründen. Anders waren die erforderlichen Daten nicht zu erhalten.

Am 1. November 2006 setzte der Bund das «Bundesgesetz über die Harmonisierung der Einwohnerregister und anderer amtlicher Personenregister» um.
Wie vom Bundesgesetz gefordert, verabschiedete der Kanton Bern im Juli 2007 dann das Gesetz über die Harmonisierung amtlicher Register (RegG) und installierte in Zusammenarbeit mit der Bedag Informatik AG die Gemeinderegistersysteme-Plattform (Geres). Damit sollte der Austausch von Personendaten vereinfacht werden.

Ein zentrales Register mit sensiblen Personendaten aus allen Gemeinden, von mehreren Akteuren einsehbar. «Die Datenqualität in den diversen Registern des Kantons wird durch den Einsatz von Geres spürbar verbessert», wird Balawijitha Balasubramaniam, Verantwortliche Registerharmonisierung des Kantons Bern, in einem Schreiben der Bedag AG zitiert. Die Kehrseite: Probleme mit dem Datenschutz waren vorprogrammiert.


Gemeinde übertrat Gesetz

Im August 2013 musste der kantonale Datenschützer Markus Siegenthaler eingreifen. Eine Gemeinde hatte nach ihrer bisherigen Praxis sämtliche Religionszugehörigkeiten ihrer Einwohner erfasst. So zum Beispiel auch den Islam.

Dieses Vorgehen verstösst gegen das Gesetz. So ist im Kanton Bern nur das Führen der Zugehörigkeit zu einer öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaft erlaubt. Das heisst: Im Geres dürfen nur die Religionen «römisch-katholisch», «christkatholisch», evangelisch-reformiert», oder «jüdisch» eingetragen werden. Andere, differenziertere Erfassungen, die Rückschlüsse auf die nähere religiöse Zugehörigkeit zulassen, sind nicht zulässig.

Siegenthaler verfasste einen Brief und forderte die betroffene Gemeinde dazu auf, unzulässige Einträge zu berichtigen und für die Zukunft eine Praxis einzuleiten, die ein korrektes Erfassen der Religionszugehörigkeit sicherstellt.


Kehrtwende des Kantons

Die Geres-Datenbank brachte weitere Probleme mit sich. Bei deren Einsetzung sah der Kanton zuerst vor, dass jede Gemeinde nur auf die Daten der eigenen Einwohner Zugriff hat.
Das wurde auch lange so praktiziert. Die Begründung des Kantons war auch nach der bereits fünften RegG-Revison im Jahr 2014 klar: Nur so könne der Datenschutz-Grundsatz umgesetzt werden. Dieser verlangt, dass Personendaten einzig zur Erfüllung der jeweiligen Aufgaben eingesehen werden dürfen.

Im Jahr 2015 machte der Kanton eine Kehrtwende. Plötzlich sollten alle Gemeinden im Kanton online auf die Einwohnerkontrolldaten sämtlicher Gemeinden Zugriff haben. Ein Vorgehen, das sich nicht mit dem Datenschutz-Prinzip verträgt. Ausserdem wäre das Vorgehen des Kantons schon fast widersprüchlich gewesen, schreibt Kurt Stöckli, Datenschutzbeauftragter der Stadt Biel im Geschäftsbericht 2015.

Denn:Der Datenschutz gilt auch zwischen den einzelnen Abteilungen innerhalb derselben Gemeindeverwaltung. So kann zum Beispiel das Baudepartement nicht einfach ohne Weiteres auf persönliche Daten zugreifen, die das Finanzdepartement gespeichert hat.


Datenschützer intervenieren

Mit dem kantonalen Vorschlag hätten die gemeindeinternen Abteilungen plötzlich strengere Voraussetzungen für einen Online-Zugriff auf Einwohnerkontrolldaten erfüllen müssen, als andere Gemeinden. Ein Widerspruch in sich.

Stöckli reagierte und gab der kantonalen Aufsichtsstelle für Datenschutz eine Vernehmlassung betreffend Geres ab. «Das ist eine Kritik am Vorgehen des Kantons», sagt Stöckli. Zusammen mit anderen Datenschützern und mit einigen Gemeinden im Rücken, kämpfte Stöckli gegen die komplette Öffnung der auf Geres gespeicherten Daten. Mit teilweisem Erfolg.

Der Kanton vertrat zwar die Meinung, sein Vorschlag würde zu einer effizienteren Zusammenarbeit zwischen den Verwaltungen führen. «Würden wir alles der Effizienz opfern, hätten wir überhaupt keinen Datenschutz mehr», kontert Stöckli. Die Intervention von Datenschützern und Gemeinden führte im Februar 2016 schliesslich zu einem Kompromiss.


Daten kantonsweit einsehbar

Der Kompromiss lässt einen gemeindeübergreifenden Datenaustausch ohne vorgängige Rückfragen zu (siehe Infobox). Hier mussten die Datenschützer auf ihre Forderungen verzichten und dem Kanton entgegenkommen.

Im Gegenzug wurden einige besonders heikle Daten vom automatischen Datenaustausch ausgeschlossen. So zum Beispiel die Religionszugehörigkeit und andere Daten, die gegenüber dem Bürger nachteilig interpretiert werden könnten. Zusätzlich bestimmt jede Gemeinde in einem kommunalen Reglement, welche Mitarbeiter auf welche Daten Zugriff haben.

Damit hat man die Tür zu den Einwohnerkontrolldaten nicht komplett, sondern «nur» einen Spalt weit geöffnet.

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Die kantonsweit einsehbaren Daten auf Geres

Amtlicher Name
Vorname
Geburtsdatum
Todesdatum
Geschlecht
Korrespondenzsprache
Zivilstand
Datum Zivilstandsänderung
Datum Trennung
Auflösungsgrund in eingetragener Partnerschaft
Trennung
Rufname
Allianznamen
Lediger Name
Umzugsdatum
Adresse
Zustelladresse und Kontaktangaben
Staatsangehörigkeit
Ehepartner /eingetragene Partnerschaft
Zuzugsdatum
Herkunftsort
Wegzugsdatum
Zielort
AHV-Nummer (Versicherungsnummer)
Personenstatus
Datensperre (Hat die Privatperson ihre Daten sperren lassen? Die Verwaltungen haben trotzdem Zugriff, behandeln die Daten aber mit grösserer Umsicht)

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