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Titelgeschichte

«Ich war von jeher 
sehr ehrgeizig»

Einst war die Seeländerin Jolanda Stankiewitz-Zürcher eine motivierte Teilnehmerin an den Seeländischen Einzel- und Gruppenwettspielen. Heute schickt sie ihre Schülerinnen und Schüler an den Wettbewerb und amtet an ähnlichen Anlässen als Expertin.

Jolanda-Stankiewitz-Zürcher schickt ihre Waldhornschülerinnen und -schüler gern an die SEGW. Bild: zvg

Jolanda Stankiewitz, Sie haben als Jugendliche selbst mehrmals an den SEGW teilgenommen. Wie wurden Sie darauf aufmerksam?
Jolanda Stankiewitz: Eigentlich weiss ich das gar nicht mehr so genau. Vermutlich stand es bei uns im Probelokal der Musikgesellschaft Aarberg am schwarzen Brett. Und ich denke, dass mich mein damaliger Musiklehrer Ueli Schori auf den Wettbewerb aufmerksam gemacht hat.

Was hat Sie gereizt, sich den SEGW zu stellen?
Es gab mir die Möglichkeit, mich mit anderen Musikern in meinem Alter zu messen. Ich war von jeher sehr ehrgeizig, weshalb die Erfolgsaussicht für mich sehr wichtig war. Besonders gereizt hat mich auch die Herausforderung, vor einer Fachjury zu spielen, die mir ein umfassendes Feedback abgab.

Sie waren also sehr motiviert. Wie haben Sie sich jeweils auf die Auftritte vorbereitet?
Ich musste einfach sehr viel üben. Das war aber kein Problem für mich, da ich eh immer sehr fleissig war. Ich habe bereits mit 12 Jahren das Trompetespielen gelernt. So war einer meiner ersten SEGW-Auftritte ein Trompeten-Duett mit meiner Kollegin Marlies Zürcher. Eine Besonderheit am Wettbewerb war auch das Zusammenspiel mit der Pianistin. Darauf hatte ich mich bei den Proben jeweils schon sehr gefreut.

Wie erfolgreich waren Sie?
Mit der Trompete hatte ich einen furchtbaren Ansatz. Eigentlich erstaunlich, dass mir das lange nicht auffiel und ich dieses Instrument liebte. Während der Lehre wechselte ich dann auf das Es-Horn, später aufs Waldhorn. Damit stellten sich die ersten Erfolge ein. An den SEGW habe ich dann auch die eine oder andere Medaille gewonnen. Später, als ich einmal umgezogen bin, habe ich diese in meinen Sachen gefunden und meinem Neffen geschenkt.

Sie sind heute selber als Expertin an Bläser-Wettbewerben und Musiktagen im Einsatz. Was ist die Herausforderung bei der Beurteilung der musikalischen Leistungen?
Jurieren ist immer extrem schwierig. Als Experte kannst du nur beurteilen, was du in diesem Moment hörst. Du vergleichst es im Kontext der anderen Kategorien-Teilnehmer. Man darf nicht vergessen, dass in jedem Vortrag eine ganze Persönlichkeit steckt. Ich habe einen jungen Erwachsenen als Schüler, der noch nie alleine gespielt hat. Schon bei der Tonprobe in der Musikgesellschaft spielt er vor lauter Aufregung falsche Töne. Demnächst wird er seinen ersten eigenen Auftritt haben. Er soll sich persönlich entwickeln und künftig angstfrei auftreten können. Als Juror fehlen dir diese Hintergrund-Informationen. Somit kann eine solche Vortragsbewertung nie ganz fair sein – zumindest aus der Sicht des Schülers. Die Besten und Schlechtesten sind meist recht deutlich herauszuhören, das Mittelfeld hingegen ist schwieriger zu bewerten.

Nun nehmen auch Schülerinnen und Schüler von Ihnen an den SEGW teil. Was halten Sie heute von diesem Wettbewerb?
Ich finde, es ist ein toller Anlass, um sich im Seeland miteinander messen zu können. Er hilft, Erfahrungen zu sammeln, seine Grenzen zu sprengen, seine Nervosität zu bekämpfen und zu lernen, mit Enttäuschungen umzugehen. Die Schüler müssen selbst entscheiden, ob und in welcher Form und mit welchem Stück sie teilnehmen wollen. Der Wettbewerb gibt ihnen einen Energiekick und motiviert sie, sich musikalisch weiterzuentwickeln.

