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Die Gamebranche hat fast keine Probleme

An der letzten E3, die grösste Game-Messe der Welt, haben die Entwickler ihre neusten Spiele gezeigt. Während es die obligaten Fortsetzungen zu bekannten Marken gab, wurden aber auch neue Projekte in Los Angeles vorgestellt. Auf neue Spielkonsolen müssen die Endverbraucher aber warten. Das BT gibt einen Überblick.

Léa Seydoux: Die französische Schauspielerin hat im Game-Blockbuster «Death Stranding» eine wichtige Rolle. Bild: zvg
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Simon Dick

Jedes Jahr feiert sich die Branche in Los Angeles selber. Die Electronic Entertainment Expo (E3) ist die Nabelschau der Gameindustrie. Hinter verschlossenen Türen dürfen die neusten Spiele kurz angespielt werden. Jeder Software-Hersteller versucht dem anderen die Show zu stehlen. Vor allem Sony, Microsoft und Nintendo versuchen die Masse von ihren Produkten zu überzeugen (siehe Zweittext rechts). Doch die Branche funktioniert auch nach demselben Prinzip, mit dem sich auch die Filmindustrie am Leben hält: Fortsetzungen bekannter Marken spülen sehr viel Geld in die Kassen.

«The Division 2», «Crackdown 3», «Just Cause 4» oder «Devil May Cry 5» sind nur vier von über dreissig Videospielen, die als Fortsetzung auf den Markt geworfen werden. «Rage 2», «Nioh 2», «Hitman 2» und viele andere Actiontitel werden versuchen nicht nur die treue Fanbasis zufriedenzustellen, sondern auch neue Käuferinnen und Käufer an Land zu ziehen. Es geht noch weiter: «Dying Light 2», «Kingdom Hearts 3», «Call of Duty: Black Ops 4», «Battlefield 5» – die Liste an Sequels ist schier unendlich.

Emotionale Geschichte
In der Fortsetzungsflut gibt es aber auch Spielperlen, die schon länger in Entwicklung sind. «The Last of Us: Part 2» ist so ein exklusiver Game-Blockbuster für die Playstation 4. Der erste Teil erzählte die mitreissende Geschichte eines Mannes, der in einer postapokalyptischen Welt mit einem kleinen Mädchen auf eine Reise ging. Auch wenn das Spiel in einem Actionkleid steckte, war die erzählte Geschichte mehrschichtig, sehr emotional und gehört mittlerweile zu einem der intensivsten Videospiel-Erlebnissen. In der Fortsetzung ist das kleine Mädchen Ellie zur jungen Frau geworden und kämpft wieder ums Überleben in einer heruntergekommenen, brutalen Gesellschaft.

Sehr viel Testosteron
Aber auch Microsoft hat ein heisses Eisen führ die Xbox One im Feuer: Mit «Gears of War 5» bekommt die erfolgreiche Actionreihe endlich wieder eine Fortsetzung. In allen Spielen dieser Marke ist das Prinzip gleich: Testosterongeschwängerte Männer mit Riesenwaffen nehmen ausserirdische Monster auseinander. Der Ballerspass für Erwachsene geizt dabei nicht mit Bluteffekten. In der Fortsetzung scheint nun endlich eine weibliche Figur im Fokus zu stehen. Microsoft wird auch die berühmte «Halo»-Reihe fortsetzen. Der Egoshooter «Halo Infinite» will die Geschichte des Protagonisten Masterchief weitererzählen.

Nachschub für Fans
Auch Nintendo setzt auf Fortsetzungen. «Super Smash Bros. Ultimate» ist ein weiterer Aufguss der bekannten, sehr bunten Prügelreihe, wo sich Nintendo-Figuren auf die Mütze geben. In der kommenden Version wird es so viele Haudegen wie noch nie geben. Ansonsten bleibt das Grundgerüst gleich. Auch gleich bleibt das Spielprinzip von «Super Mario Party». Die Minispielsammlung wird auch dieses Mal wieder kurzweilige Spiele für zwischendurch anbieten. Und natürlich bekommt auch das Zugpferd «Pokémon» neue Ausgaben: «Let’s Go, Pikachu!» und «Let’s Go, Evoli!» werden mit Sicherheit einen Millionenumsatz verbuchen.

