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Dem eigenen Konsum auf der Spur

Könnten Sie einen Monat auf den Supermarkt verzichten? Die Lebensmittel oder Haushaltswaren nur noch im Quartierladen, auf dem Märit, beim Bäcker, Käser oder Metzger besorgen? Unter dem Motto «Februar ohne Supermarkt» haben mehrere Hundert Menschen aus Biel und Umgebung genau das getan. Das BT wagte einen Selbstversuch.

Die Gemüse- und Früchteauslagen von Bioläden sind fast genauso üppig wie im Supermarkt. Die Produkte sind zwar etwas teurer, dafür immer unverpackt. Bild: Peter Samuel Jaggi

Jana Tálos

Es blieb keine Zeit für Vorbereitungen. Als die Meldung über den «Februar ohne Supermarkt» am 30. Januar bei uns in die Redaktion flatterte, stand die Aktion bereits unmittelbar bevor: In der ganzen Schweiz, wie auch in Frankreich und Belgien, würden ab dem 1. Februar mehrere Tausend Menschen 28 Tage lang auf Supermärkte verzichten (siehe Infobox unten). «Es ist kein Boykott», versicherten die Begründer der Aktion. Es sei vielmehr ein Versuch, die Menschen alternative und vor allem nachhaltigere Einkaufsquellen entdecken zu lassen – und sie dabei ganz nebenbei dazu zu bringen, ihr Konsumverhalten einmal grundlegend zu hinterfragen.

Die Challenge weckte meine Neugier. «Ein Monat ohne Supermarkt? Wie schwierig kann das schon sein?», war das Erste, was mir durch den Kopf schoss. Keine zwei Minuten später hatte ich auch schon einen Entschluss gefasst: Ich würde selbst bei der Aktion mitmachen. Ich würde einen Monat lang versuchen, nicht im Supermarkt einzukaufen. Und ich würde an dieser Stelle über meine Erfahrungen berichten.

Fragen über Fragen
Als ich an diesem Abend nach Hause kam, lag in meinem Briefkasten ein Katalog eines Supermarkts. 25 Prozent Rabatt auf das gesamte Sortiment der Marke meiner Lieblings-Bodylotion wurden mir auf dem Cover angeboten. Und es lagen noch weitere Rabatt-Gutscheine bei: 5 Franken Reduktion auf Müsliriegel, 10 Franken Rabatt beim Kauf eines Dreier-Packs Chips, Waschmittel zum halben Preis – es kam mir vor, als ob all diese Angebote nur dazu da wären, mich gleich wieder von meinem Projekt abzubringen, noch bevor der Monat überhaupt losgegangen war. Die Gutscheine landeten im Altpapier. Und trotzdem kamen nun erste Zweifel auf: Hatte ich mir die Sache wirklich gut überlegt? Würde ich das Experiment durchziehen können?

Wo bekäme ich zum Beispiel all die Pflegeprodukte her, an die ich mich in den letzten Jahren gewöhnt hatte? Wo konnte ich Toilettenpapier kaufen oder Taschentücher? Klar, einiges davon würde sich bestimmt auch in einem Biofachgeschäft finden, oder in einem Quartierladen. Aber gab es da auch meine Lieblings-Bodylotion, oder die Zahnpasta, die ich seit eh und je benutzte, und deren Vorrat sich, wie ich feststellen musste, langsam zu Ende neigte?

Am nächsten Tag kamen im Gespräch mit meinen Kollegen weitere Fragen hinzu: «Was genau gilt eigentlich als Supermarkt?», fragte jemand. Waren damit einfach die grossen Ketten, wie Migros, Coop, Manor, Lidl, Aldi, Denner oder Spar gemeint? Oder gehörten dazu auch ein Müller oder ein Volg, die ja in deutlich kleinerem Rahmen operieren?

Gerade Letzteres schien mir für mein Vorhaben entscheidend. Mitte des Monats würde ich ins Wallis in die Skiferien fahren. Ob es da wohl auch einen Märit oder ein Gemüselädeli gab? Oder zählten ein Volg oder ein kleines Coop dort eben auch als Dorfladen?

In der Mitteilung zur Aktion fand ich darauf keine Antwort. «Tue das Beste, das du kannst!», stand da lediglich. Das Wichtigste sei, kurze Wege zwischen Erzeuger und Verbraucher zu bevorzugen. In der regionalen Facebook-Gruppe «Biel ohne Supermarkt» fand ich immerhin eine Liste mit Einkaufsmöglichkeiten in Biel und Region, die für diesen supermarktfreien Monat empfohlen wurden: Neben diversen Biofachgeschäften fanden sich darauf Adressen von Käsereien, Hofläden, Kleidungsgeschäften und Märkten. Auch eine Toilettenpapier- und Windelfabrik in Rüti, von der ich bisher noch nie etwas gehört hatte, war aufgeführt.

