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Unterhaltung

Viel Inhalt trifft auf viele Lücken

Der neue amerikanische Streamingdienst HBO Max kann mit einer gigantischen Vielfalt überzeugen. Diverse Lizenzprobleme sorgen aber für einen harzigen Start und viele Fragezeichen.

Zeitlose Hitserie: «Game of Thrones» hat bei HBO Max ein neues Streaming-Zuhause gefunden. Bild: Keystone

Simon Dick

Ende Mai hat sich in den USA ein neuer Streamingdienst erhoben, um die Masse mit Masse zu begeistern. HBO Max mag auf den ersten Blick nur eine weitere unbedeutende Plattform für Filme und Serien sein, doch hinter dem Anbieter steht eine der grössten Filmfirmen weltweit, die wiederum Mitglied einer noch grösseren Telekommunikationsfirma ist. Wenn HBO Max alles richtig macht, könnte dieser Dienst Netflix und Co. ohne Probleme von der Bühne verdrängen und zum neuen Marktführer aufsteigen. Doch der neue Streamingdienst hat noch ein paar Probleme, die den Start etwas holprig machen.

Eine ganz grosse Familie
HBO steht für Home Box Office, ist ein amerikanischer Fernsehprogrammanbieter und gehört zum Medienunternehmen Warner Media, dessen bekanntester Markenname Warner Bros. ist. Dies ist eines der grössten Filmstudios weltweit und hat sich durch das einprägsame Logo bei vielen Kino-Zuschauerinnen und Zuschauern über Jahrzehnte im Gedächtnis verankert.

Zu Warner Media gehören zudem unzählige amerikanische Fernsehsender und Unterhaltungskanäle. CNN oder Cartoon Network sind beispielsweise zwei Familienmitglieder. Auch der Comicverlag DC ist Mitglied der Warner-Familie. Warner Media hingegen gehört dem Telekommunikationsanbieter AT&T, der wiederum auch global agiert. Diese Multimediafirma ist so gut wie in allen Kommunikationsgeschäften tätig und bietet eine Vielzahl an Dienstleistungen an.

HBO Max kann also auf eine gewaltige Film- und Serien-Bibliothek zurückgreifen und hat sehr mächtige Konzerne hinter sich, die viel Geld investieren, um dem Dienst unter die Arme zu greifen und ihn richtig gross machen wollen. Zudem ist HBO in Amerika ein Gütesiegel. Fast alle HBO-Serien sind qualitativ hoch anerkannt und haben eine grosse Fanbasis. Mehr als 140 Millionen Kundinnen und Kunden kann der Programmanbieter HBO verzeichnen. Mit HBO Max sollen diese nun an den neuen Streamingdienst gebunden werden und den Geldbeutel in freudiger Erwartung bedenkenlos öffnen.

Viele Marken und viele Fragen
Mehr als 2000 Filme kann HBO Max momentan anbieten. Darunter befinden sich bekannte Franchisen wie «Herr der Ringe», «Harry Potter» oder die «Matrix»-Reihe. Auch im Serienbereich sind viele bekannte Inhalte rechtlich gesehen dort angesiedelt. Die Kultserie «Friends» ist ebenso dort zuhause wie die erfolgreiche Sitcom «The Big Bang Theory». Auch wenn beide Serien bereits abgeschlossen sind, erfreuen sie sich immer noch einer sehr grossen Beliebtheit und werden regelmässig immer und immer wieder konsumiert. Eines der grösseren Zugpferde ist «Game of Thrones». Die Hit-Serie hat nun bei HBO Max ein neues Streaming-Zuhause gefunden. Auch die bekannte Science-Fiction-Serie «Westworld» gehört nun zum Angebot.

Da der Comicverlag DC ebenfalls zur Familie gehört, kann sich HBO Max auch dort bei zahlreichen Filmen und Serien bedienen. Doch aktuell fällt auf, dass beispielsweise ganz viele Filme aus dem Batman- und Superman-Universum dort noch fehlen. So ist zum Beispiel die Batman-Trilogie von Regisseur Christopher Nolan nirgends zu finden. Auch diverse Superman-Filme und Serienableger aus dem DC-Haus fehlen.

Der Grund dafür dürften diverse Lizenzprobleme sein, die noch im Raum schweben. Denn Konkurrenz-Streamingdienste verfügen momentan noch über die Rechte, diverse DC-Filme und auch Serien aus diesem Kosmos zu zeigen. Bis die Lizenzzeit abgelaufen ist, findet man daher zum Beispiel bei Netflix noch zahlreiche DC-Inhalte wie etwa «Gotham» oder «Titans».

Da es zusätzlich mit europäischen Ländern nochmals andere Verträge gibt, laufen bei uns auch andere Hitserien vorläufig noch auf anderen Kanälen, bis sie nach und nach verschwinden und exklusiv bei HBO Max auffindbar werden. Dies ist zum Beispiel ein Grund dafür, warum bei uns «The Big Bang Theory» immer noch auf Netflix zu sehen ist, in den USA aber mittlerweile verschwunden sein dürfte.

Ein grosses Fragezeichen hinterlässt momentan der eher kleinere Streamingdienst DC Universe, der von der Warner-Familie bereits vor einiger Zeit lanciert wurde. Dies ist eine Plattform, die wie der Name schon verrät, auf Comicverfilmungen und Serien aus dem DC-Universum setzt. Ob dieser Dienst mit der Zeit aufgelöst wird oder parallel bestehen bleibt, um nur die Freundinnen und Freunde von Comic-Inhalten zu beglücken, ist unbekannt. Um langfristig mehr Kunden an HBO Max zu binden, dürfte DC Universe aber nicht mehr allzu lange existieren.

Unter dem Label Max Origins will der Streamingdienst auch eigene, exklusive Inhalte anbieten respektive produzieren lassen. Grosse Ankündigungen lassen aber derzeit noch auf sich warten. Ein Fehler. Denn eigene Inhalte sind das Aushängeschild eines jeden guten Streamingdienstes. Diese muss man auf HBO Max aber noch mit der Lupe suchen.

Schweiz bleibt ein Fragezeichen
HBO Max ist im Vergleich zu anderen Diensten eine teure Angelegenheit. 15 Dollar pro Monat ist viel Geld, auch wenn die Plattform viele und gute Inhalte zu bieten hat. Auch wenn es zur Zeit günstige HBO-Probe-Aktionen gibt, um neue Abonnentinnen und Abonnenten zu gewinnen, ist die Konkurrenz immer noch preiswerter.

Wenn HBO Max aber alle Lizenzprobleme gelöst hat, alle wichtigen Hausmarken nur noch dort zu finden sind und der Preis etwas gesenkt wird, kann sich dieser Streamingdienst zu einem ernstzunehmenden Netflix-Konkurrenten etablieren.
Ob und wann der Dienst in die Schweiz kommen wird, ist unklar. Das Unternehmen liess verlauten, dass im nächsten Jahr der Start in Lateinamerika beginnt und auch Teile Europas folgen sollen. Die Schweiz bleibt aber ein Fragezeichen.

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