Natürlich gibt es auch für die Fans von (Motor-)Sport Nachschub: «Forza Horizon 4» wird mit grosser Sicherheit wieder mit einer fantastischen Optik und riesigem Umfang überzeugen. Schauplatz dieses Mal ist Grossbritannien. In «Trials Rising» versucht man mit einem Motorrad wieder spektakuläre Stunts zu vollführen. Und selbstverständlich kommen auch Fussballfans mit «Fifa 19» wieder auf ihre Kosten. Wer das runde Leder nicht mag, kann sich bei «Just Dance 2019» austoben und vor dem Bildschirm das Tanzbein schwingen.

Erscheinungstermin unbekannt
Und dann gibt es noch Kandidaten, die schon lange angekündigt wurden aber irgendwie nie erscheinen wollen: Das Abenteuerspiel «Shenmue 3» wurde immer wieder verschoben, «Beyond Good and Evil 2» scheint auch schon ewig in der Mache zu sein und bei «Metroid Prime 4» oder «Elder Scrolls 6» zweifelt man etwas daran, dass sie jemals das Licht der Videospielwelt erblicken werden. Bis diese Kracher auf den Markt kommen, kann man immerhin mit den Action-Fortsetzungen «Metro: Exodus», «Doom: Eternal» oder «Wolfenstein: Youngblood» die Zeit überbrücken.

Und selbstverständlich wartet auch ein neues «Assassin‘s Creed» auf die Fans . In «Assassin‘s Creed Odyssey» reist man dieses Mal in das alte Griechenland, wo wiedermal ein Geheimbund die Zukunft der Menschheit gestalten möchte. Auch Lara Croft darf wieder klettern. In «Shadow of the Tomb Raider» muss die Abenteuerin den Weltuntergang verhindern. Der Weltuntergang ist auch Thema bei «Fallout 76». Nach einer nuklearen Katastrophe hat die Menschheit so ihre Probleme. Diese müssen nun in einer offenen Spielwelt von vielen Spielerinnen und Spielern gleichzeitig gelöst werden.

Viele, viele Fragen
Trotz Fortsetzungsflut, die Gamebranche hat auch Spiele vorgestellt, die nicht auf einer bekannten Marke fundieren. Am meisten Aufmerksamkeit generierten drei Titel, die aber viele Fragen zurückliessen. Allen voran das bereits vor einem Jahr angekündigte Spiel «Death Stranding» von Hideo Kojima. Der legendäre Spieleproduzent aus Japan verriet auch diesesmal nicht viel über sein ambitioniertes Projekt. Auch die neuen Bewegtbilder verrieten kaum etwas zur Geschichte dieses exklusiven Playstation 4-Spiels. Und ein Erscheinungsdatum ist ebenfalls noch unbekannt. 

«Cyberpunk 2077» könnte das erste Openworld-Spiel werden, das eine wirklich lebendige, sich ständig verändernde Metropole präsentiert. In einer futuristischen Grossstadt können sich die Menschen ihr Aussehen selber aussuchen. Doch diese neue Freiheit führt auch zu vielen Alltagsproblemen. Fliegende Autos, dominierende Technik und künstliche Intelligenzen. Bei diesem Action-Abenteuer könnten sich Fans des Genres richtig schön austoben.

Austoben wird man sich wohl auch bei «Ghost of Tsushima», einem jetzt schon fantastisch aussehenden Spiel, wo man in die Rolle eines Samurais schlüpft und sich vor einer atemberaubenden Kulisse den Gegnern stellt. Das vorab gezeigte sorgte beim Grafikfetischisten für Freudentränen.