Obwohl meine Fragen im Kern unbeantwortet blieben, beruhigte mich diese Liste. An sie würde ich mich für den Anfang halten können. Alles andere würde sich dann schon irgendwie ergeben.

Lehre Nr. 1: Snack mitnehmen
Am 1. Februar stand ich mit einem guten Gefühl auf. Das Mittagessen hatte ich bereits organisiert und mein Kühlschrank war noch zu einem Drittel gefüllt, sodass ich erst morgen wieder würde einkaufen müssen. An diesem Tag konnte also nichts schiefgehen. Dachte ich. Bis kurz nach 15 Uhr mein Körper nach einem Snack zu schreien begann.

Normalerweise wäre ich jetzt einfach ins Centre Bahnhof hinüber spaziert und hätte mir in der Früchteauslage einen saftigen Apfel geholt, oder an der Kasse ein Branchli gekauft. Doch das ging ja nicht – wo also bekam ich nun so schnell ein Zvieri her? Auf der anderen Seite des Bahnhofs wäre zwar ein Bioladen gewesen. Aber würde sich dieser Umweg lohnen, nur damit ich einen kleinen Snack bekam?

Ich biss die Zähne zusammen und blieb im Büro – und notierte mir sogleich: «In Zukunft immer einen Apfel oder etwas Süsses von Zuhause mitnehmen.»

Die Menge unterschätzt
Nach diesem ersten Lehrstück wurde mir auch bewusst, wie kurzfristig ich bisher immer eingekauft hatte. War zuhause der Kühlschrank leer, ging ich am nächsten Tag einfach in den Supermarkt und kaufte nach Gutdünken ein. Was genau, das überlegte ich mir im Vorfeld nur, wenn ich etwas Bestimmtes im Sinn hatte oder Besuch erwartete. Ansonsten schlenderte ich durch den Supermarkt und liess mir spontan etwas einfallen – und verfiel dadurch auch schon mal der einen oder anderen Aktion.
Für meinen Besuch auf dem Märit nahm ich mir deshalb vor, für einmal genau zu planen, was ich die nächsten Tage essen wollte. Ofengemüse am Samstag, Teigwaren an einer Spinat-Rahm-Sauce am Sonntag, Reis und Gemüse am Montag. Und mit den Resten würde sich dann sicher auch noch etwas zaubern lassen, schliesslich hatten wir ja auch noch einiges an Vorrat.

Am nächsten Tag ging ich also mit einem Einkaufszettel auf den Markt und füllte meine Stoffsäckli mit Spinat, Kartoffeln, Lauch, Randen und Zwiebeln. Auch einen Liter Rohmilch vom Falbringenhof kam ins Körbli. An zwei anderen Ständen kaufte ich Käse und Eier, beim Altstadtbeck besorgte ich mir ein Brot und einGipfeli für auf den Weg.

Wie viel die einzelnen Lebensmittel kosteten, darauf achtete ich in diesem Moment nicht. Trotzdem war ich am Ende überrascht, wie wenig dieser Einkauf gekostet hatte: Ich hatte knapp 25 Franken ausgegeben. Konnte es sein, dass auf dem Markt alles so günstig war?
Den wohl wahrscheinlicheren Grund für die tiefen Kosten sollte ich wenige Stunden später erfahren, als ich die Einkäufe meinemFreund präsentierte. «Und bis wann soll das genau reichen?», fragte er mich misstrauisch. «Ich dachte so bis Dienstag», antwortete ich. «Bis Dienstag? Das reicht vielleicht fürs Wochenende!», meinte er. Und am Ende sollte er recht behalten. Schon am Sonntagabend war das Gemüse mehr oder weniger aufgebraucht. Ich hatte den Hunger eines Handwerkers in unserem Haushalt wohl etwas unterschätzt. Und meinen eigenen auch.

Öffnungszeiten notieren!
Da sowohl ich als auch meinFreund bis nach 19 Uhr arbeiteten, und die Bio- und Quartierläden nicht wie die Supermärkte bis um 20 Uhr geöffnet haben, standen wir am nächsten Abend erneut mit leeren Händen da. «Öffnungszeiten der Lädeli notieren», schrieb ich mir auf einen Zettel.

