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Lüscherz

Alles Handarbeit

In kurzer Zeit haben sich Steve und Marc Grimm aus Lüscherz mit ihrer Schokoladenmanufaktur einen Namen gemacht.
Was unterscheidet sie von anderen Herstellern? Welche drei Dinge sind ihnen wichtig? Und wovon träumen sie?

Schokolade, made im Seeland: Marc (links) und Steve Grimm mit ihrer Märchenedition und den Bean-to-Bar-Produkten (links) Bild: Peter Samuel Jaggi

Raphael Amstutz

Nach einem Besuch bei den Gebrüdern Grimm in Lüscherz ist klar: Vieles, was man über Schokolade zu wissen glaubte, stimmt nicht. Zum Beispiel: Schwarze Schokolade ist bitter. Schokolade mit einem hohen Kakaoanteil ist zwingend dunkel. Milchschokolade gibt es nur mit vielen Zusätzen. Die zweite Erkenntnis: Wenn man die Manufaktur der beiden verlassen hat, hat man nichts weniger als Schokolade neu entdeckt.

Um diese Erfahrung zu machen, braucht man zuerst die Hilfe von Steve und Marc Grimm – und zwar ganz handfest im geografischen Sinne. An der Hauptstrasse 50 in Lüscherz deutet nämlich nichts darauf hin, dass hier ein gewöhnliches Genussmittel in aussergewöhnlicher Qualität entsteht. Keine Fahne ist zu sehen, kein Blechschild, kein Schriftzug an der Fassade.

Alles ist hier Handarbeit

From bean to bar ist der Grundstein des Konzepts der Gebrüder. Von der Bohne zur Tafel. Steve und Marc machen nämlich alles selber: Auswählen, verhandeln, bestellen, sortieren, säubern, mahlen, rösten, walzen, conchieren, giessen, verpacken, verschicken. Sie betreuen zudem die Website und übernehmen das Marketing. Sie entscheiden und führen aus, sie sind gleichzeitig Angestellte und Chefs. Kurz: Hier ist alles Handarbeit.

Aber in vielen Confiserien und bei vielen Chocolatiers heisst es doch auch «hausgemacht»? Das unterscheide sie eben gerade von vielen solchen Läden, erklärt Marc. Hausgemacht bedeute oft einfach, dass der Finish im Haus gemacht wurde. Die Couverture wird angeliefert, die Schokolade ist vorgefertigt. Steve fasst es in einem Satz so zusammen: «Sie verarbeiten Schokolade, wir machen sie.»

Dass es so gekommen ist, hat viel mit ihrer Grossmutter zu tun. Sie las den Brüdern Grimm-Märchen vor – und wenn es besonders aufregend wurde, verteilte sie kleine Schoggistückchen, um die Kinder aufzumuntern.

1000 bis 3000 Tafeln pro Monat

Jahre später begann Steve, selber Schokolade zu machen. In bescheidenem Rahmen, in bescheidener Menge. Er hat Bücher gelesen, sich in Internetforen schlau gemacht und Youtube-Videos geschaut. «Ich habe zuerst gedacht, dass er spinnt», sagt Marc. Bald ist er dann aber auch mit an Bord, und nach und nach werden die eingesetzten Maschinen und die hergestellten Mengen grösser. Seit bald zwei Jahren wird in Lüscherz nun professionell produziert. Heute entstehen in den unscheinbaren Räumen unterhalb der Denner-Filiale 1000 bis 3000 Tafeln pro Monat.

Das Unternehmen ist schlank aufgestellt, flexibel und agil. «Wir wollen gesund und langsam wachsen», sagt Marc. Alle Anschaffungen werden aus dem Eigenkapital bezahlt, jede Expansion wird ausgiebig besprochen.

Neben der durchgängigen Handarbeit sind den Brüdern drei Dinge wichtig. Die Qualität: Die verwendeten Edelkakaobohnen sind sortenrein und stammen von den immer gleichen Farmen in Ecuador, Kolumbien oder Kamerun. Die Ethik: Die Ware stammt nicht aus Monokulturen, es gibt dort keine Kinderarbeit. Die Fairness: Die wenigen Produzenten, die Grimms zudem alle persönlich kennengelernt haben, erhalten den vier- bis fünffachen Preis, den Grossabnehmer bezahlen.

Die Grimm-Schokolade kommt mit ganz wenigen Zutaten aus: Kakaomasse und roher Rohrzucker. Fertig. Je nach Sorte kommen Haselnüsse dazu, Fleur de Sel oder Waldbeeren. Keine Emulgatoren, kein Gerstenmalzextrakt, kein Vanillin, keine anderen künstlichen Aromen. Oder, wie es Steve nennt: «Wir machen Schoggi ohne Seich bei unseren Bean-to-Bar-Produkten.»

Wovon die beiden gelernten Köche, Marc ist auch noch Hotelier und Steve Konditor-Confiseur, träumen? Von einem eigenen Laden irgendwo in der Region, in dem die Besucherinnen und Besucher die Herstellung unmittelbar miterleben können. Und sie träumen davon, irgendwann selber eine Farm zu besitzen und zu bewirtschaften. Von tree to bar, vom Baum zur Tafel also. Noch einen Schritt weiter. Wenn man erlebt, wie gewissenhaft, motiviert und zielstrebig die beiden arbeiten, würde es erstaunen, wenn es bei Träumen bleiben würde.

Und was ist denn nun das Besondere an der Schokolade der Gebrüder Grimm? Es gibt nur eine Antwort: Einfach selber probieren.

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