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Wochenkommentar

Das Verbot löst kein Gesellschaftsproblem – sinnvoll ist es trotzdem

Es ist eine Frage, die früher oder später jeden beschäftigt, der Kinder hat. Es ist die Frage nach dem richtigen Umgang mit dem Smartphone.

Parzival Meister, Redaktionsleiter, stv. Chefredaktor

Eltern stellen sich nicht mehr die Frage, ob das Kind überhaupt ein Handy bekommen soll, sondern viel mehr, in welchem Alter. Und dann: Wie viel Zeit darf es mit dem Smartphone verbringen? Welche Apps darf es benutzen? Wo darf das Smartphone dabei sein, wo nicht?

Die Frage nach dem richtigen Umgang mit dem Smartphone stellt die heutige Elterngeneration vor eine grosse Herausforderung. Das Smartphone hat unsere Gesellschaft derart schnell verändert, dass noch keine Richtig-Falsch-Norm besteht, an der man sich orientieren kann. Ebenso wenig können sich Eltern auf das besinnen, was sie aus ihrem Elternhaus kennen. Denn heutige Eltern gehören zur ersten Generation Smartphone und müssen oftmals für sich selber noch herausfinden, ob sie einen sinnvollen Umgang mit dem Smartphone pflegen.

Nicht zu unterschätzen ist in der Smartphone-Frage die Rolle der Schulen. Gerade bei Kindern, die mit dem Smartphone alleine gelassen werden. Die diese digitale Welt auf eigenen Füssen erkunden müssen. Die keine Werte vermittelt bekommen, nicht wissen, wie der sinnvolle Umgang mit dem Smartphone aussieht. Nicht, weil sie schlechte Eltern hätten. Aber vielleicht haben sie Eltern, die bei diesen Fragen schlichtweg überfordert sind – vielleicht schon in technischer Hinsicht.

Tatsächlich nehmen die meisten Schulen ihre Verantwortung wahr. Sie betreiben Prävention, zum Beispiel in Themen wie Cybermobbing und Sexting. Zudem ist das Smartphone nicht generell tabu. Schüler dürfen ihre Geräte dabei haben, aber sie müssen ausgeschaltet oder im Flugmodus sein – Hauptsache, der Unterricht wird nicht gestört. Und wenn es sinnvoll ist, kann das Smartphone sogar in den Unterricht integriert werden. Die Schüler lernen, dass das Gerät nicht nur dem Zeitvertreib dient, sondern eben auch sinnvoll eingesetzt werden kann.

Soweit, so Einigkeit. Wie diese Woche gezeigt hat, ist man sich aber noch nicht in allen Belangen rund um die Smartphone-Nutzung in Schulen einig. So fordert in Nidau eine Stadträtin, an den Schulen im Stedtli sollen Smartphones nicht nur in den Schulgebäuden ausgeschaltet bleiben, sondern auch auf dem Pausenplatz. In ihrer Stellungnahme begrüssen die Schulleitungen der drei Nidauer Schulen zwar, dass die Politik sich für einen sinn- und massvollen Handygebrauch einsetzt. Ein Smartphone-Verbot für das ganze Schulareal lehnen sie aber ab. Sie stellen sich auf den Standpunkt, dass ein Verbot, das nicht kontrollierbar sei, das Gesellschaftsproblem nicht löse. In den Schulhäusern und zum Beispiel in Lagern sei eine Kontrolle sinnvoll und möglich, auf dem gesamten Areal aber nicht.

Mag sein, dass ein Handyverbot auf den Nidauer Pausenplätzen kein Gesellschaftsproblem löst. Mag ebenfalls sein, dass die Schulen nicht zu 
jeder Zeit kontrollieren können, ob das Verbot auch eingehalten wird. Aber ein Verbot wäre eben auch ein Signal. Ein Signal, das sagt: Hier beschäftigen wir uns nicht mit der digitalen, sondern mit der echten Welt. Hier reden wir mit unseren Mitmenschen von Angesicht zu Angesicht.

Wer weiss, vielleicht finden die Schüler ja 
Gefallen daran. Vielleicht braucht es gar keine strengen Kontrollen, um sie dazu zu bringen, ihre Pausen ohne Smartphone zu verbringen. Vielleicht geniessen sie es sogar. Vielleicht lernen sie zu schätzen, an einem Ort zu sein, an dem kein Druck besteht, ständig erreichbar zu sein. Und vielleicht sind sie es dann, die dieses Gefühl in die Welt tragen und Mami und Papi raten, das Smartphone doch mal wieder beiseite zu legen.

Mag sein, dass dies etwas gar romantische Gedanken sind. Aber einen Versuch ist es ganz sicher wert.

pmeister@bielertagblatt.ch

von Parzival Meister
Redaktionsleiter, stv. Chefredaktor

 

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