Roboter und Samurais
Was genau «Transference» werden soll, ist auch noch nicht ganz sicher. Das Virtual-Reality-Abenteuer mit Schauspieler Elijah Wood will sich mit Albträumen und Gedankenexperimenten befassen. Wie das spieltechnisch aussehen wird, wissen bis jetzt nur die Macher. Auch «The Quiet Man» lässt viele Fragen offen. Das Gezeigte lässt vermuten, dass es eine Mischung aus realen Szenen mit Schauspielern wird, die in ein animiertes Prügelspiel übergehen.

Auch folgende Spiele wollen neues Terrain erkunden: Bei «Twin Mirror» stehen wohl Gedächtnisschwund und Krimigeschichte im Fokus, «Daemon X Machina» wird ein Roboter-Kampfspiel, «Anthem» eine komplett neue Marke, die sich noch zu sehr an Konkurrenzspielen orientiert, in «Control» geht es wohl um Zeitmanipulation und in «Sekiro: Shadows Die Twice» kämpft man als Samurai gegen eklige Monster. Was genau «Starfield» werden soll, wissen nur die Macher. Aber es soll eine neue Spielemarke in einem Science-Fiction-Szenario werden.

Die Rückkehr der Jedi-Ritter
Mit «Session» kommt endlich wiedermal ein neues Skateboard-Spiel auf den Markt, während in «Starlink» kleine Raumschiffmodelle vor dem Fernseher zusammengebaut werden und mit dem Ballerspiel interagieren können. Poetisch und ganz gemächlich präsentierte sich «Déraciné», wo man nicht genau weiss, welchem Genre man es zuordnen soll. Ruppiger wird es wohl in «Vigor», ein Actionspiel, das in einer dystopischen Welt angesiedelt ist. Bunter und lustiger wird es in «Jump Force». In diesem Prügelspiel vereinen sich berühmte Anime-Figuren, um sich gegenseitig auf den Kopf zu hauen. Und ganz am Rande der Messe wurde auch ein neues «Star Wars»-Spiel angekündigt. «Jedi: Fallen Order» soll zwischen den Kinofilmen Episode 3 und 4 angesiedelt sein. Mehr wurde leider nicht verraten. Die Vorfreude ist aber gross.

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Mit sehr viel Herzblut

«Sea of Solitude»: In Berlin entsteht momentan ein wunderschönes Indie-Spiel. Bild: zvg

In der Gameindustrie gibt es auch viele unabhängige, kleinere Studios, die Videospiele produzieren. Fernab von der  Massenware kreieren viele ambitionierte Spielentwicklerinnen und Spielentwickler ihre Kunstwerke. Auch wenn der Überlebenskampf auf dem Markt für solche Indie-Studios schwierig ist, gibt es viele Herzblutprojekte, die auch an der E3 vorgestellt wurden.

In «Sea of Solitude» geht es um die Einsamkeit und was sie mit einem Menschen anstellen kann. In einer von Wasser überfluteten Welt muss man sich diversen (inneren) Dämonen stellen. Das Spiel wird in Berlin vom Studio Jo-Mei Games entwickelt.

Emotional wird es auch in «Ori and the Will of the Wisps». Diese Fortsetzung, der Vorgänger «Ori and the Blind Forest» war ein grosser Indie-Erfolg, ist auch wieder ein klassisches Hüpfspiel, wo man ein Fantasiewesen durch eine wunderschöne, eher ruhigere Spielwelt dirigiert. Auch eher ruhig wird es bei «Shape of the World» zu und hergehen. Man wandert oder gleitet durch eine minimalistisch gezeichnete Welt und sieht dabei zu, wie sich eine mystische Flora und Fauna entfaltet. Ob man diese genau erkunden kann und welche Interaktionen es geben wird, ist noch unklar.

Ein kleiner Fuchs geht in «Tunic» mit Schild und Schwert in einer 3D-Welt auf Abenteuerreise. Die klassische Kameraperspektive und die Parallelen zu zeitlosen «Zelda»-Spielen ist unverkennbar, sorgt aber gerade bei Retro-Liebhabern für Vorfreude.