Interview: Renato Anneler

Info: Die 43-jährige Waldhornistin ist in Aarberg aufgewachsen und absolvierte ursprünglich eine Lehre zur Gärtnerin, ehe sie ein Musikstudium in Angriff nahm. 2003 schloss die Musikpädagogin ihre Ausbildung mit dem Konzertdiplom ab und unterrichtet heute an verschiedenen Musikschulen in der Region. Seit 2010 dirigiert sie ausserdem das Projektblasorchester «Variazioni» des Musikvereins Worb. Sie lebt mit ihrer Familie in Bern.

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Nun wird täglich geübt

Der Seelandmeister motiviert den jüngeren Bruder


Manuel und Benjamin Brak aus Wiler. Bild: zvg

Der 12-jährige Benjamin Brak aus Wiler hat letztes Jahr zum ersten Mal in der Kategorie Drum-Set an den SEGW mitgemacht. Er sei recht zufrieden gewesen mit seinem Auftritt – er erreichte Rang 8. Nun will er sich steigern: «Mein Ziel ist es, in die Top 5 zu kommen.» Dafür übt er täglich um die 30 Minuten. Meist selbstständig, doch manchmal müssten ihm die Eltern einen Schubs geben.

Ein grosser Motivator ist sein Bruder Manuel, der letztes Jahr auf Anhieb zum Sieger in seiner Kategorie sowie zum Seelandmeister der Kategorie Holzinstrumente gekürt wurde. «Das war supercool», sagt er, «aber ich glaube nicht, dass ich das heuer wiederholen kann.»
Der 14-Jährige spielt seit fünf Jahren Fagott. An einem Anlass zum Instrumente testen entdeckte er das «komische Rohr» und war fasziniert vom Klang.  Letztes Jahr spielte er an den SEGW den 1. Satz von Vivaldis Fagottkonzert in g-moll, nun wagt er sich an den 2. und 3. Satz. Während der 2. Satz sehr langsam ist und viel Kraft und Luft braucht, ist beim 3. eine gute Fingertechnik gefragt.

Manuel Brak glaubt nicht, dass er dereinst ganz auf die Karte Musik setzt. «Aber wer weiss ...» Erst mal möchte er, der wie sein Bruder in der Jugendmusik Lyss spielt, Teil des Jugend Sinfonie Orchesters Biel werden. Aber da er auch noch sportlich sehr aktiv ist, liege das derzeit nicht drin. ab

Ein selbstbewusstes Trio


Emily Otti, Tobias Rüedi und Benjamin aus Oberwil (v.l)

Die besten Freunde Tobias Rüedi (13, Mitte) und Benjamin Bakaus (12) sind schon alte Hasen an den SEGW: Einzeln nimmt Schlagzeuger Tobias zum 5. Mal teil, Cornetist Benjamin zum 4. Mal. Sie haben schon Trio-Erfahrung und nahmen deshalb Tobias‘ Schulfreundin Emily Otti (12) mit an Bord, die Piano spielt.
Weil diese Kombination nicht gerade eine übliche Trio-Besetzung ist, mussten Emilys und Tobias‘ Stimmen erst mal ausgedacht und improvisiert werden. Die Oberwiler interpretieren das Stück «Take five» und die «Bohemian Rhapsody». Dass sie sich in ihrer Kategorie auch mit Erwachsenen messen müssen, stört sie nicht: Das Selbstvertrauen von «Die perfekten Drei», wie sie sich nennen, ist gross: Ihr Ziel: «Mindestens aufs Podest», findet Tobias. Vor zwei Jahren landeten er und Benjamin in ihren Kategorien auf dem ersten Platz. Für Benjamin gibt’s garantiert einen Podestplatz, da in seiner Gruppe nur drei dabei sind. Das heimliche Ziel von Tobias: Seelandmeister der Drummer zu werden. «Aber das wird sehr schwer.»
Die Freunde spielen seit einem Jahr bei der Musikgesellschaft Oberwil mit. Während Musik für Benjamin ein Hobby bleiben soll, kann sich Tobias vorstellen, das Hobby zum Beruf zu machen: Er hofft deshalb, ein Musikgymnasium besuchen zu können. Auch Emily ist musikalisch ambitioniert und spielt nebst Klavier noch Geige. ab