Dann schaute ich nach, was wir eigentlich noch so an Lager hatten. Getrocknete Tomaten, Oliven im Glas, Reis, Teigwaren, Linsen, Quinoa, Nüsse, getrocknete Äpfel- und Mangoschnitze. Auch Mehl und Trockenhefe waren noch vorhanden – wir hätten uns problemlos noch einige Tage durchschlagen können. Nach einigen Rezeptrecherchen imInternet kam an diesem Abend schliesslich ein indisches Linsencurry auf denTisch – einzig der frische Koriander zur Dekoration konnte ich in unseren Vorräten nicht finden.

Der Rest der Woche verlief reibungslos. Ich hatte einen neuen Versuch gestartet, und im Biolädeli genug Gemüse für den Rest der Woche eingekauft. Am selben Ort kaufte ich auch noch Abwaschmittel, Bodylotion und Zahnpasta. «Wenn sie das Abwaschmittel bei uns wieder auffüllen, erhalten sie zehn Prozent Rabatt», informierte mich die nette Verkäuferin. Ich notierte es mir auf der Liste der Gewohnheiten, die ich nach diesemVersuch auf jedenFall beibehalten wollte.

Die nächste Herausforderung stand aber bereits vor der Tür:Die Skiferien standen an, und ich hatte herausgefunden, dass das Bergdorf neben einem Metzger nur noch einen Supermarkt als weitere Einkaufsmöglichkeit zu bieten hatte. Musste ich mein Experiment nun wirklich unterbrechen?

Getreu dem Motto «Tue das Beste, das du kannst», nachdem der «Februar ohne Supermarkt» laut Medienmitteilung funktionierte, entschied ich mich schliesslich für einen Kompromiss: Alles, was ich beim Metzger besorgen konnte, würde ich dort kaufen. Den Rest würde ich im Supermarkt besorgen.

Kaum Mehrausgaben
In den beiden letzten Wochen des Experiments fing ich an, die Kosten meiner Einkäufe genauer aufzuschlüsseln und mit den Preisen der Supermärkte zu vergleichen. 1 Kilo Greenstar-Äpfel auf dem Märit: 5.90 Franken. Dieselben Äpfel imSupermarkt, aber nicht Bio: 4.90Franken.1 Kilo Demeter-Rüebli auf demMärit: 3.90 Franken. Bio-Rüebli im Supermarkt: Zwischen 3.90 und 4.90 Franken.

Etwas deutlicher fielen die Unterschiede bei Pflegeprodukten, Waschmittel, Kaffee oder Süsswaren aus. Die Bioladen-Produkte waren doch etwas teurer als die im Supermarkt. Je nach dem, musste ich da bis zu fünf Franken mehr ausgeben.

Trotzdem: Als ich am Ende des Monats den Kassensturz machte und die Ausgaben von Januar und Februar miteinander verglich, stellte ich fest, dass ich in diesem Monat sogar rund 20 Franken weniger ausgegeben hatte als imVormonat. Klar, der Februar hat einige Tage weniger als der Januar. Aber ich hatte dennoch das Gefühl, dass ich vor allem gegen Ende des Monats bewusster eingekauft hatte – und so den einen oder anderen Franken einsparen konnte.

Deutlich weniger Abfall
Der grösste Unterschied, den ich am Ende dieses Projekts aber feststellen durfte, war die Abfallmenge. Noch immer ist der 35-Liter-Müllsack, den ich Anfang Februar aufgestellt hatte, nicht voll. Vorher konnte ich einen solchen innert anderthalb oder maximal zwei Wochen füllen.

Das Fazit dieses Selbstversuchs: Auch ausserhalb der Supermärkte findet man alles, was man zum Leben braucht, auch wenn man dafür einige Gewohnheiten umstellen muss. Einiges ist teurer und auf Dauer wird es sich nicht jeder leisten können, komplett auf den Supermarkt zu verzichten. Doch schon allein die Tatsache, dass auf diese Weise weniger Abfall anfällt, überzeugt, um diesen Schritt weiterzuverfolgen.

Ich selbst werde sicher auch in Zukunft im Supermarkt einkaufen – die Bodylotion, die Zahnpasta und einige Süssigkeiten habe ich in diesem Monat schon ein wenig vermisst. Aber ich werde weiter versuchen, Gemüse und Früchte auf dem Märit oder im Bioladen zu kaufen – und in Zukunft meine Einkäufe besser zu planen.

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