Weitere Indie-Titel, die Eindruck an der Messe hinterliessen: «Sable» überzeugt schon jetzt mit einem sehr eigenwilligen Comicstil, der eine Steinzeitwelt mit futuristischen Elementen zum Leben erwecken wird. Düster wird es dann in «Ashen». Menschen mit komischen Proportionen und ohne Gesichter kämpfen in einer dunklen Welt gegen eklige Monster. Und das alles in einer hübschen aber auch gruseligen Umgebung. sd

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Microsoft gibt Vollgas

Phil Spencer: Der Xbox-Chef kann gut lachen, denn seine Show kam sehr gut an. Bild: zvg

Die drei grossen Game-Giganten versuchen immer wieder einander in Los Angeles die Show zu stehlen. Heuer war Microsoft der klare Sieger. Der Technikkonzern hat eine Überraschung nach der anderen aus dem Hut gezaubert. Die Show konzentrierte sich klar auf kommende Spiele und liess Bilder respektive Trailer sprechen. Die Präsentation begann mit einem Knall (die Ankündigung von «Halo Infinite») und endete ebenso mit einem (der erste grosse Trailer zu «Cyberpunk 2077»). Dazwischen gab es weitere Weltpremieren und Überraschungen. Es war schlicht die beste Präsentation , die Microsoft jemals an der E3 ablieferte.

Dagegen sah der Konkurrent Sony sehr alt aus. Zwar wurden auch hier einige eindrückliche, vor allem sehr stimmungsvolle Trailer zu kommenden Hits gezeigt, doch die Show hatte einige Durststrecken und liess grosse Überraschungen leider sehr vermissen. Sony war im letzten Jahr der klare Sieger. Fast schon hatte man das Gefühl, als ob man sich in diesem Jahr auf den Lorbeeren etwas ausruhen würde.

Fast schon einschläfernd wirkte die Videoshow von Nintendo. Auch hier warteten die Fans auf grosse Ankündigungen und Überraschungen, wurden aber total enttäuscht. Im Fokus der E3-Präsentation stand der kommende Prügelspass «Super Smash Bros. Ultimate», dem fast eine halbe Stunde zur Verfügung stand, um neue Figuren und Details zu erklären. Für Fans war das sicherlich ein grosser Genuss, für alle anderen Zuschauer eine grosse Qual. sd

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Wann kommen die neuen Spielkonsolen?
Dass man hinter verschlossenen Türen bereits an einer neuen Hardware-Generation arbeitet, ist kein Geheimnis. Sowohl Microsoft als auch Sony sind mit grosser Wahrscheinlichkeit damit beschäftigt eine neue Xbox respektive eine neue Playstation anzufertigen. Da die aktuelle Konsolen-Generation noch jung ist, dürfte man vielleicht im nächsten Jahr ein paar Details mehr erfahren. Doch mit Sicherheit wird es vor 2020 keine neuen Spielkonsolen geben.

Völlig überraschend liess jedoch Microsoft etwas in seine Karten blicken. Die nächste Hardware wird momentan unter dem Projektnamen «Scarlett» entwickelt und soll gleich mehrere Endgeräte umfassen. Somit könnten Spielerinnen und Spieler  in der nächsten Konsolengeneration vielleicht zwischen unterschiedlichen Modellen mit unterschiedlichem Innenleben auswählen.

Nintendo hingegen scheint auf den Aufrüstungszug nicht aufzuspringen. Die Japaner gehen ihren eigenen Weg. Das beweist die jüngste Spielkonsole Switch. Der Hybrid aus stationärer und mobiler Konsole verkaufte sich bis jetzt prächtig. Auch wenn man in Japan auch im stillen Kämmerlein an einer neuen Konsole bastelt, beeilen muss sich der Super Mario-Konzern überhaupt nicht. sd

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