«Eine andere Welt»


Annik Ege hofft, auch künftig Zeit für die Musik zu finden. Bild: zvg

Annik Ege (15) aus Busswil nimmt zum ersten Mal an einem Solistenwettbewerb teil. Motiviert dazu wurde sie von ihren Kolleginnen aus der Jugendmusik Lyss. Deren letztjähriger Auftritt hat das Interesse der Waldhornistin geweckt, die nun wissen will, was die Einzel- und Gruppenwettspiele genau sind. Entsprechend aufgeregt dürfte sie bei der Premiere sein. Ege ist aber überzeugt: «Es wird auch Spass machen und eine coole Erfahrung sein, vor Publikum zu spielen.»
Von den Experten erwartet sie eine Standortbestimmung – selber erhofft sie sich einen Rang im Mittelfeld. Vorbereiten will sich die Musikantin durch intensives Üben, auch mit ihrer Musiklehrerin Jolanda Stankiewitz (siehe Interview links). Denn das Musizieren bedeutet Annik Ege sehr viel – es ist für sie «wie eine andere Welt». Das Instrument verschafft ihr die Möglichkeit, in eine andere Stimmung einzutauchen. Bald wird sie eine Lehre als Geomatikerin antreten. Sie hofft, trotz weniger Zeit weiterhin musizieren zu können, um die Abwechslung zum Alltag zu haben. tm


Aufregung möglichst vergessen


Francine und Celine Maier aus Meinisberg (v.l). Bild: zvg

Der Solistenwettbewerb ist für die Zwillinge Celine und Francine Maier (16) aus Meinisberg eine Herausforderung. Man lerne sehr viel und könne gezielt arbeiten, sagt die Klarinettistin Celine. Die Euphonistin Francine schätzt, dass der Anlass sie anspornt, mehr zu üben  – vor dem Wettbewerb nun beinahe täglich. Zudem ist es für die Mitglieder der Jugendmusik und der Musikgesellschaft Meinisberg eine Bereicherung, mit Klavier zu spielen.
Die beiden Schwestern sind schon zum fünften Mal dabei. Sie wissen daher, dass man vor Publikum die Aufregung möglichst vergessen muss. In dieser Situation gut zu spielen sei eine Herausforderung, findet Francine. Es gelte aber, aus der Expertenkritik zu lernen und sich zu verbessern. Ziel ist deshalb, die eigene Leistung möglichst abzurufen, so dass man mit sich selber zufrieden ist. Denn generell mache Musik glücklich. Celine findet, Musik könne viele Emotionen ausdrücken und man könne sich mit ihr nach einem strengen Arbeitstag beruhigen: «Mit Musik kann ich abschalten.» tm

«Einfach unfassbar»


Jérémie Jolo tritt unterdessen als Solist auf. Bild: zvg

In welchem Alter er zum ersten Mal an den SEGW teilgenommen hat, erinnert sich der 30-jährige Bieler Jérémie Jolo nicht mehr genau. Aber: «Beim ersten Mal habe ich gleich gewonnen, das konnte ich gar nicht fassen.» Ab da ging seine Unvoreingenommenheit in sportlichen Ansporn über, und die Wettbewerbe wurden zum jährlichen Fixpunkt im Kalender. Drei oder vier Mal wurde der Klarinettist in seiner Kategorie zum Sieger gekürt. Er nahm auch an anderen Wettbewerben teil, als Höhepunkt erreichte er 2007 den 2. Rang am Schweizerischen Solistenwettbewerb. Es folgte die Aufnahmeprüfung für die Militärmusik und fürs Musikstudium. Heute arbeitet Jérémie Jolo als Dirigent bei der Musikgesellschaft Bellmund/Sutz-Lattrigen und des Klarinettenensembles KlaPro Seeland, ist bei diversen Musikprojekten engagiert, unterrichtet und hat sich in der Logopädie ein weiteres Standbein aufgebaut.
Die SEGW hätten ihm immer Spass gemacht – besonders toll seien die Anfangsjahre gewesen, als es in allen Kategorien noch richtig viele Teilnehmer gegeben habe, was den Jungmusiker anspornte: «Letztlich waren die SEGW einer der Gründe, weshalb ich mich später dazu entschieden habe, die Musik zum Beruf zu machen.» ab
 

 


 

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